Magnetische Multiturnsensoren als Alternative für Mehrgang-Potentiometer oder optische Encoder
Multiturn-Sensoren für FTS in der Textilindustrie
Für viele Anwendungen sind Multiturn-Winkelsensoren herkömmlicher Funktionsprinzipien eher ungeeignet, zum Beispiel weil sie eine dauerhafte Stromversorgung brauchen, mit verschleißanfälligen Getrieben arbeiten oder für den Einsatzbereich zu aufwendig und damit zu teuer sind. Um hier Abhilfe zu schaffen, hat Novotechnik die GMR-Technologie für die Umdrehungserfassung in die Multiturn-Sensoren der Baureihe RSM-2800 integriert. Die berührungslosen Sensoren können ohne externe Stromversorgung und Pufferbatterie bis zu 16 Umdrehungen erfassen und dauerhaft speichern. Die Auflösung des Sensors beträgt mit analoger Schnittstelle 16 Bit. Unter Verwendung digitaler Schnittstellen (SSI, SPI) werden bis zu 18 Bit Gesamtauflösung (Winkel und Umdrehung) erreicht. Geschwindigkeiten bis 800 U/min sind möglich. Dabei sind die Sensoren zudem noch ausgesprochen genau. Über den gesamten Messbereich liegen die typischen Linearitätsabweichungen unter 0,05 Prozent.
Ziel: Aufbau des modernsten textilindustriellen Wertschöpfungsnetzwerks bis 2030
Diese Eigenschaften überzeugten auch Ulrich Jugel, Entwicklungsleiter bei Beldrive Engineering, als er für die Lenkantriebe eines Fahrerlosen Transportsystems hochauflösende und gleichzeitig zuverlässige Multiturn-Sensoren suchte. Das neue FTS ist ausgelegt für den Transport textiler Flächengebilde zwischen mehreren Textilmaschinen. Damit sollen die bisher in der Textilindustrie üblichen manuellen Transportprozesse durch eine automatisierte, aber dennoch flexible Verkettung abgelöst werden. Fachkräftemangel und steigender Druck zur Kostenoptimierung sind dafür die treibenden Faktoren, denn verglichen mit anderen Branchen gibt es in der Textilindustrie noch viel Optimierungsbedarf, vor allem wenn es um die aufwendige Herstellung technischer Textilien oder spezieller synthetischer Materialien geht, beispielsweise für den Brandschutz.
Die FTS gehören zu einem Projekt, das die Textilbranche technisch auf den neusten Stand bringen will. Auftraggeber ist das Sächsische Textilforschungsinstitut (STFI) an der Technischen Universität Chemnitz. Hier ist seit 2020 eine Industrie-4.0-Demofabrik für die Textilbranche in Betrieb: Das futureTex-Forschungs- und Versuchsfeld zeigt anhand einer Beispielproduktion, wie Industrie-4.0-Lösungen in den Bereichen Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung in der Praxis funktionieren. Die Demofabrik ist innerhalb des Projektkonsoritums futureTex entstanden, die das Ziel verfolgt, die führende Position bei der Umsetzung der vierten industriellen Revolution im Textilmaschinenbau und in der Textilindustrie zu erringen und damit bis 2030 das modernste textilindustrielle Wertschöpfungsnetzwerk Europas aufzubauen. Neben Plattformen wie der Industrie-4.0-Demofabrik und dem Textile Prototyping Lab sind weitere Lösungen in den Bereichen Produktionsdigitalisierung, digitale Technologien und disruptive Produktinnovationen entstanden, beispielsweise für Carbonrecycling, textilen Leichtbau und digitale Textilveredlung. Alle futureTex-Projekte haben gemein, die Position Deutschlands als Weltmarktführer im Textilmaschinenbau zu stärken sowie den Weg zu einer globalen Spitzenposition bei technischen Textilien bis 2025 weiter zu ebnen.
Fahrerloses Transportsystem mit Wicklersystem
In der flexiblen Produktion des futureTex-Forschungs- und Versuchsfeldes spielt das FTS eine zentrale Rolle. Ausgestattet mit einem Wicklersystem fährt es für die einzelnen Fertigungsschritte zwei Produktionsmaschinen an, an denen eine Hotmelt-Beschichtung aufgebracht oder lasergestützt eine Textilvorbehandlung durchgeführt wird. Die Hotmelt-Beschichtungsanlage und den flexiblen Wickler hat das Unternehmen Suchy Textilmaschinenbau entwickelt, ein Sondermaschinenspezialist für die Be- und Verarbeitung vorwiegend technischer Textilien. Der Wickler auf dem Fahrzeug nimmt nach den einzelnen Bearbeitungsschritten das Material direkt an der Maschine auf und gibt es bei Bedarf an der nächsten wieder ab. Seine Betriebsspannung und die Steuersignale erhält er über ortsfeste hochpolige Steckersysteme an der jeweiligen Maschine.
