Nützliche Werkzeuge

Algorithmen zur Oberwellenunterdrückung für die Präzisionsbewegungssteuerung

09.08.2011 -

Algorithmen zur Oberwellenunterdrückung sind sehr nützlich beim Ausschalten von Nachführungsfehlern in Präzisionsbewegungssystemen. Sie finden Anwendung, wenn entweder der Servobefehl oder die Störung weitgehend periodisch ist.

Beispiele dafür findet man sehr häufig bei Werkzeugmaschinen, Datenspeichersystemen und beim Testen von Sensoren. Jede Oszillations- oder Rotationsbewegung erzeugt einen periodischen Fehler sowohl in der aktiven als auch in der Hilfsbewegungsachse. Das Prinzip des internen Modells der Steuerungstheorie besagt, dass Algorithmen, die auf eine vollkommene Unterdrückung von Eingangssignalen ausgelegt sind, ein Modell dieser Eingangssignale enthalten müssen. Darum enthält ein Algorithmus zur Oberwellenunterdrückung einen Generator zum Erzeugen periodischer Signale. Werden diese Algorithmen mit einem gut abgestimmten herkömmlichen Controller kombiniert, so werden sie zu nützlichen Werkzeugen für einen Servosystementwickler.

Das PRINZIP DES INTERNEN MODELLS

Das Prinzip des internen Modells der Steuerungstheorie ist ein verblüffend einfaches, aber leistungsstarkes Konzept. Es wurde erstmals Mitte der 1970-er Jahre genau formuliert und verlangt, vereinfacht ausgedrückt, dass ein Algorithmus einen Generator (oder ein Modell) eines Eingangssignals enthalten muss, wenn dieses Eingangssignal mit einer bleibenden Regelabweichung von identisch null nachgeführt werden soll. Abbildung 1 veranschaulicht dieses Konzept anhand eines Blockschaltbildes. Damit zwischen dem vorgegebenen Bezugs- und dem gemessenen Signal ein Fehler von null besteht, muss der Steuerungsalgorithmus in der Lage sein, dieses Signal bei fehlenden weiteren Eingangssignalen selbst erzeugen zu können.

Ein in der Praxis angewendetes bekanntes Beispiel des Prinzips des internen Modells ist die Verwendung eines Integrator (I)-Terms in einem bekannten PID-Controller. Stellen wir uns einen von einem Linearmotor angetriebenen Positionierungstisch vor, der als eine freie Masse mit einer auf sie einwirkenden Steuerungskraft modelliert ist. Eine proportionale und eine derivative Steuerung allein reichen zur Stabilisierung des Systems aus, aber eine konstante Störkraft (aufgrund des Prozesses, der Schwerkraft, der Kabel usw.) erfordert einen Fehler zwischen der Bezugsposition und der gemessenen Position, damit der federartige proportionale Steuerungsterm ein Ausgangssignal erzeugt. Eine konstante Störung wird als ein stufenartiges Eingangssignal mit einer Laplace-Transformation von 1/s modelliert. Das Addieren dieses Terms - eines Integrators - zu dem Steuerungsalgorithmus erlaubt das Anwachsen des Ausgangssignals zu einem konstanten Wert, der benötigt wird, um die Störung auszulöschen und eine bleibende Regelabweichung von null zu erreichen.

Das Prinzip des internen Modells ist sehr allgemein, aber man findet häufig konkrete Realisierungen in Präzisionsbewegungs-Steuerungsanwendungen. Jedes Eingangssignal (ob eine Befehlstrajektorie oder eine Störung), das sich mit einer bekannten Periode wiederholt, kann mit einem Controller verarbeitet werden, der einen Generator zum Erzeugen periodischer Signale enthält. Dies sind die repetitiven Controller, die im nächsten Abschnitt besprochen werden. Wenn diese Eingangssignale frequenzbegrenzt sind, so können sie als eine Summation von Sinusoiden dargestellt werden. In diesem Fall bearbeiten wir sie mit Algorithmen zur Oberwellenunterdrückung, die sich des Prinzips des internen Modells mit einer Reihe von Oszillatoren im Steuerungsalgorithmus bedienen.

Abbildung 1

REPETITIVE CONTROLLER

Ein Generator zum Erzeugen periodischer Signale in dem Rückkopplungssteuerungs-Algorithmus erfüllt das Prinzip des internen Modells und erlaubt eine perfekte Nachführung von periodischen Befehlen und eine perfekte Unterdrückung periodischer Störungen. Die Klasse von Steuerungsalgorithmen, die sich gemeinsam mit diesem Problem befasst, nennt man repetitive Steuerung. Diese Algorithmen tauchten in der Literatur erstmals Anfang der 1980er Jahre in einem Aufsatz von Inoue auf, der das Prinzip des internen Modells als Grundlage für einen „Controller für den repetitiven Betrieb" verwendete. Die Autoren benutzten einen Controller mit einem Verzögerungselement in der Rückkopplungsschleife, um einen Generator zum Erzeugen periodischer Signale zu bilden. Im zeitkontinuierlichen Bereich entspricht jedoch das Zeitverzögerungselement einem Controller mit einer unendlichen Zahl von marginal stabilen Polen. Dies ist in Abbildung 2 veranschaulicht. Ein Signal mit willkürlich scharfen Übergängen im Zeitbereich erfordert einen Signalgenerator von großer Bandbreite, der in der Lage ist, diesen Hochfrequenzinhalt zu erzeugen. Das Stabilisieren dieser Systeme gestaltet sich schwierig, da die Pole des Hochfrequenzcontrollers dazu neigen, mit unmodellierten oder variablen dynamischen Kräften in der mechanischen Struktur eines Servomechanismus zu interagieren, was zu Instabilität führen kann. Eine ähnliche Analyse für repetitive Steuerungsalgorithmen im zeitdiskreten Bereich zeigt das gleiche Problem.

