Ein sicheres Haus für die Kamera
Kameraschutz ist äußerst wichtig, um Anlagenausfälle zu vermeiden
Mit dem Eroberungsfeldzug digitaler Kamerasysteme in vielfältigste Anwendungsbereiche wie Fertigungs-, Nahrungsmittel-, Pharmaindustrie, Medizintechnik, Verkehr, Landwirtschaft sowie viele mehr erhöht sich auch der Schutzbedarf dieser sensiblen Systeme. Unter extremen Umgebungsbedingungen benötigen sie ein Schutzgehäuse. Es gibt jedoch noch weitere vielseitige Schutzmaßnahmen - eine Wissenschaft für sich.
In laborähnlichen, sauberen Fertigungsbereichen, in denen keine rauen Umgebungsbedingungen die empfindliche Technik bedrohen, lassen sich Kamera, Optik und Beleuchtung auch ohne Schutzgehäuse einsetzen. Anders sieht es in Produktionsbereichen mit erhöhtem Stoß-, Staub-, Feuchte- oder Temperaturaufkommen aus. Auch in Außenbereichen kann durch Umwelteinflüsse oder auch gut gemeinte Reinigungseinsätze das Bildverarbeitungssystem schnell beschädigt oder auch verstellt werden. Hierdurch können nicht nur Kosten für Reparatur oder Austausch der Komponenten entstehen. Weitaus teurer werden Betriebsausfälle oder ein Wartungseinsatz, besonders wenn der Einsatzort weit vom Integrator entfernt liegt. In manchen Anwendungsbereichen muss zudem nicht nur das Kamerasystem vor Umwelteinflüssen geschützt werden, sondern auch die Umgebung vor den Einflüssen des Kamerasystems (Abb.1). Beispielhaft werden hier einige Anwendungsfälle aus der industriellen sowie nicht-industriellen Bildverarbeitung vorgestellt sowie Punkte dargelegt, die beim Einsatz von Kamerasystemen in extremen Umgebungen zu bedenken sind.
Erhöhte mechanische Beanspruchung
Je rauer die Industrie, desto stabiler müssen Kameraschutzgehäuse und deren Befestigungen sein. Reichen für die Überwachungstechnik noch Kunststoff- oder dünnwandige Aluminiumgehäuse aus, stoßen diese beim industriellen Einsatz an ihre Grenzen. Gründe dafür sind häufig auch die sperrigen Abmaße sowie ungeeignete Befestigungsmöglichkeiten, welche die Integration in die Anlage erschweren. Bewährt haben sich in diesem Umfeld Schwalbenschwanzprofile und hierzu passende Montageklemmen (Abb.2). Obwohl reibschlüssig und damit stufenlos verstellbar, widerstehen diese Befestigungen Querkräften von bis zu 3000 N. Auch die Momentenbelastbarkeit sprich der Widerstand gegen Verdrehung ist hoch, so dass sich das Gehäuse auch bei stärkeren Stößen oder Vibrationen nicht verstellen kann. Dies ist besonders wichtig bei 3D-Anwendungen wie Stereo-Vision- oder Laser-Lichtschnittverfahren, bei denen die kleinste Dejustierung von Laser oder Kamera schon die Messergebnisse verfälschen kann.
Zylindrische Haltesysteme, wie sie z.B. für Lichtschranken eingesetzt werden, sind nur für kleinere Sensorkameras geeignet. Bei Kameraschutzgehäusen erhöht sich durch die größeren Abmessungen das Drehmoment um den Befestigungspunkt, wodurch eine Verdrehung des Kamerasystems um die Montagwelle erfolgen kann.
