Bildverarbeitung sorgt für eine effizientere Intralogistik
24.04.2024 - Lagerautomatisierung mit anwenderfreundlichen Logistiklösungen
Das Lager der Zukunft wird auf die Integration und Optimierung von Logistikfunktionen bauen, welche schrittweise verbessert werden und die Fähigkeit erhalten, in jedem Bereich, vom Wareneingang bis zum Versand, Daten zu sammeln und auszuwerten. Die industrielle Bildverarbeitung wird dabei eine wichtige Rolle spielen.
Die Covid-19-Pandemie hat einen weltweiten Anstieg des elektronischen Handels ausgelöst: Große Akteure aus diesem Bereich berichten von einem Anstieg des Volumens um bis zu 70 Prozent zwischen 2020 und 2022. Dieser drastische Zuwachs hat dazu geführt, dass Logistiklager bis zur Belastungsgrenze beansprucht wurden, um die hohe Anzahl an Bestellungen zu bewältigen. Auch der gestiegene Anspruch der Konsument*innen in Bezug auf Verfügbarkeit, Erschwinglichkeit und Schnelligkeit brachte Unternehmen dazu, nach Möglichkeiten zu suchen, um die Durchsätze zu erhöhen, ohne die Genauigkeit zu beeinträchtigen.
Die Logistikbranche ist traditionell sehr gut darin, Volumenspitzen zu bewältigen: Sie meistert Ereignisse wie Weihnachten, Ostern oder Black Friday mit Leichtigkeit. Die Strategien zur Bewältigung solcher hohen Auslastungen sind jedoch nicht immer die nachhaltigsten. Oftmals wird mehr Zeitpersonal eingesetzt oder in zusätzliche Intralogistiksysteme investiert, die dann außerhalb dieser Spitzenzeiten ungenutzt bleiben. Für die Logistik ist es an der Zeit, nachhaltigere Lösungen zu finden. Doch wie lässt sich der Automatisierungsgrad von Lagern erhöhen, ohne bestehende Anlagen abzureißen und von Grund auf neu aufzubauen?
Zusätzliche Infrastruktur aufbauen oder vorhandene optimieren?
Damit ein Unternehmen länger als ein paar Tage mit einer höheren Kapazität arbeiten kann, muss es seine bestehenden Systeme und Prozesse analysieren, um die Schwachstellen zu verstehen und systematisch zu beseitigen. Es gibt zwei grundsätzliche Möglichkeiten, wie ein Lager einen höheren Durchsatz verarbeiten kann als ursprünglich vorgesehen: entweder durch Investitionen in zusätzliche Infrastrukturkapazitäten oder die Optimierung vorhandener Anlagen. Letzteres ist in der Regel die kostengünstigste Option, wird aber oft durch Faktoren wie den verfügbaren Platz begrenzt. Die einfachsten Möglichkeiten zur Steigerung der Fördergeschwindigkeit von Kisten, Paketen, Päckchen und Kartons bestehen darin, die Sendungen auf dem Förderband näher beieinander zu platzieren, die Bandgeschwindigkeit zu erhöhen oder beides. Die vorhandenen Scantechnologien haben dann jedoch oft Schwierigkeiten damit, Sendungen bei Geschwindigkeiten, für die sie nicht ausgelegt sind, zuverlässig zu lesen.
Branchenexpert*innen sagen voraus, dass das Lager der Zukunft kohlenstofffrei, sicher, schnell, digital, flexibel, widerstandsfähig und präzise arbeiten wird. Aber in welchem Tempo werden wir diese Utopie realisieren? Piers Quarry, Strategic Manager, Project Solutions Team beim Bildverarbeitungs-Anbieter Cognex, glaubt, dass es eine Evolution, keine Revolution sein wird: „Wir können dies erreichen, indem wir bestehende Prozesse an jeder Stelle verbessern, anstatt sie komplett neu zu erschaffen. Es ist möglich, die bestehende Infrastruktur so zu optimieren, dass sie den gestiegenen Anforderungen an das Lager der Zukunft gerecht wird, und sie kosteneffizient, zukunftssicher, robust, intelligent und vorausschauend zu gestalten.“
Scantore oder -tunnel werden weiterentwickelt
Bildverarbeitungslösungen wie Barcode-Lesetunnel sind ein wichtiger Bestandteil des modernen Lagers. Sie ermöglichen es, große Mengen an Waren mit hoher Geschwindigkeit und nahezu 100-prozentiger Genauigkeit zu identifizieren und weiterzuleiten. Die Logistikbranche ist bestrebt, einen höheren Durchsatz zu erzielen, ohne Abstriche bei der Genauigkeit zu machen. Obwohl sich die Scantechnologien ständig weiterentwickeln, können schlecht gedruckte, zerrissene oder anderweitig beschädigte Etiketten und Barcodes dabei ein Hindernis sein. Ein falsch gelesener Barcode auf einem Artikel, der einen Scantunnel durchläuft, führt unweigerlich dazu, dass dieser Artikel erneut manuell gescannt werden muss. In Zeiten des Arbeitskräftemangels ist dies ein Problem.
