Bildverarbeitung

Selbstlernende Pick-and-Place-Lösung

21.03.2024 - 3D-Bildverarbeitungslösung mit Kameras, KI und Robotik optimiert die Fertigungslandschaft

Die Effizienz in der Intralogistik oder im Materialhandling zu verbessern, dazu eignen sich Roboter in Verbindung mit Bildverarbeitung. Kommt dann noch künstliche Intelligenz dazu, werden die Potenziale gefühlt unermesslich groß. Aber auch die Komplexität steigt. Ein britischer Automatisierer hat gezeigt, wie ein solches Projekt gelingen kann.

Die Fertigungsbranche steht aktuell vor einer Reihe von Herausforderungen: Technologiewandel, drängende Umweltthemen und Globalisierung erfordern eine Reihe von Anpassungen, wie die Investition in neue Technologien, Ressourcenschonung und die Optimierung und Absicherung von Lieferketten. Global agierende Unternehmen müssen sich gegenüber einem sich wandelnden Umfeld behaupten und gleichzeitig Probleme in Lieferketten bewältigen. Die Zurückverlagerung der Produktion ins Inland ist dabei zunehmend eine Option. Dies erfordert nicht nur eine gewisse Resilienz, sondern auch die Einhaltung strenger Umweltvorschriften sowie kosteneffiziente Strategien, um die Fertigung im Inland konkurrenzfähig zu gestalten. Wer die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Produktion sichern will, muss darüber hinaus Personal­engpässe überwinden. Automatisierung durch Robotik ist hierbei längst zur treibenden Kraft geworden, künstliche Intelligenz (KI) nimmt mehr und mehr eine Schlüsselrolle ein. Diese Technologie entwickelt sich ebenso rasant, wie der Automatisierungsdruck steigt. Um Produktionsprozesse im eigenen Unternehmen mit KI abzubilden, sind eine möglichst einfache Integration sowie die Verkürzung der Trainingsphasen bereits jetzt entscheidende Faktoren. 

Genau hier setzt das Britische Startup Cambrian Robotics mit einer vollständig KI-basierten Lösung für diverse Robotik-Anwendungen in der Fertigung an. Es übernimmt schnelles Bin Picking oder Pick-and-Place, die exakte Zuführung von Teilen für Maschinen sowie unterschiedliche Arbeitsschritte im Materialhandling – zugunsten von mehr Effizienz bei Montageaufgaben oder in der Lagerlogistik.

Das leicht integrierbare System besteht aus einem Modul für Roboterarme, einer Recheneinheit mit vorinstallierter Software sowie einem Kameramodul, das mit je zwei Ueye+-XCP-Kameras von IDS ausgestattet ist.


Selbstlernende Software sieht Teileposition voraus

„Die Aufgabe der Kameras besteht darin, ein Bild des Bereichs mit den zu handhabenden Objekten aufzunehmen. Anhand der Aufnahmen kann die Software die Szene analysieren und erkennen, wo sich die Objekte genau befinden“, erklärt Miika Satori, Gründer und Geschäftsführer von Cambrian Robotics. Die Weiterverarbeitung der Bilder erfolgt mithilfe des Herzstücks von Cambrian Vision – einer selbstlernenden Software zur Vorhersage der Teileposition sowie deren Pick-Punkte. Diese sorgt für den Bildabgleich auf KI-Basis, sodass keine klassische 3D-Punktewolke nötig ist.

Anhand von simulierten Daten lernt die KI selbstständig und lokalisiert die Entnahmepunkte und Teile präzise. Die KI-Modelle zur Teileerkennung und Kommunikation mit dem Roboter werden von einer GPU (Graphics Processing Unit) gesteuert. Und die Software lernt schnell dazu: „Mit dem Cambrian-Software-Paket können Pickpunkte für neue Teile innerhalb von zwei bis fünf Minuten definiert und die Anwendung konfiguriert werden“, betont Satori.

Das zugehörige Kameramodul ist bestückt mit je zwei XCP-Industriekameras. „Die beiden IDS-Kameras liefern nach dem Stereovision-Prinzip Bilder der Objektszene aus unterschiedlichen Betrachtungswinkeln. Die Herausforderung besteht darin, die Position des zu greifenden Teils so genau wie möglich aus diesen Bildern zu bestimmen. Dies ist wiederum die Aufgabe der KI“, erklärt Satori. Die Kombination von Bildaufnahme, KI-Modellen und spezieller Bildverarbeitung ermöglicht es, Aufnahmepunkte und Positionen besonders präzise zu bestimmen. „Standard-CAD-Anwendungen für 3D-Bin-Picking verwenden dafür häufig strukturiertes Licht oder Sensoren, die etwas auf die Umgebung projizieren, eine Punktwolke erzeugen und dann versuchen, das Teil darin zu finden. Cambrian verwendet dafür statt einer 3D-Kamera lediglich zwei handels­übliche IDS-Industriekameras.


