Kombinierte Messtechnik spart Zeit in der Fertigung
Laserscanner, Koordinatenmessgerät und Mess-Software bei Automobilzulieferer
In jedem zehnten Auto stecken Teile von uns“, sagt Patrick Riedmann, Werkleiter der Schmitter Group. Das in Thüngen nahe Würzburg fertigende Unternehmen ist auf die Herstellung von Kraftstoffverteilersystemen spezialisiert. Wie der Name vermuten lässt, verteilen diese Benzin oder Diesel. Und zwar von der Einspritzpumpe zu den Einspritzdüsen an den Zylindern. Weil es dort eng zugeht und viele Hindernisse im Weg sind, sind diese Leitungen von komplexer Geometrie und damit nicht einfach zu fertigen.
Mit Laserscanner drei Monate an Projektzeit einsparen
Bis die Leitungen zu den Automobilherstellern geliefert werden können, durchlaufen sie bei Schmitter zahlreiche Fertigungsschritte. Unter anderem werden die Rohre automatisiert gestaucht, gebogen und gelötet. Am Ende muss die Abweichung von einem zum anderen Ende der Leitung unter 0,5 Millimeter betragen. Weil sich die Fehler mehrerer Biegungen summieren, darf jede Einzelbiegung deshalb nur um ein Zehntel Millimeter abweichen.
Eine Herausforderung, der sich Steffen Sauer stellt. Der gelernte Industriemechaniker ist seit 2018 Koordinator für Messtechnik und Prüfmittel bei Schmitter. Eine seiner ersten Aufgaben damals: die Einführung des handgeführten Laserscanners Zeiss T-Scan.
Obwohl das Unternehmen unter anderem nach IATF 16949 zertifiziert ist, dem Qualitätsmanagementsystem der Automobilindustrie, bemerkt es in den letzten Jahren ein weiteres Ansteigen der Qualitätsansprüche und des Zeitdrucks. Vor allem die Prozessfreigabe von Neuprojekten muss mittlerweile zügiger stattfinden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Vor allem in der Prozessfreigabe von Neuprojekten haben wir eine Zeitersparnis von ungefähr 60 Prozent erreichen können“, resümiert Patrick Riedmann, Werkleiter der Schmitter Group, die Implementierung des Laserscanners T-Scan in die bestehenden Qualitätssicherungslösungen um das Koordinatenmessgerät Zeiss Accura und die Software-Lösungen Zeiss Calypso und Piweb.
Früher führte man die Messungen, in der Validierungsphase, mit einem Messarm oder einer 3D-Koordinatenmessmaschine durch. Allein für das Erstellen des Prüfprogramms brauchte man hierbei jedoch bis zu drei Tage. „Unterm Strich spart uns der Zeiss T-Scan im Prozessanlauf zwei bis drei Monate“, versichert Sauer.
Fehleranalyse bei Werkzeugen von Wochen auf Tage reduziert
Enorm zeitintensiv war früher die Fehlerursachenanalyse im Werkzeugbereich. Wenn etwa nach dem Schweiß- oder Lötprozess ein Fehler erkannt wurde, musste das Werkzeug, vom entsprechenden Arbeitsplatz in der Fertigung, ausgebaut und an den Hersteller geschickt werden. So eine Prüfung dauerte in der Regel sechs bis acht Wochen. In der Zeit konnte das betreffende Teil nicht weiterproduziert werden.
Dank der Messtechnik von Zeiss können diese Messungen nun spontan in der Fertigung durchgeführt und anschließend ausgewertet werden – somit wird eine Zeitersparnis von 70 bis 80 Prozent bei der Fehlerursachenanalyse erreicht.
„Innerhalb von 10 Minuten kann ich den T-Scan in die Fertigung transportieren, dort aufbauen und gute Messungen erzielen. Bei einem Messvolumen von 20 Kubikmetern gibt es bei uns nichts, was wir nicht mit dem mobilen Laserscanner messen könnten“, schwärmt Sauer im Hinblick auf die Werkzeuge der Firma, die bis zu 1,5 Meter lang und entsprechend schwer sein können.
Koordinatenmessgerät für Stichprobenmessungen
Neben der Laserscanning-Komplettlösung, welche bei Schmitter in den Bereichen Prozessfreigabe und Fehlerursachenanalyse zum Einsatz kommt, nutzt das Qualitätsteam um Steffen Sauer das Koordinatengerät Accura zur stetigen Überwachung aller Fertigungsschritte durch Stichprobenmessungen.
Zur einheitlichen Auswertung der von beiden Messlösungen generierten Daten dient die Universal-Messsoftware Calypso.
Für das Qualitätsdatenmanagement vertraut das Unternehmen auf die skalierbare Reporting- und Statistiksoftware Piweb. „Dort werden die Daten leicht verständlich aufbereitet – somit haben wir beim Prozessmonitoring 20 bis 30 Prozent Zeitersparnis“, ergänzt Sauer. Für den Messtechnikkoordinator steht somit eines fest: „Alle Komponenten arbeiten Hand in Hand. Leichter geht es für mich nicht.“
Verkehrswende: Kraftstoffverteilersysteme ohne Benzin oder Diesel?
Eine Frage muss der Werksleiter Riedmann in letzter Zeit häufiger beantworten: Was macht Schmitter, wenn alle nur noch Elektroautos fahren? Der Maschinenbauingenieur und Betriebswirt sieht für Schmitter keinen Grund zur Panik. Zum einen werden seiner Meinung nach Kraftstoffleitungen die nächsten 20 Jahre noch gebraucht, denn sie kommen auch bei Hybridfahrzeugen zum Einsatz.
Und zum anderen steckt der Automobilzulieferer bereits mittendrin in der Mobilitätsrevolution. Der Betrieb baut neuerdings Kühlleitungen für die Elektronik in Elektroautos und investiert dazu in das Biegen von Leitungen aus Aluminium, bisher wurden in Thüngen nur Rohre aus Stahl verarbeitet.
Auch Verteilerleitungen und Rails für Wasserstofffahrzeuge eines deutschen Automobilherstellers stellt Schmitter bereits her. Zudem sieht Riedmann Bedarf und damit Wachstumschancen in anderen Branchen. Gebraucht werden beispielsweise Verteilerleitungen in Blockheizkraftwerken mit Brennstoffzellen und auch Kühl- oder Hydraulikleitungen sind gefragt. „Überall wo Medien durch Rohre fließen, können wir unser Know-how einbringen“, so Riedmann.
Autor
Bernd Müller, freier Technologieautor