Gehäuse als passive Kühlung
Moderne Kameras sind mittlerweile fast auf das Format eines Maggiwürfels geschrumpft. So vorteilhaft dies für die Miniaturisierung von Anlagen ist, so problemreich erweist es sich für die Kühlung der Kamera aufgrund der geringen Oberflächen, zumal durch den Trend zu immer leistungsfähigeren Prozessoren und großformatigeren Sensoren mehr Wärme erzeugt wird. Viele Kameras erreichen schon bei rund 30°C Umgebungstemperatur ihre zulässige Betriebstemperatur von 50°C, wenn Sie nicht durch direkte Montage an kalten Anlagenteilen gekühlt werden können. Wird eine derartige Kamera in einem Schutzgehäuse, ohne ausreichenden Kontakt zur Außenwand montiert, heizt diese die Luft im Inneren weiter auf, was zum Ausfall der Kamera führen kann. Ein Schutzgehäuse für Industriekameras muss daher eine besonders gute thermische Anbindung an die eingebaute Kamera gewährleisten. Das Salamandergehäuse von autoVimation senkt z.B. die Temperatur einer Basler ace bei Raumtemperatur um 12 C°, da das Außengehäuse als Kühlkörper genutzt wird. Temperatur von Gehäuse und Kamera sind in diesem Fall fast identisch. Durch die vielfach größere Oberfläche des Außengehäuses liegt das gemeinsame Temperaturniveau nur noch wenig über der Umgebungstemperatur (Abb.3+4).
Aktive Wasserkühlung - auch Heizung
Wenn zu sommerlichen Umgebungstemperaturen zusätzlich noch industrielle Prozesswärme auf die Kamera einwirkt, reicht in der Regel eine passive Kamerakühlung nicht mehr aus. Beispiele hierfür sind die Qualitätskontrolle von glühenden Stahlbrammen oder visuelle Inspektionsaufgaben in Klimaschränken.
Im industriellen Umfeld bieten sich zwei Methoden der Kamerakühlung an: Kühlung der Schutzgehäuse mit Hilfe von Druckluft oder Wasserkühlung. Ein Druckluftnetz ist in der Regel in der Fabrikanlage vorhanden und der Pneumatikanschluss des Gehäuses leicht realisierbar. Problematisch ist jedoch, dass Drucklulftnetze kondensiertes Wasser und Öl enthalten, welche sich nur bedingt und mit hohem Aufwand restlos aus der Luft extrahieren lassen. Mit Hilfe von Wasserkühlsystemen (Abb.5) hingegen kann die Wärme leicht abgeführt werden, selbst über größere Entfernungen. Ist kein Kühlwasser am Einsatzort vorhanden, wird mittels eines Wärmetauschers am Schutzgehäuse und einer Radiator-Pumpen-Rückkühleinheit ein geschlossener Kühlkreislauf realisiert, der wie der Kühlkreislauf eines KFZ-Motors funktioniert. Die Systeme sind bis auf ein gelegentliches Überprüfen des Wasserfüllstands nahezu wartungsfrei und die Kühlleistung reicht aus, um die Kamerasysteme bei bis zu 100°C Umgebungstemperatur zu betreiben. Höhere Umgebungstemperaturen sind durch Einsatz eines zusätzlichen, wärmegedämmten Umgehäuses möglich. Die Wasserschläuche kühlen hierbei die Kamerakabel innerhalb eines Schutzschlauchsystems. Der Einsatz eines Infrarotspiegels als Frontscheibe vermindert zudem die in das Gehäuse eingetragene Wärmestrahlung.
Da die Radiator-Einheit das Kühlwasser seiner Umgebungstemperatur annähert, funktioniert die Wasserkühlung automatisch auch als Heizung, wenn die Umgebungstemperatur des Kameragehäuses unterhalb derjenigen der Rückkühleinheit liegt. Diese Betriebsweise ist daher ideal für den Einsatz in Klimakammern bei wechselnden Temperaturen. Erst unterhalb von -20°C ist in der Regel eine elektrische Zusatzheizung des Gehäuses oder ein isoliertes Umgehäuse erforderlich.
Windvorhang gegen Staub
Schutzgehäuse sind zwar nach DIN EN 60529 in IP-Schutzklassen eingeteilt (s. Box 1), die neben dem Feuchtigkeits- auch den Staubschutz berücksichtigen. Muss ein Bildverarbeitungssystem jedoch in staubigen Umgebungen funktionieren, ist es nicht nur wichtig, dass kein Staub in das Gehäuse eindringt, sondern ebenso dass die Frontscheibe frei von Ablagerungen zu halten ist, damit die volle Sehfähigkeit der Kamera gewährleistet bleibt. Eine ungetrübte Sicht zu bewahren, ist dabei selbst in sauberer Umgebung eine Herausforderung, besonders, wenn die Kamera nach oben gerichtet sein muss. Um den Durchblick zu erhalten bieten sich Windvorhänge und Luftdüsen an (Abb.6). Ein Windvorhang wird mit Druckluft betrieben, dessen Volumenstrom der Anforderung angepasst werden kann. Nicht klebender Staub lässt sich dabei mit einem kurzen Luftstoß vor jeder Bildaufnahme entfernen. Schwer zu eliminierende Ablagerungen sowie leichter Flüssigkeitsnebel werden durch einen permanenten Luftstrom von der Scheibe ferngehalten. Ein aufgesetzter Tubus kann hierbei die Effektivität bei kleineren Bildwinkeln noch erhöhen. Der Windvorhang sollte dabei so konstruiert sein, dass er den erforderlichen Luftvolumenstrom und damit die Betriebskosten minimiert.
