Automatisierung

Datenerfassungssystem zur Temperaturüberwachung von Drehrohröfen

11.06.2015 -

Für die Zementherstellung braucht es Drehrohr-Öfen: Kalkstein und Ton werden hier zu Klinker gebrannt. Für die Überwachung des Brennprozesses zeichnen Infrarot-Messköpfe den Temperaturverlauf des Ofenmantels auf: Keine einfache Aufgabe für die Messdatenerfassung, schließlich müssen nieder- und hochfrequenten Signale gleichermaßen detektiert werden.

Humboldt Wedag rüstet die Zementindustrie aus: Das Unternehmen bieten neben Drehrohr-Öfen und Kontrollmodulen für die Leitwarte auch externe Systeme für die Temperaturüberwachung an. Diese Systeme basieren auf Infrarot-Messköpfen, die mit einigem Abstand zum Ofen installiert werden und den Temperaturverlauf auf dem Ofenmantel aufzeichnen. Ausgewertet und visualisiert werden die Messdaten in der Leitwarte. Dort kann aufgrund des Temperaturverlaufs entschieden werden: Soll der Ofen weiter befüllt oder aufgeheizt werden? Passt die Rotationsgeschwindigkeit? Neben der Überwachung des Brennprozesses bietet das System mit seiner Temperaturüberwachung den Nutzen, Verschleiß und plötzliche Schäden am feuerfesten Mauerwerk in Inneren des Ofens zu erkennen und somit kostenintensive Schäden am Ofen selber zu vermeiden.

Unterschiedliche Frequenzen der Mess-Signale
Nun soll die Prozessgeschwindigkeit erhöht werden. Dazu hebt Humboldt Wedag die maximale Rotationsgeschwindigkeit der Drehrohröfen von bisher typischen 3 U/min auf 6 U/min an. Zudem soll die Bit-Breite, die die analogen Signale der Messköpfe nach ihrer Digitalisierung erhalten, angepasst werden und die Erfassungsrate der Messdatenauswertung soll statt 21,6 kHz 72 kHz betragen.

Jetzt drehen die Öfen mit einer maximalen Geschwindigkeit von 6 U/min und haben zu Prozessbeginn in der Aufwärmphase lange Rotationsperioden von bis zu zwölf Minuten. Da die Messdaten über die Dauer der gesamten Ofenrotation erfasst und erst danach ausgewertet werden, muss das System gleichzeitig ein Signal auswerten, dessen Pulsgeschwindigkeit der Rotationsgeschwindigkeit des Ofens entspricht. Die Pulsfrequenz dieses Signals liegt zwischen 1 und 100 mHz, wobei die Pulsbreite im Verhältnis zur Periodendauer extrem schmal ist (< 1 %). Das System zur Erfassung, Auswertung und grafischen Aufbereitung der generierten Messdaten muss also in der Lage sein, sowohl die mit 72 kHz erzeugten Messdaten als auch den mit einer Frequenz unterhalb von 1 Hz erzeugten Ofenumlaufimpuls zu erfassen, die Daten miteinander zu korrelieren und folgerichtig auszuwerten.

Anforderungen an das Messsystem
Daher fordert Humboldt Wedag eine Hardware, die in Abhängigkeit von einem hochfrequenten Triggersignal jeweils einen analogen Messwert von bis zu zwei Messköpfen abrufen und mit hoher Geschwindigkeit und einer Bitbreite von 12 Bit digitalisieren und weiterreichen kann. Parallel zu dieser hochfrequenten Erfassung muss das System auf das niederfrequente Signal getriggert werden können, das die Auswertung der zu einer Ofenumdrehung gehörenden Informationen auslöst. Zusätzlich muss das System über ausreichende Speicherkapazität verfügen, um die während einer Ofenrotation erzeugten Daten solange zu puffern, bis das Ende einer Ofenumdrehung signalisiert wird. Bei einer Datenrate von 72 kHz und einer minimalen Rotationsgeschwindigkeit von zwölf Minuten müssen trotz Komprimierung redundanter Informationen etliche Megabyte an Daten gepuffert werden.

Es wird also ein System benötigt, das einerseits über eine ausreichend große Summenabtastrate verfügt, um die Mess-Signale mit einer Frequenz von 72 kHz digitalisieren zu können, andererseits muss das System unabhängig voneinander zu taktende Eingänge besitzen, damit Signale, deren Frequenzen sowohl unterhalb von 1 Hz als auch im Bereich von vielen kHz liegen, parallel ausgewertet werden können. Um die unabhängige Triggerung für einen großen Frequenzbereich realisieren zu können, wählte die Noffz ComputerTechnik für seinen Kunden Humboldt Wedag ein FPGA-System von National Instruments. Um den Entwicklungsaufwand für die Trägerplatine des FPGA-Systems so gering wie möglich zu halten, wählten die Messtechnik-Spezialisten das Embedded-System sbRio-9633 mit analogen und digitalen IOs. Dieses Board stellt sowohl analoge als auch digitale Eingänge des FPGAs zur Verfügung und macht weitere Signalwandlungen auf dem sbRio-Trägerboard überflüssig. Zusätzlich verfügt es über ein RealTime (RT)-System, sodass die erfassten Messdaten auch mit ausreichender Geschwindigkeit und vor allem deterministisch aufbereitet, ausgewertet und an den HostPC beziehungsweise die Leitwarte übergeben werden können.

Echtzeitauswertung trotz großer Datenmengen
Das sbRio-9633-Board bildet das hardwareseitige Kernstück innerhalb des Temperaturüberwachungssystems. Es erfasst die analogen Messdaten von bis zu zwei Messköpfen, wandelt diese in ein digitales 12-Bit-Signal um und übergibt die Messwerte an das RT-System. Das Digitalisieren der Werte sowie ihre Übergabe an das RT-System werden durch zwei unabhängige digitale Eingänge getriggert, deren Signale mit sehr unterschiedlichen Frequenzen und Puls-Pause-Verhältnissen auftreten. Die Software, die die Erfassung und Auswertung der Messdaten steuert, realisierte Noffz vollständig in LabView2011 SP1. Das integrierte RT-System führt eine Echtzeitauswertung der bei langsamen Drehgeschwindigkeiten auftretenden großen Datenmengen aus und leitet die aufbereiteten Daten an das Hostsystem weiter. Dieses bereitet die Daten grafisch auf und visualisiert die Temperaturverläufe auf dem Ofenmantel in unterschiedlichen Ansichten.

Zusammenfassung und Ausblick
Auf Basis des sbRio-9633 konnte Noffz ein robustes und zuverlässiges Datenerfassungssystem für die Temperaturüberwachung von Drehrohröfen implementieren. Das RT-System erlaubt die Auswertung und Aufbereitung der Messdaten mit der erforderlichen Prozessgeschwindigkeit, sodass allein die grafische Darstellung und Messdatenspeicherung auf einem weniger geschwindigkeitsoptimierten Windows-Host-System erfolgen kann. Da die weltweite Nachfrage an Drehrohrofensystemen, vor allem in Russland und Indien, stetig zunimmt, wird das neue Überwachungssystem schnell in Zementwerken Verbreitung finden. Um gut in die Leitwarten der einzelnen Werke integriert werden zu können, wird Humboldt Wedag das Überwachungssystem mit zahlreichen Zusatzmodulen ausstatten, die den Zugriff auf die Messwerte und den Systemstatus ermöglichen – beispielsweise über OPC.


 

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