Bildverarbeitung

Im Markt – Das Managerinterview

Multisensorik und Röntgen-CT auch in der Linie?

20.05.2015 -

Eines der leistungsfähigsten und verbreitetsten Multisensorsysteme sind wir Menschen selbst. Das kann als starker Hinweis auf das immense Potential gedeutet werden, dass sich auch in der Messtechnik aus der multiplen Kombination verschiedener Sensorarten ergibt.
Mit Dr. Ralf Christoph, Inhaber und Geschäftsführer der Werth Messtechnik GmbH, sprach Inspect über den zwingend erscheinenden Schritt zur Multisensorik und die aktuellen und zukünftigen Möglichkeiten, hochpräzise Messtechnik in die Line zu integrieren.

inspect: Die Hauszeitung der Werth Messtechnik GmbH trägt den Titel „Der Multisensor". Das legt nahe, Sie zunächst danach zu fragen, was unter einem Multisensor im Zusammenhang mit den in Ihrem Unternehmen entwickelten und produzierten Produkten und Systemen zu verstehen ist.

Dr. R. Christoph: Den Titel „Der Multisensor" für unsere Hauszeitung haben wir nicht zufällig gewählt. Zunächst wird hiermit Bezug auf die in unserem Hause entwickelten und produzierten Koordinatenmessgeräte genommen. Ein großer Teil dieser Geräte arbeitet, aufbauend auf etwa 65 Jahren Erfahrung in der optischen Koordinatenmesstechnik, mit Bildverarbeitungssensorik. In sehr vielen Fällen werden weitere optische und taktile Sensoren ergänzt, um den Ansprüchen unserer Kunden zu entsprechen. Hervorzuheben ist hierbei, dass ein großer Teil unserer Geräte speziell für den Einsatz als Multisensor-Koordinatenmessgerät optimiert sind und sich unter anderem hierdurch von Wettbewerbsprodukten unterscheiden. Bei manchen wird ein Taster an ein eigentlich für 2D-Aufgaben entwickeltes Gerät adaptiert oder ein relativ leistungsschwacher Bildverarbeitungssensor mit einem taktilen Gerät verkauft, um das Ganze mit dem werbewirksamen Titel „Multisensorik" versehen zu können. In der letzten Zeit hat Werth die Entwicklung kompakter Sensoren vorangetrieben, die mehrere Funktionen in sich vereinen und somit tatsächlich als „Multisensor" bezeichnet werden können.


inspect: Welche Fragestellungen haben die Entwicklung von Multisensorsystemen forciert? War es die ewige Suche nach der legendären „Eier legenden Wollmilchsau" oder der konsequente Schritt in Richtung neuer Messmöglichkeiten?

Dr. R. Christoph: Das Ziel besteht zunächst darin, das komplette Werkstück in einer Aufspannung und in einem Messablauf im gleichen Bezugskoordinatensystem zu messen. Dies ist oft mit einem Sensor nicht möglich, da bestimmte Merkmale, z. B. Kanten oder kleine Details, nur optisch und andere wie z. B. Hinterschnitte nur taktil messbar sind. Auch gibt es bei einem Werkstück oft Merkmale, die schnell und weniger genau gemessen werden müssen und andere, bei denen es vorrangig auf die Genauigkeit ankommt und längere Messzeiten hierfür in Kauf genommen werden. Multisensor-Koordinatenmessgeräte weisen natürlich auch den wesentlichen Vorteil der Flexibilität auf. Dies erlaubt den universellen Einsatz und gewährleistet Investitionssicherheit, insbesondere im Mittelstand. Hierbei ist die spätere Nachrüstbarkeit von Sensoren ein nicht zu unterschätzendes Argument.

inspect: Wie und wann haben sich die Nachfrage und die Produktentwicklung für Multisensorsysteme getroffen und einen Markt für solche Systemlösungen gebildet?