Abbildung 2

Die Beziehung zwischen der sich wiederholenden Sequenz im Zeitbereich und den Polpositionen im Frequenzbereich lässt sich begreifen, indem man sich Fourierreihenanalysen ins Gedächtnis ruft. Jedes periodische Signal kann gleichermaßen gut als eine Summation einfacher oszillierender Funktionen dargestellt werden, und zwar als Sinusoide. Somit können die repetitiven Controller, wenn sie auf lineare Systeme angewendet werden, als eine Reihe von Einfrequenzoszillatoren betrachtet werden, die dem Steuerungsalgorithmus hinzugefügt werden, um ein Eingangssignal auszulöschen, das selbst eine Summation von Einfrequenzsinusoiden ist. Diese Interpretation ist überaus nützlich, da sie es uns erlaubt, ein bekanntes Instrument, das Bode-Diagramm, zum Bestimmen von Stabilitätsmargen und des Einschwingverhaltens dieser Systeme zu benutzen.

Oberwellenunterdrückung

Wir sprechen hier von dem besonderen Fall der repetitiven Steuerung, die nur auf eine begrenzte Zahl diskreter Frequenzen als Oberwellenunterdrückung angewendet wird. Diese Fälle finden sich sehr häufig in Präzisionsbewegungssteuerungsanwendungen; dazu gehören:

  • Kraft- und Drehmomentwelligkeit
  • Unausgewuchtete Nutzlasten an Drehachsen
  • Zyklische Befehlsprofile
  • Gewindesteigung und Teilkreisteilung bei Zahnrädern
  • Kabelträger-Stecksysteme

Es ist zu beachten, dass einige Störungen zeitlich periodisch sein können, während andere verschiebungsperiodisch sind, so dass die konkrete Frequenz variieren kann. In der folgenden Analyse nehmen wir einen Betrieb mit konstanter Drehzahl bei einer bekannten Frequenz an.

Abbildung 3

Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, Algorithmen zur Oberwellenunterdrückung in einer „Plug-in"-Form zu implementieren, wodurch es möglich ist, sie ohne Weiteres nach Bedarf zu aktivieren und zu deaktivieren. Das Blockschaltbild in Abbildung 3 zeigt den Algorithmus zur Oberwellenunterdrückung als C(s), den Standard-PID-Controller als Gc (s) und die Maschine (nominell eine freie Masse) als Gp (s). Gemäß dem Prinzip des internen Modells enthält der Algorithmus zur Oberwellenunterdrückung parallele Oszillatoren - einen für jede in dem Störsignal enthaltene Frequenz.

Abbildung 4 zeigt ein Frequenzgangdiagramm des Algorithmus zur Oberwellenunterdrückung, während der Verstärkungsterm sich von null (Deaktivierung des Oszillators) durch höhere Werte bewegt. Hier ist vor allem darauf hinzuweisen, dass die Größenordnung bei der Oszillatorfrequenz unendlich ist. Wenn wir an unser oben angesprochenes Beispiel des bekannten Integrators denken, der konstanten Störungen eine bleibende Regelabweichung von null verleiht, so können wir den Oberwellen-Unterdrückungsblock einfach als einen Integrator bei einer Frequenz ungleich null interpretieren.

Der Nachführungsfehler infolge von Störungen ist bei der Oszillatorfrequenz identisch null. Wir können dies sehen, wenn wir zum Blockschaltbild von Abbildung 4 zurückkehren und berechnen, dass sich der Nachführungsfehler infolge einer Störung reduziert. Wenn wir diesen Ausdruck bei der Oszillatorfrequenz evaluieren, so erhalten wir eine bleibende Regelabweichung von identisch null für Störungen bei der betrachteten Frequenz. Eine ähnliche Analyse zeigt ein Ansprechverhalten von Eins mit einer Phasenverschiebung von null zwischen dem vorgegebenen und dem tatsächlichen Positionsprofil, wenn das Ziel darin besteht, ein periodisches Profil nachzuführen.

