Automatisierung

Die Zukunft unserer Arbeitsplätze

Droht das „Ende der Arbeit“? Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland

23.06.2015 -

Einer Studie der beiden Forscher Carl Benedikt Frey und Michael Osborne zufolge, steht den Beschäftigten bald ein „Ende der Arbeit“ bevor. Diese Befürchtungen ergeben sich aus der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung von Arbeitsabläufen – dem sogenannten technologischen Wandel. Menschliche Arbeitskraft soll immer stärker durch Maschinen ersetzt werden. Ein Projektteam aus Holger Bonin, Terry Gregory und Ulrich Zierahn des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) übertrug die Studie auf Deutschland.

Die Studie von Frey/Osborne im Überblick
In ihrer Studie untersuchten Frey und Osborne die Wahrscheinlichkeit, dass bestehende Berufe in der Zukunft von Maschinen ersetzt werden können. Hierbei schätzen sie die Automatisierbarkeit von Berufsfeldern durch die Computerisierung ab. Dabei ergab sich, dass, auf der Basis von 702 Berufen, 47% der Beschäftigten in den USA in einem Beruf arbeiten, welcher eine hohe Automatisierungswahrscheinlichkeit aufweist und bei denen somit ein hohes Risiko besteht, dass ihre Berufe in den nächsten 10 bis 20 Jahren von Maschinen ausgeführt werden können.

Frey und Osborne gehen bei ihrer Studie in drei Schritten vor: Zu Beginn unterscheiden sie die technologischen Neuerungen der Vergangenheit und der Zukunft voneinander und begründen, wieso sie in der Zukunft zu erhöhter Arbeitslosigkeit führen wird. Danach gehen die Forscher auf die Tätigkeitsfelder ein, die von der Automatisierung betroffen sein können. Im letzten Schritt wird die Automatisierungswahrscheinlichkeit verschiedener Berufe in den USA geschätzt.

Vergangenheit vs. Zukunft
Der Grund, wieso in der Vergangenheit menschliche Arbeitskraft nicht dem technologischen Wandel erlag, liefert das Modell von Aghion und Howitt (1994). Automatisierung und Digitalisierung führt hierbei zu Wirtschaftswachstum, aus dem neue Arbeitsplätze entstehen. Dieser Kapitalisierungseffekt führte zur Senkung der Arbeitslosigkeit, da Menschen ihren komparativen Vorteil gegenüber Maschinen mithilfe von Bildung ausgebaut haben.

In Zukunft sei es laut Frey und Osborne schwer, aus dem technologischen Wandel nur Vorteile zu ziehen. Sie begründen dies mit den stetigen Weiterentwicklungen von Maschinen hinsichtlich Intelligenz, Robotik und Lernfähigkeit.

Engpässe, d.h. Tätigkeiten, die für die Automatisierung nicht empfänglich sind, sehen die Forscher in den Bereichen Wahrnehmung und Manipulation, Kreativität verbunden mit Intelligenz sowie soziale Intelligenz, wie z.B. in der Pflege.

Berufsbasierte Übertragung auf den deutschen Arbeitsmarkt
Bei der berufsbasierten Übertragung der Studie auf Deutschland wird davon ausgegangen, dass die Tätigkeitsprofile der Berufe in Deutschland und der USA große Ähnlichkeit aufweisen. Dadurch können die auf die USA abgestimmten Automatisierungswerte auf Deutschland übertragen werden. Die Zuordnung der Berufe geschieht mithilfe der Klassifikation der Berufe (KIdB). Jedem KIdB-Beruf können mehrere Automatisierungswahrscheinlichkeiten zugewiesen werden. Die Beschäftigten einer solchen Gruppe werden gleichmäßig auf die Automatisierungswahrscheinlichkeiten verteilt (Gleichverteilungsansatz). Hierbei kommt es zu Ungenauigkeiten, die jedoch nicht vermieden werden können.

Vergleicht man die Ergebnisse der berufsbezogenen Übertragung mit den Ergebnissen aus den USA wird erkennbar, dass in Deutschland weniger Beschäftige in den höchsten Risikogruppen und mehr in den niedrigen Risikogruppen anzutreffen sind. In Prozent bedeutet dies, dass 42% der deutsche Arbeitnehmer und 47% der US-amerikanischen Arbeitnehmer sich in einer Berufsgruppe mit hoher Automatisierungswahrscheinlichkeit befinden.

Der berufsorientierte Ansatz vernachlässigt jedoch die Tatsache, dass in einem Berufsfeld nicht jeder dieselben Tätigkeiten ausübt. Außerdem wird nicht berücksichtigt, dass die Tätigkeitsfelder von Berufen in den USA möglicherweise nicht mit denen in Deutschland übereinstimmen.

Tätigkeitsbasierte Übertragung als Alternative
Um dieser Ungenauigkeit entgegenzuwirken, wurde die tätigkeitsbasierte Übertragung eingeführt. Die Automatisierungswahrscheinlichkeit wird nicht auf ganze Berufsgruppen übertragen, sondern auf die einzelnen Tätigkeiten am Arbeitsplatz. Mithilfe der Tätigkeitsfelder analytisch und interaktiv, die als schwer automatisierbar gelten, wird herausgefiltert, wie viel Prozent der Beschäftigten häufig schwer automatisierbare Tätigkeiten ausüben. Führungskräfte und Akademiker üben hierbei häufiger analytische und interaktive Tätigkeiten aus, als beispielsweise Hilfsarbeitskräfte. Dies bedeutet, dass die Automatisierungswahrscheinlichkeit von Frey und Osborne geringer ausfallen könnte, da einige Tätigkeiten in Berufen schwer automatisierbar sind.

