Mit Deep-Learning zu einer automatisierten, Cloud-basierten Qualitätskontrolle
19.03.2025 - Den Einsatz von künstlicher Intelligenz vereinfachen
KI und Machine Learning können die Effizienz in produzierenden Unternehmen steigern, werden aber selten genutzt. Darum hat das Fraunhofer IPT den „AI-Kickstarter“ entwickelt, um Unternehmen beim Einsatz von KI zu unterstützen. Ein Beispiel ist die Qualitätskontrolle von Schweißnähten auf Batteriezellmodulen mit einem Deep-Learning-Modell, das in eine Cloud-Plattform integriert ist. Diese ermöglicht die zentrale Verwaltung und Überwachung der Modelle, was die Effizienz und Zuverlässigkeit der Qualitätskontrolle erhöhen kann.
KI-Anwendungen und Machine Learning versprechen produzierenden Unternehmen mehr Produktivität und gesteigerte Effizienz. Im Alltag vieler produzierender Unternehmen, besonders in kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs), wird Künstliche Intelligenz (KI) jedoch selten eingesetzt. Gründe dafür können vielschichtig sein: von fehlendem Wissen über die Technologie, fehlendem Vertrauen in die Technologie, oder mangelnde Expertise bei der Umsetzung. Dabei können KI-Anwendungen bereits mit wenigen Daten Effizienzpotenziale heben. Die Herausforderung liegt dabei häufig nicht in der Entwicklung des KI-Modells, sondern in ihrer sinnvollen Einbettung und der optimalen Abstimmung auf den Anwendungsfall. Aus diesem Grund wurde am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT in Aachen der „AI-Kickstarter“ entwickelt, der Unternehmen mit einem methodischen Vorgehen beim Einsatz von KI unterstützt. Das methodische Vorgehen wurde angewendet, um innerhalb des International Center for Networked, Adaptive Production (ICNAP) einen Demonstrator für eine automatisierte, Cloud-basierte Qualitätskontrolle von Schweißnähten auf Batteriezellmodulen zu entwickeln.
Defekterkennung bei Schweißnähten auf einem Batteriezellmodul
Das Batteriezellmodul besteht aus einer Halterung für sieben Batteriezellen, welche über die Schweißnähte kontaktiert werden. Für den Anwendungsfall wurden drei Fehlerbilder simuliert: eine zu hohe Energieeinbringung, die zu einer verbrannten Schweißnaht führt, eine unvollständige Schweißnaht sowie eine vollständig fehlende Schweißnaht. Um eine hohe Qualität zu gewährleisten, müssen all diese Fehlerbilder in der Praxis vermieden werden. Daher ist eine optische Qualitätssicherung vor der Auslieferung unerlässlich. Dieses Anwendungsbeispiel zeigt anschaulich, wie ein KI-Modell, genauer: ein Deep-Learning-Modell, für diese Aufgabe unterstützend eingesetzt werden kann und welche Schnittstellen und Herausforderungen bei der Umsetzung beachtet werden müssen.
Einsatz von Deep Learning Modellen zur Defekterkennung
Im Gegensatz zu traditionellen Machine Vision Systemen müssen Defekte bei Deep-Learning-Modellen nicht manuell programmiert werden, denn das Modell lernt die Fehler automatisch auf Basis von Trainingsbildern. Für den konkreten Anwendungsfall wurden 25 Bilder von Batteriezellmodulen mit defekten Schweißnähten aufgenommen. Ein Experte annotierte die Schweißnähte anschließend mithilfe quadratischer Boxen, die jede Schweißnaht entweder als nicht-defekt oder als eine der drei Defektklassen markiert. Für das Deep-Learning-Modell wurde auf ein bereits existierendes und weit verbreitetes Modell zurückgegriffen. Der Vorteil liegt darin, dass Forschende diese Modelle bereits umfangreich getestet und optimiert haben und die zugrundeliegenden Gewichte des Modells bereits auf großen Datenmengen vortrainiert wurden.
Letztlich musste das Modell für die Anwendung nur geringfügig angepasst werden und es reichten bereits 25 annotierte Bilder für das Training, wobei Augmentationstechniken dabei halfen, die Datenmenge künstlich zu erhöhen. Dabei werden Bilder manipuliert, zum Beispiel durch eine Rotation des Bildes, und anschließend als weiteres Bild dem Trainingsdatensatz hinzugefügt. Somit lässt sich die Anzahl der annotierten Trainingsbilder deutlich reduzieren und die Effizienz beim Training erhöhen. Die für das Training benötigte GPU-Ressourcen lassen sich im Internet effizient mieten, wodurch sich der Aufwand und die Kosten in Grenzen halten.
