„Mit RDMA anspruchsvolle Applikationen einfach, zuverlässig und kostengünstig lösen“
18.02.2025 - Im Gespräch: Mirko Benz, Leiter Produktmanagement und Marketing bei Baumer Optronic
Was steckt hinter RDMA und viel wichtiger: Wie ermöglicht der Remote Direct Memory Access High-Performance-Bildverarbeitung? Und wann darf der Markt mit einer Standardisierung von GigE Vision 3.0 mit RDMA-Unterstützung rechnen? Antworten auf diese und viele weitere Fragen gibt uns Mirko Benz von Baumer.
"Break the speed limit with GigE Vision over RDMA". Von welchen Geschwindigkeiten sprechen wir hier? Und für welche Anwendungen in der Bildverarbeitung bedeutet RDMA einen Mehrwert?
Mirko Benz: RDMA ermöglicht High-Performance-Bildverarbeitung ohne Framegrabber-Schnittstellen wie CoaxPress oder CameraLink HS. Deren primäre Vorteile wie hohe Datenrate, zuverlässige Übertragung und niedrige CPU-Last können nunmehr auch mit günstigen Standardnetzwerkkarten erreicht werden. Davon profitieren sowohl Einzelkameraanwendungen ab einer Performance von 10 GigE als auch Multikamerasysteme mit mehreren 100 Gbit/s. Typische Einsatzgebiete finden sich im Bereich der Elektronik/Halbleiter, 3D-Messtechnik, Life Science und Medizingeräte sowie im Sport und Entertainment.
Für Baumer ist GigE Vision bereits seit seiner Einführung im Jahr 2006 die bevorzugte Kameraschnittstelle. Mit der Integration von RDMA in GigE Vision 3.0 können nun auch anspruchsvolle Applikationen einfach, zuverlässig und kostengünstig gelöst werden. Baumer gehört wiederum zu den Pionieren, die diese Technologie für Bilderfassungssysteme in den Markt einführen.
Wie funktioniert RDMA – Remote Direct Memory Access?
Mirko Benz: Bei GigE Vision over RDMA wird die gesamte Protokollverarbeitung für die Bildübertragung auf eine intelligente Netzwerkkarte in die Hardware ausgelagert. Die Kamera kann über das Netzwerk per zero copy direkt in den Bildpuffer der Applikation schreiben. Das Betriebssystem wird dabei umgangen. Damit erfolgt die Kommunikation und Datenübertragung wesentlich effizienter.
Wo sehen Sie die Vorteile, wo die Nachteile?
Mirko Benz: RDMA ermöglicht leistungsfähige Bilderfassungssysteme mit sehr hoher Übertragungsgeschwindigkeit bei geringem Ressourcenbedarf. So kann bei dem Einsatz von 100 GigE nahezu die vollständige Bandbreite bei lediglich drei Prozent CPU-Last genutzt werden. Übertragungsfehler werden innerhalb weniger Mikrosekunden erkannt. Für eine Korrektur per Wiederholung ist dann auch ein kleiner Speicher im FPGA der Kamera ausreichend. Dies ermöglicht ein energieeffizientes Kameradesign und eine zuverlässige Bildübertragung. Zudem werden Standardnetzwerkkarten namhafter Hersteller eingesetzt, die über ein sehr attraktives Preis-Leistungsverhältnis verfügen. GigE Vision 3.0 mit RDMA-Unterstützung wird voraussichtlich dieses Jahr standardisiert. Pre-Release-Kameras können jedoch bereits jetzt genutzt werden. Ein Firmware-Update auf die finale Version des Standards ist zu erwarten. Andere Funktionen von Framegrabbern wie Bildvorverarbeitung oder präzise Triggersteuerung sind bereits im FPGA von Baumer-Kameras umgesetzt.
Gibt es spezifische Anwendungsfälle, bei denen RDMA besonders vorteilhaft oder nachteilig ist?