Bin-Picking mit einer Genauigkeit unter 1 mm

Mit einer Genauigkeit von unter 1 mm ist Cambrian-Vision zudem wesentlich exakter als konkurrierende Systeme. „Das System erkennt zuverlässig eine große Bandbreite von Teilen, einschließlich glänzender, reflektierender oder transparenter Komponenten, bei denen herkömmliche Bildverarbeitungssysteme oft an Grenzen stoßen. Dabei bleibt es robust gegenüber äußeren Lichtverhältnissen“, beschreibt Miika Satori die besonderen Anforderungen an die Kameras, die elementarer Bestandteil der Lösung sind. „Außerdem ist das System superschnell, da die Inferenzgeschwindigkeit weniger als 170 Millisekunden beträgt, während sie bei vergleichbaren Lösungen oft mehr als 1.000 Millisekunden dauert.“ Die schnelle Berechnungszeit ermöglicht Zykluszeiten von zwei bis drei Sekunden in einer Bin-Picking-Einstellung. „Dies stellt eine effiziente, präzise und genaue Ausführung in einem einzigen Durchgang sicher“, unterstreicht der Geschäftsführer. Das One-Shot System ist damit derzeit eines der schnellsten KI-Bilderkennungssysteme auf dem Markt. 


Die Kameras liefern gute Bilder auch bei schwierigen Lichtverhältnissen

Ermöglicht wird dies nicht zuletzt durch die Superspeed-USB-Kameras mit 5 Gbps, die in jeder Umgebung zuverlässig hochauflösende Daten für detaillierte Bildauswertungen liefern, auch in Anwendungen mit geringem Umgebungslicht oder wechselnden Licht­verhältnissen. Dank BSI-Pixeltechnologie („Back Side Illumination“) bietet der Sensor (1/2.5 Zoll 5,04 MP Rolling Shutter CMOS-Sensor Onsemi AR0521) eine stabile Low-Light-Performance sowie eine hohe Empfindlichkeit im NIR-Bereich (nahes Infra­rot), sodass die Ueye XCPs in nahezu jeder Lichtsituation hochwertige Bilder liefern – bei gleichzeitig geringem Pixelrauschen. Mit ihrem baukleinen, leichten Vollgehäuse (29 x 29 x 17 Millimeter, 61 Gramm) und verschraubbarem USB-Micro-B-Connector ist die USB3 XCP für den Einsatz in Kombination mit Robotern und Cobots im Bereich der Automatisierung besonders geeignet. 

Durch USB3 und die Vision-Standard-Kompatibilität (U3V/GenICam) lassen sich die XCP-Kameras leicht in jedes Bildverarbeitungssystem integrieren und können grundsätzlich mit jeder geeigneten Software verwendet werden. Die einfache Integration über das Standard-Interface ist für Satori besonders vorteilhaft: „Je nach Kunden­anforderung verwenden wir in unserem System andere IDS-Kameras. Die standardisierte Schnittstelle ermöglicht einen schnellen Einsatz unterschiedlicher Ueye-Modelle.“ Durch ihre Kompatibilität mit gängigen Objektiven eignet sich eine Vielzahl an Kameras aus dem IDS-Portfolio als Augen für kundenspezifische Cambrian-Vision-Lösungen und tragen so entscheidend zu einer hohen Produktionsleistung bei. 
Ein weiterer Schlüssel zur Effizienz liegt in der unkomplizierten Integration von Cambrian Vision. Das intelligente 3D-Vision-System ist ohne reales Robotertraining sofort einsatzbereit – eine erhebliche Beschleunigung im Vergleich zu herkömmlichen Methoden. Unternehmen können also rasch von den Vorzügen der Automatisierung profitieren: Sie schonen Ressourcen und sparen Kosten, indem sie effizienter und nachhaltiger arbeiten, während sie gleichzeitig die Qualität ihrer Produkte und die Sicherheit ihrer Mitarbeiter verbessern. 


KI in der Robotik noch am Anfang

„Der Einsatz von KI in der Robotik steht erst am Anfang und steckt noch in den Kinderschuhen“, konstatiert Satori. Durch den wachsenden Bedarf wird die Entwicklung im Bereich Bildverarbeitung mit KI weiter vorangetrieben, Kameras mit höheren Datenraten sowie schnelleren und größeren Sensoren werden auf den Markt kommen, ebenso wie weiter preisoptimierte Modelle mit verlässlichen Basisfunktionen. „Industriekameras werden immer kleiner und erschwinglicher. Dies wird noch mehr Anwendungen ermöglichen. Unsere Vision ist es, Robotern Fähigkeiten auf dem gleichen Niveau wie Menschen zu verschaffen.“ Durch den Einsatz von KI-gestützten Robotern für alltägliche und sich wiederholende Aufgaben lassen sich menschliche Ressourcen auf kreativere, produktivere und wertvollere Auf­gaben umlenken.

Autorin
Silke von Gemmingen, Referentin Unternehmenskommunikation
 

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