Edelstahlklappe schützt vor Kühlmittel und Spänen
Noch extremere Anforderungen an Kamerasysteme werden durch den Einsatz innerhalb von Werkzeugmaschinen oder Bearbeitungszentren mit Kühlschmiermitteleinsatz gestellt. In der Regel ist nur eine Bildaufnahme vor und nach der Bearbeitung erforderlich etwa, um die Position des Werkstücks in der Anlage zu überprüfen. Während des Fräsvorgangs würde jedoch die Gehäusescheibe durch herumspritzendes Kühlmittel und fliegende Späne verunreinigt oder sogar beschädigt.
Die Lösung für dieses Problem ist eine pneumatisch angetriebene Schutzklappe, die nur während der Bildaufnahme geöffnet ist. Der Pneumatikzylinder drückt während der Fräsbearbeitung den Deckel mit der innen liegenden Dichtung auf den Windvorhang vor der Gehäusescheibe, sodass diese hermetisch abgedichtet wird - die Edelstahlklappe ist auch für den Spänebeschuss gewappnet. Durch den Windvorhang wird vor dem Öffnen der Klappe ein Überdruck aufgebaut, welcher verhindert, dass im Moment des Öffnens und während der Bildaufnahme Spritzer auf der Frontscheibe landen. Danach wird die Schutzklappe wieder geschlossen und der Bearbeitungszyklus kann erneut beginnen (Abb.7).
Hygienische, glatte Oberflächen
In Reinraumbereichen, wie etwa in der Halbleiterfertigung, kommt es in erster Linie darauf an, die Anzahl luftgetragener Teilchen so gering wie möglich zu halten. Ein Kameraschutzgehäuse sollte daher möglichst keine konkaven Kanten und Ecken aufweisen, in denen sich Schmutz ansammeln kann (s. Box 3).
In Pharmaindustrie und Medizintechnik müssen Bildverarbeitungskomponenten zusätzlich möglichst keimfrei sein bzw. gehalten werden können. Glatte Oberflächen mit geringen Rautiefen sowie nicht giftige oder absorbierende Dichtungsmaterialien sind hier Pflicht. Ob in diesen Umgebungen noch der Einsatz von Kunststoffen oder eloxiertem Aluminium als Gehäusematerial erlaubt ist, hängt nicht zuletzt von den verwendeten Reinigungsmitteln ab. In der Medizintechnik müssen zusätzlich die niedrigeren Grenzwerte für EMV-Emissionen beachtet werden (EN 60601-1-2). Hier kann sich der Anwender nicht einfach auf die CE-Zertifizierung des Kameraherstellers verlassen - eventuell ist hier ein zusätzlicher passiver EMV-Schutz durch das Kameraschutzgehäuse erforderlich.
Chemiecocktail-beständig
Zusätzlich zu den oben erwähnten Eigenschaften müssen Kamerainstallationen im Lebensmittelbereich mit zum Teil extrem aggressiven Reinigungsmitteln zurechtkommen. Diese können in der fleischverarbeitenden Industrie konzentrierte Phosphor- und Essigsäuren sowie Natronlaugen und Chlor enthalten. Die PH-Werte dieser Reinigungsmittel decken dabei mit Werten von 2 bis 12 fast die gesamte Skala ab. Zudem werden diese noch bei erhöhten Temperaturen aufgebracht und in der Praxis oft nicht wieder ausreichend abgespült. In dieser Umgebung ist der Einsatz von hochlegierten V4A Edelstählen und der chemisch beständigsten Dichtwerkstoffe, Glasfenster und Kabelmaterialien unverzichtbar (Abb.8). Zusätzlich müssen Dichtungen und auch das Gehäusefenster leicht auswechselbar sein, denn es gibt bislang keine einsetzbaren Dichtmaterialien, die diesem Chemiecocktail auf Dauer standhalten können (s. Box 2).