Grundlage für die tätigkeitsbasierte Übertragung bildet der PIAAC-Datensatz, ein Projekt, um die Fähigkeiten von Erwachsenen vergleichbar zu machen (ähnlich der Pisa-Studie).

Betrachtet man die Ergebnisse der tätigkeitsbasierten Übertragung, so liegt der Anteil an Arbeitsplätzen mit hoher Automatisierungswahrscheinlichkeit in Deutschland mit 12% etwas höher als der der USA (9%). Insgesamt lässt sich jedoch sagen, dass das Automatisierungspotential viel geringer ausfällt als bei der berufsbezogenen Übertragung. Grund für den niedrigeren Wert der USA sind die einzelnen Tätigkeitsstrukturen, die sich in den beiden Ländern leicht unterscheiden. So legen die USA z.B. einen Schwerpunkt auf die Fortbildung, das Unterrichten und Präsentieren sowie das Lesen von Büchern und Anleitungen. Diese Tätigkeiten sind als schwer automatisierbar kategorisiert.

Relevanz von Qualifizierungs- und Einkommensunterschieden
Faktoren, die auf die Automatisierbarkeit Einfluss haben, sind Einkommen und Qualifikation des jeweiligen Arbeitnehmers. Während Beschäftigte mit einer geringen Qualifikation und geringem Einkommen ein hohes Automatisierungspotential besitzen, so weisen Führungskräfte mit hohem Einkommen eine geringe Automatisierungswahrscheinlichkeit auf.


Kritische Bewertung der Ergebnisse
Kritik an der Studie von Frey und Osborne lässt sich an der Subjektivität der Einschätzung von Experten ausüben. Die Möglichkeiten von Technik werden in Expertenkreisen meist nur theoretisch betrachtet und demnach überschätzt. Die Grenzen der Automatisierung werden häufig ausgedehnt. Gleichzeitig wird wenig auf die Flexibilität, das Wissen und die Urteilskraft von Menschen eingegangen. Dies fördert eine Überschätzung des Werts der Automatisierungswahrscheinlichkeit. Die Ergebnisse bedeuten nicht, dass einige Berufsgruppen bald ganz wegfallen.

Eine weitere Hürde stellen rechtliche, gesellschaftliche und ethische Einwände dar. Diese werden in der Studie nicht beachtet und können die Entwicklung und Einführung stark beeinflussen. 

Laut Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Robotik + Automation, könne man keinen Rückgang der Beschäftigten erkennen. Der 2015 erschienenen Studie "Robots at Work" nach sei weiterhin eine Produktionssteigerung zu verzeichnen, aus dem ein Anstieg des Bruttoinlandprodukts von rund 10% resultiert. „Sorgen vor einer Zukunft, in der Roboter Menschen die Arbeitsplätze wegnehmen, sind unbegründet", fährt Schwarzkopf fort. 

Perspektiven für die Zukunft
Zu Zeiten des technologischen Wandels kommt es zu einer Veränderung der Tätigkeitsstrukturen. Beschäftigte üben häufiger schwer automatisierbare Tätigkeiten aus, während Maschinen als Arbeitsmittel genutzt werden. Arbeitsplätze durchlaufen somit ebenfalls einen Wandel, fallen jedoch keinesfalls komplett weg. Automatisierung und Digitalisierung bedeutet somit nicht zwingend Wegfall von Arbeitskräften, sondern kann vielmehr zu einer Strukturänderung von Tätigkeiten führen. Somit lässt sich mithilfe der Studie auch keine Aussage zur Gesamtbeschäftigung treffen.

Des Weiteren kann es, trotz technologischen Neuerungen, weiterhin günstiger und sinnvoller sein, auf menschliche Arbeitskraft zu setzen oder Mensch und Maschine am Arbeitsplatz zu kombinieren.

Auch wenn durch die Automatisierung Arbeitsplätze wegfallen, so entstehen gleichzeitig neue Arbeitsplätze, beispielsweise zur Produktion der Maschinen.

Aufgrund der Einbindung von Technologien kann es zu Kostensenkungen in der Herstellung kommen, woraus wiederum Preissenkungen und Nachfragesteigerungen resultieren können. Die Theorien zu solchen makroökonomischen Effekten der Automatisierung sind jedoch noch kaum ausgearbeitet.

Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Studie  mit Vorsicht betrachtet werden soll, da sie auf den Beurteilungen von Experten beruht und das Potential der technologischen Neuerungen schnell überschätzt wird.

Das technische Automatisierungspotential stellt einen prinzipiellen, theoretisch ermittelten Wert dar, den man jedoch nicht mit der tatsächlichen Automatisierungsrate gleichsetzen kann.  
Wahrscheinlich ist, dass sich das Aufgabenspektrum einzelner Berufe in den nächsten Jahren verändern wird.

Die Studie könnte dazu dienen, auf Personenkreise und Berufsfelder aufmerksam zu machen, die von einer möglichen Automatisierung betroffen wären. Diese benötigen Unterstützung bei der Vorbereitung auf den Wandel, etwa in Form von Fortbildungs- oder Qualifikationsmaßnahmen. 

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