Dynamische Neigungsmessung in mobilen Maschinen
19.04.2024 - Ein- und zweiachsiger Neigungssensor misst Winkel und die Ausrichtung von Maschinenteilen und erfasst die Position und Lage beweglicher Komponenten
Die falsche Kombination der Parameter Last, Hebel und Neigungswinkel können dazu führen, dass es zu Unfällen mit mobilen Arbeitsmaschinen kommt. Sensoren und messtechnischen Lösungen – integriert in die mobilen Maschinen – können solche Unfälle verhindern.
Einer der wichtigsten Parameter in mobilen Arbeitsmaschinen ist die Neigung. Wenn diese eine gewisse Grenze überschreitet, ist ein Umstürzen der Maschine kaum zu vermeiden. Elektronische Neigungssensoren, die den Winkel zwischen Maschine und der Horizontalen bestimmen, basieren in der Regel auf Beschleunigungssensoren, Gyroskopen oder aus einer Kombination beider Messprinzipien. Im letzten Fall spricht man von einem Inertialsensor, der Beschleunigungen und Drehraten in allen drei Raumrichtungen misst und auf diese Weise Position, Orientierung und Geschwindigkeit bestimmen kann. Solche Messungen sind anspruchsvoll, da die Sensoren Vibrationen und Schocks ausgesetzt sind, die teilweise zu erheblichen Beschleunigungen führen und Messungen beeinträchtigen können. Hinzu kommen Fliehkräfte, die beispielsweise durch rotierende Maschinenteile wie dem drehbaren Aufbau eines Baggers verursacht werden. Sie können ebenfalls Beschleunigungen bewirken. Um dies bei der Winkelmessung zu eliminieren kann ein Tiefpassfilter die höherfrequenten Signalanteile herausfiltern. Das Signal folgt der Bewegung dann nur verzögert.
Algorithmus zur Störungskompensation unterdrückt verfälschte Signale
Der Neigungssensor InertialSensor INC5502D von Micro-Epsilon, der ebenfalls mit einer Kombination aus Gyroskop und Beschleunigungssensor arbeitet, eliminiert Messfehler effektiv. Zum Einsatz kommt dabei ein Algorithmus zur Störungskompensation, der verfälschte Signale deutlich besser als ein einfacher Tiefpassfilter unterdrückt – der sogenannte SensorFusion-Algorithmus. Der Neigungssensor von Micro-Epsilon erreicht dadurch eine sehr gute Signalstabilität und bietet dennoch eine hohe Dynamik. Mit diesen Eigenschaften eignet er sich vor allem für Anwendung in mobilen Arbeitsmaschinen, die in mechanisch rauer Umgebung eingesetzt werden. Selbst in sehr dynamischen Anwendungen erreicht der Sensor eine Genauigkeit von bis zu ± 0,3°. Die hohe Signalgüte des Sensors und eine sehr kurze Reaktionszeit ermöglichen damit genaue Messungen, auch wenn sich die Maschine bewegt.
Der Neigungssensor misst in zwei Achsen und kann dabei einen Winkelbereich von 360 Grad in einer Achse und 85 Grad in der zweiten Achse abdecken. Der Sensor ist kompakt, die Abmessungen sind kaum größer als eine Streichholzschachtel. Das Kunststoffgehäuse aus schlagfestem Polyamid ist robust und erfüllt die Schutzart IP69K, so dass eine Installation auch außen an einer mobilen Maschine möglich ist. Dadurch lässt sich der Sensor flexibel in mobile Arbeitsmaschinen integrieren. Hinzu kommt, dass die Montage sowohl senkrecht als auch waagerecht erfolgen kann, je nach Ausrichtung und Lage des Sensors können die Messachsen nach der Montage frei definiert und die gewünschten Winkel ausgewählt werden. Dabei erfasst der Inertialsensor wahlweise Euler- oder Positionswinkel in zwei Achsen gleichzeitig. Weitere Messgrößen wie Beschleunigungen oder Rotationsgeschwindigkeiten können ebenfalls ausgegeben werden.
Integration in die Maschinensteuerung
Um die vielfältigen Konfigurationsmöglichkeiten des InertialSensor INC5502D komfortabel zu verwenden, bietet Micro-Epsilon die kostenlose Software SensorTool an. Damit lassen sich wie oben beschrieben die Messachsen definieren und die Parameter der Messung anpassen. Anschließend können die Funktionen getestet und die aktuellen Messwerte angezeigt werden. Zur Kommunikation ist der Neigungssensor mit einer CANopen und SAEJ1939-Schnittstelle ausgestattet. Damit erfolgen die Inbetriebnahme und die Integration in die Steuerung einer mobilen Arbeitsmaschine.
Anwendungen Selbstfahrende Walzen-Verdichter
Für den InertialSensor INC5502D gibt es zahlreiche typische Anwendungen im Bereich der mobilen Arbeitsmaschinen. Die naheliegendste Möglichkeit ist die dauerhafte Messung des Winkels, um ein Umkippen einer Maschine zu verhindern. Dies geschieht zum Beispiel bei selbstfahrenden Walzen-Verdichtern, die über eine Fernsteuerung bedient werden können. Solche Walzen werden zur Verdichtung im Erd- oder Tiefbau eingesetzt und haben überall dort Vorteile, wo beengte Verhältnisse vorherrschen. Die Steuerung schaltet die Maschine sofort ab, wenn der vom Neigungssensor gemessene Winkel einen voreingestellten Grenzwert überschreitet. Ein Umkippen, das eventuell kostspielige Folgen hätte, wird so wirkungsvoll verhindert. Der INC5502D misst das Signal schnell und störungsfrei trotz der erheblichen Vibrationen, die in der Walze zur Übertragung der Verdichtungsenergie notwendig sind.
Höheneinstellung Baggerschaufel
Eine weitere Anwendung, bei der es auf die Sicherheit im Betrieb ankommt, ist die Einstellung der maximalen Höhe, in die eine Baggerschaufel bewegt werden darf. Wenn die Neigung des Arbeitsarms gemessen wird, kann die Steuerung über die bekannte Maschinengeometrie die Höhe der Baggerschaufel bestimmen. So lässt sich etwa die Arbeitshöhe beschränken, wenn auf einer Baustelle gearbeitet wird, auf der Freileitungen oberhalb des Arbeitsbereichs verlaufen. Äquivalent funktioniert dies auch bei der Beschränkung der Arbeitstiefe, um beispielsweise sicherzustellen, dass im Erdreich verlegte Leitungen nicht beschädigt werden.
Automatisierung im Tiefbau
Neben dem reinen Sicherheitsaspekt führt der Einsatz von Sensorik auch zu einer Entlastung des Maschinenbedieners. Er kann sich auf seine Arbeit konzentrieren, ohne laufend auf mögliche Hindernisse achten zu müssen. Zusätzlich lassen sich damit auch teilautomatisierte Lösungen im Tiefbau realisieren. So kann mit dem InertialSensor INC5502D und bekannter Geometrie der Maschine die aktuelle Position der Schneide der Baggerschaufel exakt bestimmt werden. Die Steuerung des Baggers unterstützt somit beispielsweise den Bediener dabei, ein vordefiniertes Profil auszubaggern. Eine solche teilautomatisierte Funktion erhöht die Effizienz bei der Arbeit und hilft, Kosten zu sparen und die Qualität zu verbessern.
Autor
Sead Herrmann, Produktmanager Neigungssensoren
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