Automatisierung

Prüfsystem überwacht hoch belastete, langsam laufende Wälzlager

26.05.2015 -

Die Verbrennungsluft in Braunkohlekraftwerken wird vorgewärmt. Fällt nun eines der riesigen Lager in den Luftvorwärmern aus, steht das gesamte Kraftwerk still - im schlimmsten Fall über mehrere Wochen. Um diese Situation gar nicht erst entstehen zu lassen, überwacht ein Prüfsystem jetzt den Zustand der Lager.

Schon die Dimension ist beeindruckend: ein riesiges Wälzlager mit einem Käfig von mehr als einem Meter Durchmesser und 20 Wälzkörpern. Gemächlich dreht sich das Lager um die eigene Achse, in einer Minute vielleicht zwei, maximal aber vier Mal. Gleich zwei davon sind beim Braunkohlekraftwerk Niederaußem, einem Großkraftwerk von RWE Power, im Einsatz. Man ahnt es bereits, die beiden Kolosse haben eine wichtige Aufgabe: Sie sind der Dreh- und Angelpunkt der beiden Rotationswärmetauscher, über die die Verbrennungsluft vorgewärmt wird.
Gerade weil sie sich so langsam drehen, sind die Traglager der Luftvorwärmer (Luvo) hohen Belastungen ausgesetzt. Schäden, nicht größer als die Spitze einer Kugelschreiber-Mine, können sich über einen längeren Zeitraum zu großen Schäden mit verheerenden Folgen entwickeln, wenn sie unerkannt bleiben. Ein überraschender Lagerbruch könnte zu einem mehrwöchigen Stillstand des gesamten Kraftwerks führen. Ein Szenario, das Bruno van den Heuvel, Leiter der Abteilung Diagnose / Dienstleistung bei RWE Power mit Schrecken erfüllt: „Kosten entstehen nicht nur durch die Reparaturarbeiten. Wegen der Lieferverpflichtung gegenüber unseren Kunden müssten wir in so einem Fall kurzfristig teuren Strom auf dem Spotmarkt einkaufen." Auch kürzere Inspektionsintervalle böten letztlich keine Sicherheit und seien nicht wirtschaftlich. „Der Königsweg ist eine Instandhaltung, die von der kontinuierlichen Diagnose des Ist-Zustandes ausgeht."

Intelligente Hardware und viel Mathematik
Die Entwicklung eines automatisierten Systems, mit dem fortlaufend der Zustand langsam laufender Großwälzlager überwacht wird, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. „Die haben auch wir nicht in zehn Minuten gelöst", so MeasX-Geschäftsführer Joachim Hilsmann. Das einschlägige Verfahren, die Frequenzanalyse, war wegen der Umgebungsbedingungen mit teilweise stochastischen Schwingungsanteilen schwierig umzusetzen. „Bei der Überrollung beginnender Lagerschäden entstehen sehr kurzwellige, periodische Stoßimpulse. Allerdings sind diese Signale nur schwach, während es gleichzeitig eine Menge mechanischer Störsignale und Elektronikrauschen gibt, die weit mehr Energie haben."

In der Tat: Es rauscht und rattert beträchtlich in der Umgebung der Luftvorwärmer. „Mittels mathematischer Verfahren haben wir aber eine Lösung gefunden, um das ungünstige Signal-Rauschverhältnis signifikant zu verbessern und stochastische von periodischen Signalanteilen zu unterscheiden", so Hilsmann. Die Lösung beruht auf der Kombination von rauscharmen elektronischen Bauteilen und speziellen mathematischen Algorithmen. Die an den Wälzlagern aufgenommenen Signale werden mittels empfindlicher Beschleunigungssensoren und hochgenauen, rauscharmen Verstärkern gefiltert und demoduliert. Ihre mathematische Weiterverarbeitung erfolgt auf einem intelligenten Datenerfassungssystem (NI Single-Board Rio). Entwickelt wurde das Analyseverfahren zunächst mit DasyLab, für Hilsmann ein ideales Entwicklungstool: „DasyLab bietet standardmäßig eine Vielzahl signalanalytischer Methoden und Verfahren, so dass man diverse Ansätze durchspielen kann, ohne aufwändig programmieren zu müssen." Ein halbes Jahr lang war ein Prototyp auf PC-Basis mit DasyLab im Kraftwerk Niederaußem im Einsatz. Das finale System wurde anschließend in LabView auf dem NI Single-Board Rio realisiert.

Verschleiß früh erkennen
„Es sind sieben unserer Systeme beauftragt worden, die künftig die Luvo-Traglager in verschiedenen RWE-Kraftwerken überwachen werden", berichtet Hilsmann. Die Signale werden in einem festgelegten Rhythmus für einige Minuten analysiert und die Werte via Ethernet automatisch an die Leitstelle des Kraftwerks weitergegeben. „Die Zustandsdaten werden personenunabhängig, ohne rein subjektives Wissen, ermittelt.
Das bedeutet ein Höchstmaß an Ergebnissicherheit", freut sich Bruno van den Heuvel von RWE. Und wenn ein beginnender Verschleiß festgestellt wird? „Die Grenzwerte sind so eingestellt, dass wir dann noch mehrere Wochen Zeit haben, um die Instandsetzung gezielt zu planen." Bei der Kosten-Nutzen-Analyse schneidet das Überwachungssystem sehr gut ab: „Durch die am tatsächlichen Zustand orientierte Wartung werden wir signifikant Kosten sparen", so van den Heuvel.

 

Kontakt

measX GmbH & Co. KG

Trompeterallee 110
41189 Mönchengladbach
Deutschland

+49 2166 9520 0
+49 2166 9520 20

Spannende Artikel zu Fokus-Themen finden Sie in unseren E-Specials. Lesen Sie jetzt die bisher erschienenen Ausgaben.

Zu den E-Specials

Media Kit

Die Mediadaten 2024 sind jetzt verfügbar! Laden Sie sie hier herunter.

Industrie-Lexikon

Begriffe aus der Bildverarbeitung und Automation, die man kennen sollte

Zum Lexikon

inspect award 2024


Die Abstimmung für den inspect award 2024 läuft.

Stimmen Sie jetzt ab!

Spannende Artikel zu Fokus-Themen finden Sie in unseren E-Specials. Lesen Sie jetzt die bisher erschienenen Ausgaben.

Zu den E-Specials

Media Kit

Die Mediadaten 2024 sind jetzt verfügbar! Laden Sie sie hier herunter.

Industrie-Lexikon

Begriffe aus der Bildverarbeitung und Automation, die man kennen sollte

Zum Lexikon

inspect award 2024


Die Abstimmung für den inspect award 2024 läuft.

Stimmen Sie jetzt ab!