Automatisierung

IEEE 1588/PTP für Synchronisation zeitkritischer Anwendungen

Kommunizierende Uhren

15.10.2015 -

Sind Messsysteme dezentral verteilt, müssen sie präzise synchronisiert werden. Schwierig wird es bei zeitkritischen Anwendungen, wie Crashtests, dann werden die Zeitsynchronisationssignale über eine gesonderte Verkabelung übertragen. Anders beim Time Protocol gemäß IEEE 1588-2008, es nutzt bestehende Ethernet-Systeme.

Die präzise Zeitsynchronisation spielt bei der Erfassung von Messdaten eine entscheidende Rolle – vor allem wenn Steuer- und Regelgrößen von Messungen aus örtlich getrennten Systemen verarbeitet werden sollen. Die Anforderung an moderne Zeitsynchronisationssysteme lässt sich gut an einem Beispiel aus der Energietechnik zeigen. So wird für die Messung von Synchrophasoren (ein Synchrophasor beschreibt die Phasenlage der Netzspannung zur vollen Sekunde) mit der Genauigkeit von einem Grad eine absolute Genauigkeit im Mikrosekunden-Bereich benötigt. Ähnlich verhält es sich in der Geoseismik und in der Vibrationsmessung von Bauwerken: Dort muss das Auftreten von Schwingungen und deren Laufzeiten exakt bestimmt werden.
Um eine präzise, absolute Zeitsynchronisation sicherzustellen, wird eine Zeitreferenzquelle benötigt, welche eine – in Bezug auf die Weltzeit UTC – exakte Zeit liefert. Durch Anbindung an GPS oder Glonass erreicht eine gute Zeitreferenzquelle eine Genauigkeit besser +/- 100 ns in Bezug auf UTC. Das von der Zeitreferenzquelle gelieferte Signal muss nun an die zu synchronisierenden Geräte verteilt werden. Je nach Genauigkeitsanspruch stehen dafür unterschiedliche Zeitcodes (zum Beispiel Irig-B) oder Pulssignale (zum Beispiel Sekundenpuls 1PPS oder Minutenpuls 1PPM) zur Verfügung. Diese werden in zeitkritischen Systemen über eine gesonderte Verkabelung an die zu synchronisierenden Geräte verteilt. Allerdings führen Signallaufzeiten zwischen den einzelnen Geräten zu zusätzlichen Ungenauigkeiten. Bei einer typischen Verzögerung von 5 ns/m resultiert ein 200 m langes Kabel bereits in einer Verzögerung von 1µs.

Ein auf Zeitstempeln basierendes Protokoll
Die zusätzliche Verkabelung für Zeitsynchronisationssignale zur im Normalfall ohnehin bestehenden Ethernet-Kommunikationsinfrastruktur resultiert in einem erhöhten Installations- und Wartungsaufwand. Aus diesem Grund wird schon seit geraumer Zeit versucht durch geeignete Topologien und Protokolle das Ethernet auch für Echtzeitanforderungen, besser 1 ms, nutzbar zu machen. Systeme wie Profinet oder EtherCat erreichen Zykluszeiten von 100 µs. Dies ist aber für die oben erwähnten Anwendungen nicht ausreichend. Daher kommen bis heute Irig-B-Zeitcodes und 1-PPX-Pulssignale zum Einsatz.
Mit dem Precision Time Protocol (PTP) gemäß IEEE 1588-2008 steht nun ein standardisiertes und verlässliches Synchronisationsprotokoll für Ethernet-Systeme zur Verfügung. Zur Kompensation von Signallaufzeiten zwischen der zentralen Zeitreferenz, dem PTP-Grandmaster, und den zu synchronisierenden Geräten, den PTP-Slaves, wird ein auf Zeitstempeln basierendes Kommunikationsprotokoll eingesetzt. Zum Aufbau des Netzes werden PTP-fähige Ethernet-Switches benötigt, welche mittels Hardware eine exakte Zeitstempelung der Synchronisationspakete direkt am physikalischen Port (dem PHY) vornehmen. So lassen sich die Verweilzeiten der einzelnen Pakete im Switch exakt bestimmen und die ins System eingebrachten Zeitfehler auf unter 50 ns reduzieren. Dadurch ist selbst nach dem Transport über fünfzehn Ethernet-Switches eine Synchronisationsgenauigkeit von besser 1 µs erreichbar. PTP kann auch in redundanten, auf HSR & PRP basierenden Netzwerk-Topologien eingesetzt werden.