Abbildung 4

In diesem Abschnitt haben wir demonstriert, dass ein Oszillator in dem Steuerungsalgorithmus als ein „Integrator"-Term für Signale bei der speziellen Oszillatorfrequenz fungiert. Das parallele Anwenden mehrerer Oszillatoren erlaubt die Unterdrückung komplexerer Wellenformen und nähert sich dem allgemeinen Fall der vollständig-repetitiven Controllers. Diese Controller sind in einer „Plug-in"-Form implementiert, wodurch die Verstärkungen der Standard-PID-Steuerung unverändert bleiben können. Wir verwenden bekannte Frequenzbereichs-Abstimminstrumente zum Bestimmen von Stabilitätsmargen (Übergangsfrequenz, Phasenmarge und Verstärkungsmarge), wenn wir Algorithmen zur Oberwellenunterdrückung anwenden. Im Allgemeinen aber lassen sich diese Systeme infolge des sehr begrenzten Frequenzbereichs, über den hinweg der Algorithmus zur Oberwellenunterdrückung am aktivsten ist, unkompliziert abstimmen, solange die Korrekturfrequenz ein gutes Stück unter der System-Übergangsfrequenz liegt. Abbildung 5 zeigt den Frequenzgang einer offenen Experimentalschleife eines beispielhaften Systems mit aktivem Algorithmus zur Oberwellenunterdrückung. Die dominierenden Spitzen in der Schleifenverstärkung unterhalb der System-Übergangsfrequenz sind deutlich sichtbar, und wir können ebenfalls sehen, dass ihre Auswirkung hinreichend örtlich konzentriert ist, damit Verstärkung und Phase bei der Übergangsfrequenz relativ unbeeinflusst bleiben.

Abbildung 5

Anwendungsbeispiele

Die Gesamtkonzepte des Prinzips des internen Modells, der repetitiven Steuerung und der Oberwellenunterdrückung sind, wenn sie erst einmal verstanden wurden, weithin anwendbar. Ein Beispiel ist die Steuerung des Lese-Schreib-Arms in Festplattenlaufwerken. Die Platten drehen sich nicht auf einer perfekt geraden Achse, sondern eine repetitive Steuerung, die auf den synchronen Abschnitt der Fehlerbewegung angewendet wird, verbessert die Fähigkeit des Kopfes zur Bewegungsnachführung.

Schnelle Werkzeugservomechanismen, die in asymmetrischen Drehoperationen verwendet werden, profitieren ebenfalls von der Anwendung repetitiver Steuerungen. Beim Drehen der Oberfläche einer torischen Gestalt (wie zum Beispiel der Form für eine Kontaktlinse, die Astigmatismus korrigiert) kehrt das Schneidwerkzeug mit jeder Umdrehung der Spindel im Wesentlichen zum selben Punkt zurück. Dieser periodische Werkzeugpfad lässt sich in seine Fourierreihenkoeffizienten zerlegen, wobei Oberwellenunterdrückungsoszillatoren auf jeden von diesen angewendet werden.

Aerotech, Inc. konstruiert und baut Präzisionsbewegungssteuerungssysteme, einschließlich der Mechanik, der Antriebe und der Steuerungsalgorithmen. Wir haben mit repetitiven Controllern hinreichend gute Erfahrungen gemacht, um sie standardmäßig in unsere Produkte aufzunehmen. Die Herausforderung für uns lag nicht in den Algorithmen selbst (es gibt eine in 30 Jahren gewachsene Bibliothek von Publikationen, auf der man aufbauen kann), sondern darin, die nützlichsten Merkmale in eine benutzerfreundliche Schnittstelle zu integrieren, die auch von Personen ohne umfangreiche Schulung bedient werden kann. Eine unkomplizierte Anwendung ist ein System mit einem horizontal montierten Drehtisch. Der Kunde wünschte eine Verbesserung seiner Geschwindigkeitsstabilität und wir fanden heraus, dass Unwucht (einmal pro Umdrehung) und Motorpolteilung (neunmal pro Umdrehung) die dominierenden Terme waren. Dies geht aus Abbildung 6 hervor, wo der Positionsfehler dargestellt ist, der gemessen wird, während sich der Tisch mit 60 U/min dreht. Wir wandten bei diesen Frequenzen Algorithmen zur Oberwellenunterdrückung an und reduzierten den Effektivwert des Nachführungsfehlers von 33 Bogensekunden auf 1,7 Bogensekunden, was eine 12-fache Reduzierung bedeutet.

Abbildung 6

Schlussfolgerungen

In dieser Abhandlung stellten wir das globale Konzept des Prinzips des internen Modells von Regelkreissystemen vor und zeigten, wie dies zur Entwicklung repetitiver Controller und - in einem einfacheren Fall - von Algorithmen zur Oberwellenunterdrückung führte. Periodische Störungen sind in Präzisionsbewegungs­steuerungsanwendungen üblich, und das Verständnis, wann und wo diese Algorithmen angewendet werden können, gibt dem Steuerungssystemingenieur ein zusätzliches Instrument an die Hand, das nicht nur effektiv ist, sondern auch mit Hilfe gut verstandener Frequenzbereichstechniken analysiert werden kann.

Danksagung

Eine Version dieses Aufsatzes erschien erstmals im Tagungsprotokoll des im April 2010 abgehaltenen 3. Meetings zur Steuerung von Präzisionssystemen, als dessen Sponsor die American Society for Precision Engineering auftrat.

 

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Aerotech GmbH

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