Mirko Benz: RDMA deckt grundsätzlich eine große Bandbreite von 10 GigE-Single-Kamera- Anwendungen bis hin zum Aufbau sehr großer und leistungsfähiger Multikamerasysteme durch den Einsatz von Switchen ab. Letztere werden von Framegrabbern nicht unterstützt. Zudem bieten RDMA-Netzwerkkarten bereits heute 400 Gbps – 10 x so viel wie gängige Framegrabber. Damit werden weniger PCI-Adapter im PC benötigt. Das spart Platz, Kosten und Energie. RDMA wird zudem direkt von Third-Party-Software-Anbietern unterstützt. Dadurch vereinfacht sich die
Systemintegration erheblich.
Ein nachteiliges Argument könnte sein, dass Framegrabber die Verteilung von Bilddaten auf mehrere Systeme unterstützen. Bei RDMA werden Bilddaten direkt in den Speicher des PC geschrieben. Dennoch kann auch hier vom PC aus eine Lastverteilung auf weitere Rechner stattfinden, sodass sich dieser Nachteil umgehen lässt.
Welche spezifischen Herausforderungen respektive Voraussetzungen gibt es bei der Implementierung von RDMA in Bildverarbeitungssysteme?
Mirko Benz: Für die Nutzung von RDMA werden passende Netzwerkkarten mit RoCE-Unterstützung (RDMA over converged Ethernet) benötigt – zum Beispiel von etablierten Anbietern wie Nvidia oder Broadcom. Zudem müssen Firmwareupdates für Netzwerkkarte und Kamera sowie RDMA-Treiber für das Betriebssystem installiert werden. Für den Einsatz in Bildverarbeitungs-PCs ist außerdem auf eine ausreichende Kühlung der Netzwerkkarten zu achten, um die Systemstabilität zu gewährleisten.
Wie können diese Herausforderungen überwunden werden und welche Best Practices gibt es?
Mirko Benz: Die RDMA-Firmware der Kamera wurde umfangreich in verschiedenen Umgebungen validiert. Baumer unterstützt Kunden durch Kompatibilitätstests mit Zubehör wie Netzwerkkarten, Kabeln und Switchen. Auf Basis von Kompatibilitätslisten und Anleitungen wird der Einstieg erleichtert. Die Baumer-SDK-Software erkennt RDMA-fähige Kameras automatisch. Hier ist keine spezielle Anpassung der Applikation erforderlich. Durch aktive Mitarbeit in der Standardisierung und Kooperationen mit Third-Party-Software-Anbietern sichern wir eine hohe Qualität, Interoperabilität und einfache Integration.
Welche RDMA-Protokolle wie beispielsweise InfiniBand oder RoCE ‚eignen sich am besten für Bildverarbeitungsanwendungen und warum?
Mirko Benz: Da Kameras bereits über einen FPGA verfügen und Ethernet die bevorzugte Schnittstelle im Visionbereich darstellt, fiel die Wahl auf RoCE (RDMA over Converged Ethernet). Andere Ansätze wie InfiniBand oder iWARP wären mit viel höherem Aufwand verbunden und weniger flexibel.
Welche Produkte von Baumer unterstützen die RDMA-Technologie?
Mirko Benz: Kunden können mit der bestehenden LXT-10-GigE-Kameraserie per kostenlosem Firmware-Update einfach von RDMA profitieren. Dieses ist bereits für alle Sony-Gen-4-Modelle bis 24 MP von Baumer verfügbar. Ein Ausbau auf weitere Sensorfamilien wie Gpixel bis 65 MP ist möglich. Neu entwickelte High-Performance-Kameras werden nur noch RDMA unterstützen. Eine sehr leistungsfähige Multi-Head-Kamera-Plattform für OEM-Applikationen für bis zu sechs Sensorköpfe und Einzelkameras bis 100 GigE sind für dieses Jahr geplant. (agry)
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