Die genaueste Uhr ist tonangebend
Zudem erlaubt der im PTP-Standard definierte Best Master Clock Algorithmus (BMCA) die unterbrechungsfreie Umschaltung zwischen mehreren redundanten Grandmastern, sodass immer die genaueste Grandmasterclock das Zeitreferenzsignal für das gesamte System liefert. Damit lässt sich eine noch sicherere Zeitsynchronisation realisieren. Mittlerweile bieten viele Hersteller von industriellen Ethernet-Switches PTP-fähige Modelle an. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis nicht PTP-fähige Switches vom Markt verschwinden.

Nicht PTP-fähige Geräte
Beim Aufbau von IEEE 1588/PTP-Infrastrukturen ist es aus Kostengründen oft notwendig, bestehende, nicht PTP-fähige Messmittel, Digitizer und Steuereinheiten in das System einzubinden. Damit nicht erneut eigene Verkabelungen für Zeitreferenzsignale verlegt werden müssen, ist in solchen Fällen die dezentrale Generierung von Zeitreferenzsignalen mittels PTP-Zeitkonvertern empfehlenswert. Dabei wird ein hochstabiler Referenzoszillator über Ethernet mit dem PTP-Grandmaster synchronisiert. Dieser Oszillator dient dann als Zeitbasis für die lokale Generierung von Zeitcodes wie Irig-B oder DCF77 sowie 1-PPX-Signalen. Diese vor Ort generierten Signale können dann direkt über kurze optische oder koaxiale Verbindungen an die zu synchronisierenden Geräte übertragen werden. Das Referenzoszillatorsignal selbst kann als Normalfrequenz für die Anbindung von Frequenzzählern oder anderen Messgeräten genutzt werden.
Durch den im PTP-Zeitkonverter enthaltenen Referenzoszillator können durch Netzwerkstörungen hervorgerufene PTP-Signalausfälle überbrückt werden. Die während der Überbrückung des PTP-Ausfalls auftretende Abdrift von UTC ist abhängig von der Alterung und der Temperaturempfindlichkeit des Referenzoszillators. Typischerweise kann von einer maximalen Abweichung von einigen Mikrosekunden innerhalb eines Tages ausgegangen werden. Die Konfiguration eines PTP-Zeitkonverters erfolgt meist über ein Webbrowser-Interface. Alarm- und Statusmeldungen können direkt über E-Mail oder SNMP an die zentrale Steuerung übertragen werden.

Praxisfall: Crashtests
Ein Anwendungsfall aus der Praxis für den möglichen Einsatz von PTP-Zeitkonvertern ist die Synchronisation von Hochgeschwindigkeitskameras, wie sie zum Beispiel bei Crashtests in der Automobilindustrie zum Einsatz kommen. Bisher am Markt erhältliche Kameramodelle verfügen typischerweise über einen Irig-B-Synchronisationseingang während Kameras der neuesten Generation über IEEE 1588/PTP synchronisiert werden. Der Einsatz von PTP-Zeitkonvertern ermöglicht den parallelen Einsatz von PTP-fähigen und nicht PTP-fähigen Kameramodellen.
Ähnliches gilt für die elektrische Energietechnik wo Schutzgeräte in Umspannwerken über die verschiedensten Zeitcodes synchronisiert werden, während neuere Modelle ebenfalls über PTP synchronisiert werden können.

Fazit
Geht man von der zunehmenden Anzahl von PTP-fähigen Endgeräten, Steuerungen und Digitizern aus, so lässt sich ein klarer Trend in der Synchronisationstechnik hin zu IEEE1588/PTP erkennen. Zudem ermöglichen PTP-Zeitkonverter die einfache Einbindung von bestehenden Geräten in PTP-Infrastrukturen. Aus diesem Grund ist es realistisch, dass IEEE 1588/PTP zukünftig eine wichtige Rolle bei der Synchronisation von zeitkritischen Anwendungen in Echtzeitapplikationen spielen wird.

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