Sommer- und winterfest in gemäßigtem Klima
Bei Anwendungen im Außenbereich kann zumindest in gemäßigten Klimazonen auf aktive Kühlung der Kamera verzichtet werden, wenn deren Abwärme über das Außengehäuse in ausreichender Form abgeführt wird. Bei direkter Sonneneinstrahlung muss jedoch ein möglichst gut reflektierendes, thermisch isoliertes Sonnendach vorgesehen werden, denn auch in unseren Breiten kann die Gehäusetemperatur durch Sonneneinstrahlung leicht um 20°C steigen (Abb.9).
Für den Winter müssen die Kameras allerdings beheizt werden (Abb.10), da diese in der Regel für eine Minimaltemperatur von 0°C ausgelegt sind. Geregelte Gehäuseheizungen liefern hier die benötigte Wärmeleistung und stellen so sicher, dass die Kamera über einen großen Temperaturbereich weder überhitzt noch unterkühlt und damit weder qualitätsmäßige Einbußen aufweist noch ausfällt.
Betriebsfähig bei extremen Temperaturen
Für den Kameraeinsatz in wärmeren Regionen, z.B. in Anwendungsfällen der Solarindustrie mit bis zu 350 W/m2 Sonneneinstrahlung und teilweise über 50°C Umgebungstemperatur, reichen eine passive Kamerakühlung und ein Sonnendach nicht mehr aus. Hier ist eine aktive Kamerakühlung erforderlich. Wasserkühlsysteme können in diesen Umgebungen nicht eingesetzt werden, da kein geschützter, kühler Raum zur Wärmeabgabe zur Verfügung steht. Aus diesem Grunde kommen Kameraschutzgehäuse mit Peltier-Klimatisierung (Abb.11) zum Einsatz, die für den Betrieb nur lediglich eine Spannungsversorgung benötigen. Bei autarken Installationen kann diese auch über Solarzellen zur Verfügung gestellt werden. Peltier-Klimatisierung ist aus der Schaltschrankkühltechnik bekannt, allerdings mussten diese Kühlsysteme für den Einsatz an Kameragehäusen verkleinert und für den Außeneinsatz in der Wüste entsprechend „abgehärtet" werden.
Mit Hilfe eines Reglers, der permanent die Kameratemperatur überwacht, kann das Gehäuse durch Spannungsumkehr auch beheizt werden - das ist wichtig in kalten Wüstennächten. Die Temperaturintervalle für Heiz- und Kühlbetrieb sind hierbei frei programmierbar. Eine Notabschaltung schützt die Kamera im Fehlerfall.
Wichtig bei Außenanwendungen ist, dass alle Dichtwerkstoffe und auch die Kabelisolationen witterungsbeständig sind, auch gegenüber UV-Licht und Ozon. Bei Anwendungen in heißen Regionen kommen Hochtemperaturkabel mit Silikonisolierung und größeren Aderquerschnitten zum Einsatz.
Die Feuchtigkeit besiegen
Dort, wo Druck- und Temperaturunterschiede auftreten können, muss bei nicht luftdichten Gehäusen ein Druckausgleichselement eingesetzt werden. Ähnlich einer Gore-Tex-Membran ermöglicht dieses Ventil den Ausgleich zwischen Gehäuseinnen- und außendruck. Dadurch wird vermieden, dass bei zu hohen Druckunterschieden, feuchte Luft in das Gehäuse gedrückt wird.
Kameraschutzgehäuse können durch genauere Fertigung und Verwendung fester Dichtwerkstoffe, natürlich bis auf molekulare Diffusionsvorgänge, auch luftdicht hergestellt werden, wodurch der Eintrag feuchter Luft vermieden werden kann. Auch hier muss allerdings beachtet werden, dass warme Luft mehr Feuchtigkeit enthält als kalte - ein im Sommer montiertes Gehäuse kann im Winter zu Kondensation führen. Mittels Silikatbeutel lässt sich hier die noch enthaltene Luftfeuchtigkeit absorbieren und auch bei Temperaturschwankungen kann so das Kameraschutzgehäuse trockengehalten werden. Durch das Absenken der Luftfeuchtigkeit im Gehäuse wird damit auch eine zusätzliche Beheizung des Gehäusefensters überflüssig.