Das Modell ist nun in der Lage, Schweißnähe von neuen Batteriezellmodulen auszuwerten. Das Modell erkannte die zwei fehlenden Schweißnähte korrekt und markierte diese mit gelben quadratischen Boxen. So lassen sich durch den Einsatz vorhandener Modelle (inklusive vortrainierter Gewichte), Augmentationstechniken und online verfügbare GPU-Ressourcen bereits sinnvolle Anwendungen mit wenigen Trainingsdaten umsetzen. Allerdings lässt sich keine pauschale Aussage über die Anzahl notwendiger Bilder treffen. Die genaue Anzahl hängt immer vom Anwendungsfall ab.
Integration von KI-Modellen in die Produktion
Nachdem das Deep-Learning-Modell entwickelt und getestet wurde, muss dieses in die Produktionsabläufe integriert werden. Das kann je nach Anwendungsfall auf unterschiedliche Weise geschehen. Bei Anwendungen, die eine Latenz von wenigen Millisekunden benötigen, bietet es sich an, das Modell maschinennah und dezentral auf einem für solche Modelle optimierten Edge-Gerät bereitzustellen. Dabei muss sichergestellt werden, dass das Modell über einen längeren Zeitraum zuverlässig funktioniert oder im Falle einer Abweichung eine Benachrichtigung erfolgt. Gerade wenn zukünftig mehrere KI-Modelle an unterschiedlichen Maschinen zum Einsatz kommen, kann das Verwalten und Überwachen von KI-Modellen auf dezentralen Edge-Geräten komplex werden. Aus diesem Grund kann es sich anbieten, KI-Modelle in einer zentralen, privaten Cloudumgebung bereitzustellen.
In einer privaten Cloud können alle KI-Modelle zentral verwaltet und überwacht werden. Wie eine solche Lösung aussehen kann, zeigt das Anwendungsbeispiel: Das Batteriezellmodul wird von einer Kamera lokal aufgenommen, die Auswertung des Bildes durch das KI-Modell erfolgt anschließend in einer privaten Cloud-Umgebung. Für den Demonstrator wurde das Deep-Learning-Modell in der am Fraunhofer IPT entwickelten „Intelligenten Qualitätsplattform“ (IQP) integriert. Dort wird das Modell verwaltet und überwacht. So lassen sich Abweichungen sofort erfassen und einfach beheben. Die Verbindung vom Demonstrator zur IQP kann dabei für stationäre Anwendungen kabelgebunden und für mobile Anwendungen drahtlos zum Beispiel über 5G erfolgen.
Neben der Frage, wo das Deep-Learning-Modell bereitgestellt wird, ist entscheidend, wie die Ergebnisse des Modells verwendet werden. KI-Modelle können von manuellen, zeitunabhängigen Analysen bis zur automatischen Echtzeitprüfung eingesetzt werden. Dabei misst man der Autonomie besondere Bedeutung zu. Im Anwendungsbeispiel kann das Modell bei einer Verwendung in der Cloud innerhalb von wenigen hundert Millisekunden eine Auswertung über die Schweißnähte bereitstellen. Das Modell trifft dabei jedoch keine autonome Entscheidung über die Defekte, sondern unterstützt Anwender bei der Einschätzung. Anwender können anschließend auswählen, ob das Modell richtig liegt oder ob ein Fehler vorliegt. Anschließend wird das Bild zusammen mit der Einschätzung des Experten gespeichert und steht als Datengrundlage für ein zukünftiges Nachtrainieren des Modells zur Verfügung. Somit wird das Modell im Laufe der Zeit verbessert und die Fehlerquote sinkt durch eine wachsende Menge an Trainingsdaten. Zukünftig könnte das Modell auch selbstständig Entscheidungen treffen und somit die Effizienz in der Produktion weiter optimieren.
Autoren
Alexander Mattern, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IPT, Abteilung Produktionsqualität
Henrik Heymann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IPT, Abteilung Produktionsqualität
Dr. Mario Pothen, Kompetenzfeldleiter Digitalisierung und Vernetzung am Fraunhofer IPT
Prof. Dr. Robert H. Schmitt, Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen University, Lehrstuhl für Informations-, Qualitäts- und Sensorsysteme in der Produktion und Mitglied des Direktoriums am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT
Kontakt
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT
Steinbachstraße 17
52074 Aachen
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