Hohlwellenmotoren für die Kunststoffindustrie
01.09.2023 - Wie ein Hersteller elektrischer Antriebe den perfekten Motor für die Spritzgussmaschinen von Arburg entwickelte
Seit 1994 besteht zwischen dem Maschinenbauer Arburg und AMKmotion, Entwickler und Hersteller elektrischer Antriebssysteme, eine enge Kooperation. Die gemeinsame Aufgabe bestand darin, modulare, kompakte und leistungsstarke Servomotoren für lineare Bewegungen zu entwickeln. Das Ergebnis: flüssigkeitsgekühlte Hohlwellen-Synchron-Servomotoren.
Die ersten Kontakte zwischen AMKmotion, damals noch AMK Arnold Müller, und Arburg reichen fast 30 Jahre zurück. Schon damals war AMK mit der Entwicklung flüssigkeitsgekühlter Antriebsmotoren beschäftigt. Eine Technik, die auch Arburg an ihren elektrischen Spritzgießmaschinen einsetzen wollte. Ein weiteres Thema war die kompakte Motorenbauweise.
Einfach erklärt ist ein Hohlwellenmotor eine spezielle Servoantriebseinheit mit einer Durchgangsöffnung in der Mittelachse des Motors, um eine Antriebsspindel aufzunehmen, die eine rotative in eine lineare Bewegung umsetzt. Anbauteile und Bauraum konnten auf diese Weise gespart und Maschinen mit dieser Motorenart kompakter gebaut werden. Vor allem für den mechanischen Antrieb zum Vorschub der Werkzeugbewegung kommen die Hohlwellenmotoren von AMKmotion bis heute zum Einsatz. Um bis zu einem Drittel platzsparender werden die SKT-Motoren dadurch, dass die Antriebsspindel in den Motor ein- beziehungsweise durchtaucht. Das sorgt für eine kompakte Bewegungstransformation.
Das Funktionsprinzip
Bei der Hohlwellentechnologie wird eine rotative in eine lineare Bewegung umgewandelt. Dabei sorgen die Lager für das Abfangen der axialen Kräfte. Der notwendige Kraftaufbau auf der linearen Strecke erfolgt über die Spindel. Dabei dreht sich die Spindelmutter, die Spindel bewegt sich axial. Je nach Einsatzfall ist technisch aber auch der umgekehrte Weg möglich: Dabei dreht sich die Spindel, Motor und Spindelmutter bewegen sich. Durch dieses Spindel-Mutter-System wird aus dem Hohlwellenmotor SKT ein einsatzbereiter Linearantrieb. Damit stellen die Systeme eine Alternative zu pneumatischen oder hydraulischen Antrieben dar. „Das Hirn dieses Servoantriebs“, so Marc Scheer, Head of Key Account Management bei AMKmotion, „ist der Multiturn-Absolutwertgeber. Über ihn lassen sich unterschiedliche Drehzahlen so feinfühlig realisieren, dass die jeweils notwendigen Wegstrecken der Servomotoren hochgenau definier- und anfahrbar werden. Über den Absolutwertgeber kann das Antriebssystem auf den Punkt genau bewegt werden, wobei sich die einmal angefahrenen und festgelegten Positionen auch speichern lassen. Nach dem Wiedereinschalten der Maschinen weiß der Geber sofort, an welcher Position er steht. Der Vorteil dabei: Es ist keine weitere Messtechnik für die Linearbewegung notwendig. Ein Energieeinsatz ist nur für die Bewegung selbst erforderlich, was den Hohlwellenmotor durch eine exakt mögliche Betriebspunktauslegung wirtschaftlich und effizient werden lässt.“
Technische Anforderungen
Servomotoren waren für die elektrischen Arburg-Allrounder Alldrive, Edrive, Golden Electric sowie die hybriden Allrounder Hidrive von Anfang an gesetzt. Sie sollten einen möglichst geringen Platzbedarf innerhalb der Maschinen haben und daher entsprechend kompakt gebaut sein. Ebenfalls wichtig war eine optimale Kühlung für eine möglichst lange Lebensdauer. Da AMKmotion die konstruktiven Anforderungen von Arburg erfüllen konnte, resultierte aus der Partnerschaft eine enge Zusammenarbeit. In der bislang rund 15-jährigen Entwicklungszeit floss das Wissen beider Seiten in die SKT-Hohlwellenmotoren ein. Hinzu kam die gemeinsame Vision nach geringerem Bauraum bei einer gleichzeitig auch energetisch optimalen Leistung. Im Jahr 2021 haben sich die Arburg-Unternehmerfamilien Hehl und Keinath entschieden, die AMK-Sparte Drives and Automation von der Zhongding Holding Europe zu übernehmen.
