Bildverarbeitung

Fehlerfreie Oberflächen durch Reflexionsmessung

Oberflächenprüfung und Krümmungsmessung mit Deflektometrie

24.11.2020 -

Zahlreiche hochwertige Oberflächen geringer Rauheit (also mit hohem Anteil gerichteter Reflexion) müssen aus ­technischen oder ästhetischen Gründen fehlerfrei sein. Statt einer aufwendigen und fehler­behafteten manuellen ­Inspektion eignet sich die Deflektometrie für solche Prüfaufgaben. Sie analysiert Verzerrungen von Reflexionen, die von Oberflächenfehlern hervorgerufen werden, und ist dabei viel ­genauer und zuverlässiger, als es ein Mensch auf Dauer sein könnte.

Das bekannte Spieglein an der Wand wird im Märchen als makellos angenommen, um Schönheitsfehler einer Gespiegelten zu offenbaren. Hat aber die spiegelnde Oberfläche selbst Schönheitsfehler, verraten sich diese durch Verzerrungen des Spiegelbildes einer Referenzstruktur. Also kann eine Wand (mit Referenzmuster) durchaus dazu dienen, ein Spieglein zu prüfen: Zahlreiche hochwertige Oberflächen geringer Rauheit (also mit hohem Anteil gerichteter Reflexion) müssen aus technischen oder ästhetischen Gründen fehlerfrei sein, das heißt ohne Falten, Pickel, Blasen, Beulen und so weiter.
Die menschliche Wahrnehmungsschwelle für solche Störungen variiert zwar mit der Beobachtungssituation und -geometrie, liegt aber immer im Bereich einiger Mikrometer in der Höhe beziehungsweise Winkelminuten in der Neigung. Außerdem beeinflusst die laterale Ausdehnung die Wahrnehmbarkeit von Fehlern; mitunter sind Fehler von 0,2 mm Größe schon relevant. Die Aufgabe, wahrnehmbare Oberflächenfehler zu finden, führt also zu einem extrem anspruchsvollen Lastenheft.

Deflektometrie erkennt Fehler im Nanometerbereich

Das Vorgehen, das vom Menschen zum Auffinden von Oberflächenstörungen insbesondere ästhetischer Art instinktiv angewandt wird, hat als Messmethode seine Entsprechung in der Deflektometrie, also Ablenkungsmessung: Eine Struktur wird als Spiegelbild beobachtet, und es wird nach Störungen im Spiegelbild gesucht. Dabei reagiert das Signal nicht auf Oberflächenhöhen, sondern Neigungen.
Die nachgewiesene Tiefenempfindlichkeit der Deflektometrie bei kleinskaligen Oberflächenstörungen liegt bei einigen Nanometern, die Winkelempfindlichkeit bei einigen Bogensekunden. In der Praxis können also auch Oberflächenfehler detektiert werden, die der Mensch noch nicht als störend empfindet, und eine zuverlässige Qualitätskontrolle ist möglich.
Anders als in der Streifenprojektion aber, wo ein Lichtmuster auf die inspizierte Oberfläche projiziert, die Oberfläche als Streuer verwendet wird und direkte Reflexe möglichst nicht aufgefangen werden, beleuchtet das Referenz-Lichtmuster die Oberfläche in freier Ausbreitung, und die Oberfläche wird als Spiegel verwendet, wodurch sich die Referenzstruktur indirekt (als sogenanntes virtuelles Bild) beobachten lässt.

Starke Krümmung ist Herausforderung für Messgeometrie

Streuung an einer Oberfläche findet in einem gewissen Winkelbereich statt, Spiegelung nur nach dem Reflexionsgesetz „Einfallswinkel = Ausfallswinkel“. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die System­auslegung. Denn eine Messung ist nur dort möglich, wo eine Kamera die an der Oberfläche gespiegelten Strahlen auffängt. Das bedeutet, dass sich bei konvexen Oberflächen mit kleinen Krümmungsradien auch durch große Musterwände nur ein Teil der Oberfläche mit Signal belegen lässt. Geht es beispielsweise um die Prüfung einer Kugel, so werden sogar Strukturen von mehreren Quadratmetern Größe (wie Fenster) nur als von einem kleinen Teil der Kugeloberfläche reflektiert. Die Kugel müsste also in vielen Durchgängen und Posen mit gültigen Daten bedeckt werden. In der Praxis kann es sich auszahlen, Prüflinge dieser Art so weit wie möglich mit Musterschirmen zu umschließen. Hier eignen sich Lichttunnel oder für kleinere Teile auch Halbkugeldome. Prüfsysteme für den allgemeinen Gebrauch existieren dagegen nicht. Denn für optimale Ergebnisse müssen die Geometrie des Messsystems (Anzahl und Lage von Musterschirmen und Kameras) und die notwendigen Prüflingsposen immer der Messaufgabe angepasst werden.
Das entscheidende und praxisrelevante Maß für wahrnehmbare Fehler sind nicht die Neigungsdaten, sondern die Oberflächenkrümmung, die aus der örtlichen Veränderung der Neigungskomponenten berechnet wird und eine unveränderliche Eigenschaft einer Oberfläche ist. Für eine hochauflösende Messung der Krümmung müssen beide Ortsableitungen durch Einsatz einer eigenen Bildsequenz genau gemessen werden.

Statische Objekte mittels Bildsequenzen vermessen

Diese Methode der Datengewinnung eignet sich nicht für Prüflinge in Bewegung, weil die Auswertung dann die genaue Kenntnis der Oberfläche und ihrer Position erfordern würde, was nicht praxisgerecht zu leisten ist. Sofern Oberflächenfehler nur gefunden, nicht gemessen werden sollen, kann aber die Reflexion nur eines einzigen Musters aufgezeichnet werden; dieses sollte in beiden Ortsrichtungen strukturiert sein. Da bei solchen Mustern aber eine eindeutige Zuordnung zwischen Kamera- und Monitorpixeln nicht möglich ist, kann die Oberflächenkrümmung nur geschätzt werden, und in der Praxis würde die Auswertung nach starken Veränderungen des gespiegelten Musters suchen.
Binäre Muster anstatt solchen mit einem weichen Intensitätsverlauf haben noch einen weiteren Vorteil. Je heller die Farbe der gemessenen Oberfläche, desto höher ist der Anteil des gestreuten Lichts im Vergleich zum reflektierten Anteil. Streulicht (ungerichtete Reflexion) trägt in der Deflektometrie aber nur zum Rauschen bei und verschlechtert die Erkennungsleistung des Systems. Bei schwarz lackierten Oberflächen ist der Streifenkontrast sehr gut, weil die gemessene Oberfläche fast kein Licht streut. Hellere Oberflächen ergeben ein wesentlich schlechteres Nutzsignal. Mit binären Mustern kann (um den Preis eines dünneren Datenrasters) aber auch zum Beispiel auf weißen oder hellen Metallic-Oberflächen noch zuverlässig geprüft werden.
Neben dem Prüfeinsatz für ästhetische Defekte kann die hochauflösende Krümmungsmessung auch zu Prozessverbesserungen beitragen.

Kontakt

Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik u.Bildauswertung IOSB

Fraunhoferstr. 1
76131 Karlsruhe

+49 7216091-0
+ 49 721/6091-413

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