Dr. R. Christoph: Der Begriff Multisensorik wurde vor etwa 25 Jahren geprägt. Erste Koordinatenmessgeräte wurden zu dieser Zeit mit mehreren Sensoren nach verschiedenen physikalischen Prinzipien ausgestattet. Ein Beispiel hierfür ist der Werth Inspector, der bereits damals die Möglichkeiten der Bildverarbeitung zum Messen lateraler Strukturen mit denen von Laserabstandssensoren verknüpfte. Dieses Gerät zeichnete sich übrigens bereits durch eine besonders ergonomische Lösung aus, da der Lasersensor im Bildverarbeitungsstrahlengang integriert war und somit eine einfache Beobachtung des Messprozesses beim Messen mit dem Laser ermöglicht wurde. In den folgenden Jahren wurde die Entwicklung der Multisensorik maßgeblich durch die Werth Messtechnik GmbH vorangetrieben. Sowohl die Integration weiterer berührungsloser und taktiler Sensoren als auch die Ausweitung der Messbereiche waren hier Schwerpunkte.

inspect: Ein Interview mit dem Geschäftsführer eines bedeutenden Anbieters moderner Messtechnik muss zurzeit auch das Thema Industrie 4.0 berühren. Wo und wie kann moderne Messtechnik mit und ohne Multisensorik in einem zukünftigen industriellen Internet ihren Platz finden?

Dr. R. Christoph: Persönlich bin ich kein Freund von großen Schlagworten. Sicher ist jedoch, dass die Integration moderner Technik in das Internet erhebliche Vorteile mit sich bringt. Ein schneller Datenaustausch erlaubt die effektive Zusammenarbeit verschiedener Partner. Für unsere Technik bedeutet das insbesondere, dass die Durchgängigkeit des Prozesses von der Erstellung der Programme für die Koordinatenmessgeräte ausgehend von CAD-Daten bis hin zur Weitergabe der Messergebnisse zur Produktionssteuerung möglichst perfekt organisiert wird. Auch für die Wartung der Messgeräte kommen Internettechnologien zum Einsatz. Ein zunehmendes Problem besteht hierbei jedoch in der verständlicherweise restriktiven Datensicherheitspolitik einiger Unternehmen, die einen externen Zugriff auf die Datennetze ausschließen.

inspect: Die Röntgen-Computertomografie ist eine weitere Technologie, die sie im Portfolio haben. Schon anlässlich der Control 2014 ließ sich erkennen, dass hier der Einsatz in der Linie ein wichtiges Thema ist. Was ist hier bereits realisierbar und was darf man in nächster Zukunft erwarten?

Dr. R. Christoph: Das erste Koordinatenmessgerät mit Röntgen-Computertomografie wurde durch die Werth Messtechnik GmbH im Jahr 2005 auf der Messe Control, damals noch in Sinsheim ansässig, vorgestellt. Wir feiern mit dieser Technik in diesem Jahr das 10-Jährige Jubiläum. Für uns war es verlockend, die Werkstücke in einem Messablauf vollständig mit einer großen Menge von Messpunkten zu erfassen. Die Genauigkeitsprobleme der Röntgentomografie waren anfangs nur mit Hilfe der Multisensorik lösbar. Im Laufe der Jahre konnten wir jedoch die Verfahren so weiterentwickeln, dass heute eine große Zahl von Messaufgaben, insbesondere im Bereich der Kunststoffteilefertigung, aber z. B. auch für hochpräzise Einspritzdüsen für Dieselmotoren, mit Tomografie lösbar sind. Der bevorzugte Einsatzbereich ist das Bestimmen vieler Maße in relativ kurzer Zeit. Die Messzeit ist im Wesentlichen von der Anzahl der zu prüfenden Merkmale unabhängig. Der Einsatz für die Prüfung einzelner Funktionsmaße bei der Fertigungsüberwachung erscheint weniger rentabel, da immer das gesamte Objekt erfasst werden muss. Im Prozess integriert ist die Computertomografie, zumindest in den nächsten Jahren, wohl eher auf die qualitative Überprüfung mit geringerer Genauigkeit für Werkstücke mit Toleranzen im Bereich von zehntel Millimetern beschränkt. Unter diesen Umständen lassen sich mit den meisten Geräten Messzeiten von unter einer Minute realisieren, was bei manchen Anwendungen für die Einhaltung der Taktzeit ausreicht. Für das präzise Messen sind bis auf weiteres mehrere Minuten pro Messung erforderlich. Dies reicht für eine Stichprobenprüfung meist aus. Bei den Werth TomoScope Geräten wird eine gute Auslastung durch einen optional integrierten automatischen Werkstückwechsel für die Messung in mannloser Schicht verbessert.

