Automatisierung

Brückenmonitoring mit hochsensiblen Sensoren

02.11.2022 - Hochpräzise Messdaten erleichtern das Erkennen von Veränderungen an der Bauwerksstruktur

Jahrzehntelang haben sich in der Leverkusener Rheinbrücke ­unbemerkt Risse gebildet – die Folge sind Baustellen und Verkehrsbehinderungen. Hochgenaue Sensoren könnten ein solches Szenario künftig verhindern, indem sie Veränderungen an der Bauwerksstruktur schon im Frühstadium erkennen und in Echtzeit melden. 

Von den rund 28.000 Autobahnbrücken in Deutschland sind nach Schätzungen von Experten zwischen 2.000 und 3.000 dringend sanierungsbedürftig. Der Zustand vieler Bauwerke hat sich über die Jahre verschlechtert – unter anderem auch deshalb, weil sie ursprünglich für weit weniger Fahrzeuge ausgelegt wurden. Die Leverkusener Rheinbrücke ist ein gutes Beispiel: Als sie 1965 eröffnet wurde, rechnete man mit einem Verkehrsaufkommen von 40.000 Pkws pro Tag, tatsächlich sind es inzwischen 120.000.

Da Brücken bisher nur einmal im Jahr umfassend geprüft werden, fallen schwerwiegendere Schäden oft erst spät auf. In der Regel sind dann sofort tiefgreifende Maßnahmen wie ein Tempolimit und eine Sperrung der Brücke für Lkws nötig. Dadurch entstehen umfangreiche Verkehrsbehinderungen und der Ausweichverkehr belastet weitere Straßen, die für die große Anzahl an Fahrzeugen gar nicht ausgelegt sind. Sie verschleißen dann schneller als geplant.

Beschleunigungssensor liefert Messdaten über digitale Schnittstelle 

Um die Gefahr durch marode Brücken zu verringern, werden in anderen europäischen Ländern bereits Monitoring-Lösungen für eine kontinuierliche Überwachung prototypenhaft umgesetzt und getestet. In diesem Zusammenhang entwickelte ASC einen Beschleunigungssensor, der über eine digitale Schnittstelle höchstpräzise Messdaten zur Weiterverarbeitung bereitstellt. Mit Hilfe dieser Sensortechnologie werden Kommunen in die Lage versetzt, nach dem Plug & Play-Prinzip ihre Brücken selbst zu überwachen und erst bei Bedarf einen Experten zu Hilfe zu holen. Somit wird ein engmaschiges und dauerhaftes Monitoring ermöglicht, ohne dass damit der personelle und finanzielle Aufwand zu hoch ist.

Sensoren überwachen längste Seebrücke der Welt

Hochgenaue Inertialsensoren von ASC kommen auch weltweit an zahlreichen Brücken zum Einsatz. In Asien erfassen triaxiale kapazitive Beschleunigungssensoren vom Typ ASC CS-1611LN die Schwingungen an der Hong Kong – Zhuhai – Macau-Bridge, der mit 55 Kilometern längsten Seebrücke der Welt. Die Sensoren unterstützen die Behörden dabei, Auswirkungen von Seebeben, Gezeiten oder Schiffskollisionen auf die Brücke zu erfassen und die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen.