Skalierbare Leistungsstufen und anpassbare Baugrößen
Die aus der Zusammenarbeit mit Arburg resultierende zweite Motorengeneration wurde dann sozusagen in die Maschinen „hineindesignt“ und dadurch in ihren Leistungsstufen skalierbar und auf die Baugrößen der Allrounder von Arburg anpassbar. Die entstehende Motorwärme wird bei der Flüssigkeitskühlung unmittelbar dort abgeführt, wo sie entsteht. Diese kann beispielweise zur Beheizung anderer Verbraucher und Räumlichkeiten weiterverwendet werden. Das erhöht die Lebensdauer der Hohlwellenmotoren nachhaltig. Genau auf die Einsatzanforderungen angepasst wurden auch das Material der Motormagnete und deren Anordnung für eine noch höhere Leistung. Die kompakten, modular aufgebauten mechatronischen Funktionseinheiten bestehen aus einem leistungsstarken Servomotor mit integrierter Axiallagerung und Multiturn-Absolutwertgeber.
Flüssigkeitsgekühlte Servoumrichter
Auch der zweite Schritt zur Entwicklung der Hohlwellenmotoren – die Realisierung flüssigkeitsgekühlter Servoumrichter – diente in erster Linie der weiteren Optimierung des Platzbedarfs. Interessant ist auch die Wärmeabfuhr über den sogenannten Cold-Plate-Ansatz. Das heißt der Umrichter gibt die Wärme an die Kühlplatte ab und diese wiederum an die durchfließende Kühlflüssigkeit. Die Anschlüsse der Kühlplatte sitzen außerhalb auf der Rückseite des Schaltschranks. „Es gab unseres Wissen nach noch nie einen Kühlungsausfall, weder bei den Motoren noch bei den Servoumrichtern“, so Marc Scheer.
Hohlwellenmotor: Wo liegen die Vorteile?
- längere Lebensdauer der Motoren
- durch weniger Verschleißteile,
- direktere Kraftübertragung mit entsprechend hohem Wirkungsgrad,
- kompaktere Bauform,
- hohe Wirtschaftlichkeit im Bereich von Service und Wartung.
Hohlwellenmotoren überzeugen im Vergleich mit einer riemenangetriebenen Lösung zudem durch weitere Features:
- Die modulare Konzeption der Linearantriebe erlaubt eine spezifische Anpassung an den speziellen Anwendungsfall. Wie auch bei Arburg lassen sich Leistungsbereich, Spindeldurchmesser und Axialkraft der Servomotoren individuell anpassen.
- Die Hohlwellenmotoren sind energieeffizienter aufgrund ihres hohen Wirkungsgrads, verglichen mit hydraulischen Systemen.
- Die spindelintegrierte Bauweise sorgt für minimale Abmessungen. Die gesamten Funktionselemente, etwa der Servomotor, die Lager, die Spindeladapter, die Festhaltebremse und das Gebersystem sitzen in einem gemeinsamen Gehäuse und werden auch gemeinsam gekühlt.
- Durch das integrierte Lager wird eine deutliche Reduzierung der Lagerstellen erreicht. Die in sich steife Gehäusekonstruktion sowie der Kühlmantel der Servomotoren aus Edelstahl sorgen für Resistenz gegen Flüssigkeiten und damit für Langlebigkeit.
- Mit den abgedichteten Lagern und einstellbarer Lagervorspannung ist eine beliebige Einbaulage der Hohlwellenmotoren möglich.
- Hightorque-Motoren und der geschlossene mechanische Aufbau gewährleisten einen praktisch wartungsfreien Betrieb und eine hohe Verfügbarkeit. Integrierte Temperaturfühler schützen vor thermischer Überlastung.
- Die Bewegung hoher Lasten bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten ist ein wichtiger Pluspunkte der Hohlwellenmotoren.
- Wenn diese Servomotoren wie im Fall von Arburg flüssigkeitsgekühlt sind, können sie noch kompakter ausgeführt werden. Hinzu kommt eine höhere Dynamik durch weniger bewegte Massen. Die Motoren lassen sich auch beim Einbau einfacher handhaben.
Hohlwellenmotoren: auch für andere Branchen interessant
Durch die genannten Produkteigenschaften sowie das Prinzip, hohe Leistungsfähigkeit mit kompakten Außenabmessungen zu kombinieren, sind die Hohlwellenmotoren auch für Kunden anderer Maschinenbaubranchen interessant. Das gilt etwa für Druckgussmaschinen, Pressen aller Art oder auch Sonderanwendungen wie zum Beispiel Drehdurchführungen. Hohe Lasten lassen sich bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten hochgenau bewegen, wie zum Beispiel bei elektrischen Pressen. Für diese Einsatzfälle müssen die Motoren nicht zwangsläufig flüssigkeitsgekühlt werden, es kann auch eine Konvektionskühlung sein.
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