Für eine sichere Kontaktierung in den Andockstationen ist ein exaktes Einfahren in die Haltepositionen notwendig. Ausrichtung und Position des Fahrzeugs müssen genau erfasst und reproduzierbar eingehalten werden. Gleichzeitig muss sich das Fahrzeug beliebig zwischen den Maschinen manövrieren lassen. Hier geht es oft sehr eng und verwinkelt zu, zudem gilt es, die Maschinen aus unterschiedlicher Richtung anzufahren, je nachdem ob Zwischenprodukte auf- oder abgewickelt werden. Neben engen Kurvenfahrten kann das FTS deshalb auf der Stelle gedreht und seitlich verfahren werden und ist damit noch wendiger als konventionelle Stapler. Auch Wartezeiten während der teilweise langwierigen Produktionsschritte sind für das fahrerlose Fahrzeug unerheblich. Ein Fahrer müsste fürs Warten bezahlt oder anderweitig sinnvoll beschäftigt werden.
Präzision beim Einfahren in die Halteposition
„Um den Anforderungen der flexiblen Produktionsumgebung gerecht zu werden, hat das fahrerlose Transportsystem zwei Fahr-Lenk-Einheiten, die über eine exakte Einstellung der Winkelstellung der Fahrantriebe die große Bewegungsvielfalt ermöglichen“, erläutert Ulrich Jugel. „Zur präzisen Winkelbestimmung beim Anfahren der Andockstationen nutzen wir die kontaktlosen Multiturngeber RSM-2800. Ihre hohe Auflösung und Linearität zusammen mit der Regelgenauigkeit unserer Außenläufer-Direktantriebe bilden die Grundlage für ein sehr exaktes Manövrieren.“
An jeder Lenkeinheit erfasst ein Sensor die Winkelstellung des Fahrantriebes mit so hoher Genauigkeit, dass die Fahrzeuge auf Bruchteile eines Millimeters genau positioniert werden können. Dazu werden bis zu 10 Umdrehungen des Lenkantriebs erfasst. Das ist notwendig, da die Motoren eine Zahnriemenübersetzung besitzen, um die hohen Lenkkräfte aufzubringen, die bei den unterschiedlichen Gewichten des gewickelten Produkts gebraucht werden. Die RSM-Sensoren sind dabei ein echtes True-Power-On-System; der Geberwert bleibt bei Spannungsabschaltung erhalten und Umdrehungen werden auch stromlos erfasst. Nach jedem Abschalten ist das Fahrzeug also ohne Referenzierung sofort wieder betriebsbereit. „Der Sensor ist zudem sehr leichtgängig und mit den von uns gewünschten Funktionen das kleinste und gleichzeitig auch preiswerteste Produkt, das wir am Markt gefunden haben“, ergänzt Ulrich Jugel. „Mit einem Durchmesser von lediglich 28 mm ließ er sich gut integrieren.“
Der RSM-2800 erfüllt serienmäßig die Anforderungen bis Schutzart IP67. Stöße und Vibrationen beeinträchtigen die Funktion nicht. Das Gehäuse besteht aus temperaturbeständigem Kunststoff. Befestigungslaschen mit Langlöchern ermöglichen einen einfachen Anbau und eine mechanische Justierung. Die Montage ist über eine spielfreie Steckkupplung möglich. Mit vorkonfektioniertem zum Beispiel M12-Anschlussstecker an kurzem Kabel ist der elektrische Anschluss mit einem Handgriff erledigt. Das geschirmte Anschlusskabel ist für hohe Robustheit direkt ins Gehäuse eingegossen.
Die Multiturn-Lösung kann vielerorts aufwendige Getriebelösungen überflüssig machen und somit helfen, Gesamtkosten einzusparen. Anwendungsbereiche finden sich deshalb zum Beispiel auch in Druckmaschinen, Antriebs- und Lenksystemen, als Seillängengeber, bei Tür- und Torantrieben, in mobilen Arbeitsmaschinen, Papiermaschinen, Hebebühnen oder ganz allgemein als Ersatz von Mehrgangpotentiometern oder Encodern.
Autoren
Stefan Sester, Leiter technischer Vertrieb, Novotechnik
Ellen-Christine Reiff, Redaktionsbüro Stutensee
Kontakt
Novotechnik Messwertaufnehmer OHG
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