Inertialsensoren als Alternative zu Geophonen 

ASC entwickelt seit über 15 Jahren Inertialsensoren auf MEMS-Basis, die hauptsächlich im Test- und Measurement-Umfeld eingesetzt wurden. Mit der EQ-Serie ist es nun möglich, sehr niedrige Frequenzen mit hoher Qualität zu analysieren, da das Sensorrauschen sehr gering und damit eine Amplitudenauflösung <1 µg erreichbar ist. Diese Sensorserie ist daher vor allem für den Einsatz im Structural-Health-Monitoring von Gebäuden geeignet. Bisher war dieses Anwendungsgebiet hauptsächlich Geophonen vorbehalten, da herkömmliche Sensoren auf MEMS-Basis ein zu starkes Rauschen aufwiesen. In einem Feldtest wollte man deshalb herausfinden, ob es sich bei der EQ-Serie ebenso verhält. In Zusammenarbeit mit einem Ingenieurbüro aus der Bauwerktechnik verglich man die Sensoren mit Geophonen. Es wurden typische Messungen parallel durchgeführt, aufgezeichnet und ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass die Messungen nahezu identisch waren und die EQ-Serie eine ernsthafte Alternative zu Geophonen ist.
Auf Basis der EQ-Serie mit analogem Ausgang entwickelten die Ingenieure dann einen digitalen Sensor mit integrierter Datenerfassung und Auswertung. Die Sensorserie ASC DiSens EQ ist dafür ausgelegt, Signale im niedrigen Frequenzbereich zu erfassen. Die 3 dB-Frequenz des internen Anti-Aliasing-Filter liegt bei 80 Hz, die Sampling Rate ist von rund 20 Hz bis 10 kHz einstellbar, wobei in diesem Anwendungsfall 500 Hz verwendet werden. Die Datenkonvertierung von gemessener Spannung in Beschleunigung erfolgt bereits im Sensor, sodass die übertragenen Messwerte schon in der Einheit g oder m/s² vorliegen. Die Sensoranbindung für die Rohdatenübertragung erfolgt entweder per USB oder CAN-Bus.

Die Sensorserie ASC DiSens EQ vereint Sensorik und Datenerfassung in einem Gehäuse. Mit der Sensorserie AiSys EQ geht der Hersteller noch einen Schritt weiter und bringt Auswertealgorithmen ebenfalls auf den Sensor. So ist es zum Beispiel möglich, eine komplette Schwingungsanalyse bereits auf dem Sensor durchzuführen. Das bedeutet, der Sensor berechnet neben dem Frequenzspektrum auch die Schwingungsgeschwindigkeit und -amplituden. Mit Hilfe von Monitoring-Funktionen, die ebenfalls auf dem Sensor durchgeführt werden, können beim Über- oder Unterschreiten von Grenzwerten Alarmfunktionen ausgelöst werden.

Intelligente Sensoren verarbeiten die Daten selbst

Aufgrund ihres modularen Konzeptes sind die smarten Sensorsysteme AiSys vor allem für das Structural-Health-Monitoring (SHM) geeignet. Die smarten Sensorsysteme bestehen zum einen aus hochwertigen Komponenten bezüglich der Auflösung sowie der Frequenz- und Messbereiche. Zum anderen aus einer individuell konfigurierten Datenverarbeitung: ASC legt gemeinsam mit den Kunden fest, welche Merkmale die intelligenten Sensoren aus den Messdaten extrahieren beziehungsweise auswerten sollen. Die Rechenleistung der smarten Sensorsysteme kann vom Anwender zudem frei genutzt werden, um die voreingestellten Auswertealgorithmen für die Merkmalsextraktion flexibel an seine Bedürfnisse anzupassen.

Basis für Monitoring und Simulationen

Anders als die analogen und digitalen Inertialsensoren von ASC senden die smarten Sensorsysteme AiSys bei Bedarf lediglich ein Statussignal. Der Anwender muss deshalb keine Zeit in die Datenauswertung investieren und kann sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Die hohen Datenmengen, die von den smarten Sensorsystemen erfasst werden, sind sowohl für das Monitoring wertvoll als auch eine gute Grundlage für das Building Information Modeling (BIM). Mit dieser Bauwerksdatenmodellierung kann anhand der Daten einer realen Brücke ein Digitaler Zwilling modelliert werden. An diesem virtuellen Modell testet man dann, wie sich unterschiedliche Witterungs- und Umgebungsbedingungen mittel- und langfristig auf die Bauwerksstruktur auswirken. So können neue Brücken optimal geplant und an ihre Umgebung angepasst werden.

Autor
Robert Diemer, Technischer Direktor

Kontakt

ASC GmbH

Ledererstr. 10
85276 Pfaffenhofen
Deutschland

+49 8441 786547 0
+49 84 41 786547 9

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