inspect: Der Einsatz der Röntgen-CT ist stark an die verwendeten Materialien und Werkstoffe gebunden. Hier verläuft die Entwicklung sehr schnell. Wie hält die Röntgen-CT Schritt mit den Resultaten der Material- und Werkstoffforschung?

Dr. R. Christoph: Sicher gibt es hinsichtlich der Materialien der Werkstücke, die mit Röntgentomografie gemessen werden können, auch in Zukunft Einschränkungen. Dies liegt in der Natur der Sache, da die Absorption der Röntgenstrahlung mit zunehmender Kernladungszahl größer wird. Dennoch ist Werth mit den TomoScope Geräten z. B. in der Lage, durch Einsatz einer speziellen Röntgenröhrentechnik und eines patentierten Korrekturverfahrens hochpräzise Metallteile wie Kraftstoffeinspritzdüsen mit Messabweichungen < 0,5 µm zu messen. Durch moderne Verfahren der Artefaktkorrektur werden sich diese Einsatzmöglichkeiten schrittweise erweitern lassen. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt für die zukünftige Entwicklung der Röntgentomografie in der Koordinatenmesstechnik wird sein, Möglichkeiten zur kompletten Messung von Werkstücken, die aus verschiedenen Materialien zusammengesetzt sind, zu realisieren. Einen ersten Ansatz hierfür bietet unser Volumenschnitt-Verfahren. Gerade für neue Werkstoffe wie Faserverbundmaterial bietet die Röntgentechnik viele Möglichkeiten. Neben dem Messen der Geometriemerkmale ist z. B. auch das Analysieren des Fasergefüges mit dem gleichen Gerät möglich.

inspect: Die Werth Messtechnik GmbH ist selbstverständlich auch auf der Control 2015 wieder prominent vertreten. Mit welchen Highlights werden Sie in diesem Jahr das Interesse der Fachbesucher wecken?

Dr. R. Christoph: Wie in jedem Jahr wird auch 2015 die Messe Control in Stuttgart von der Werth Messtechnik GmbH zum Anlass genommen, Produktneuheiten vorzustellen. Die Themen orientieren sich an unseren Jubiläen: 65 Jahre Optik, 25 Jahre Multisensorik und 10 Jahre Röntgentomografie in der Koordinatenmesstechnik. Die weitere Entwicklung unserer Messsoftware WinWerth konzentriert sich in der diesjährigen neuen Version auf die Vereinfachung der Bedienung. Neue Funktionen zum Editieren und Testen, zur Protokollgestaltung und zum halbautomatischen Messen mit verschiedenen Sensoren werden Neukunden und erfahrenen Anwendern die Arbeit erleichtern. Die Gerätepalette mit mehreren Sensorpinolen zum ergonomischen Messen mit Multisensorik wurde durch Geräte mit großem Messbereich ergänzt. Die neue Ausführung des Werth Fasertasters ist schnittstellenkompatibel zu vielen anderen Sensoren. Hierdurch kann die Ergonomie optimiert und der Messbereich besser ausgenutzt werden. Eine Reihe von neuen Funktionen für unsere Tomografie-Koordinatenmessgeräte sowie eine neue Version unseres Fokusvariationssensors 3D-Patch runden dies ab. Wir freuen uns auch in diesem Jahr auf viele Besucher und interessante Gespräche auf unserem Messestand in Halle 7.

 

Kontakt

Werth Messtechnik GmbH

Siemensstraße 19
35394 Gießen
Deutschland

+49 641 7938 0
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