Eine Lösung zur Verringerung und Beseitigung von Lesefehlern liegt in Bildverarbeitungs-Hardware und -beleuchtung, die mit jeder neuen Version besser dekodiert. Die neuesten Kameras erreichen eine deutlich höhere Verarbeitungsleistung und ermöglichen mehrere Aufnahmen eines einzelnen Strichcodes, während sich dieser durch das Sichtfeld bewegt. So hat die Software mehrere Möglichkeiten, die Daten korrekt auszuwerten. „Diese Mehrfachaufnahmen ermöglichen es uns, mehr Symbologien und Winkel mit einer höheren Auflösung zu betrachten“, fügt Quarry hinzu. „Wir sehen eine zunehmend bessere Leistung bei glänzenden Materialien, ungeraden Winkeln und leicht zerknitterten Etiketten, die früher oft falsch gelesen wurden.“
Die neueste Generation der kamerabasierten Scan-Technologie zeichnet sich durch die steilsten Kamerawinkel aus, die es je gab, um eng beieinander liegende Packstücke auf einem Förderband zuverlässig zu scannen. In Kombination mit einer (3D-Vision-)Technologie für eine präzise Barcode-Zuordnung können die Barcodes zweier eng beieinander liegender Pakete sehr genau dem richtigen Paket zugeordnet werden, was Fehllesungen reduziert und den Durchsatz erhöht. Darüber hinaus liefert die Identifikation der richtigen Seite des Pakets zusätzliche Daten, die das System intelligenter machen. „Wir bemühen uns um möglichst steile Kamerawinkel, um zwischen den Artikeln nach unten zu schauen und so einen höheren Durchsatz zu erreichen“, sagt Quarry.
Software hilft dabei, Ausfallzeiten in der Logistik verringern
Manager von Logistikeinrichtungen fürchten jede Unterbrechung ihres Betriebs. Ausfallzeiten können zu Verspätungen, verpassten Terminen und unzufriedenen Kunden führen und sich vor allem negativ auf den Gewinn auswirken. Daher suchen Systemintegratoren und Intralogistikanbieter zunehmend nach Lösungen, die in kürzester Zeit installiert, eingerichtet und in Betrieb genommen werden können. Genau hier kann Edge Intelligence eine entscheidende Rolle spielen.
Edge Intelligence ist eine Software-Plattform, die für alle Bildverarbeitungs- und Barcode-Lesesysteme von Cognex entwickelt wurde. Sie liefert nicht nur die Daten aus dem Gerät, sondern hilft auch bei der Einrichtung des Geräts selbst. Mit der Software erfordert der Einsatz eines fünf- oder sechsseitigen Tunnels keine besonderen Fähigkeiten oder Schulungen. Eine Kalibrierungsbox wird in der Mitte eines Tunnels aufgestellt, um seine Konfiguration zu erkennen, und alle korrekten Einstellungen werden an das System weitergeleitet. Anschließend wird eine Box zur Kontrolle durch den Tunnel gefahren, um zu überprüfen, ob alle Einstellungen korrekt sind. Im Anschluss daran kann der Betrieb sofort aufgenommen werden.
Quarry fügt hinzu: „Früher dauerte die Errichtung eines Tunnels mit fünf oder sechs Seiten eine Woche. Heute sagen wir unseren Kunden, dass wir das in drei Tagen schaffen können. Meist sind solche Anlagen jedoch bereits in ein bis zwei Tagen einsatzbereit.“
Ergonomie steigert die Produktivität
Lagerbetreiber müssen einen Balanceakt vollziehen; es reicht nicht aus, Rentabilität, Effizienz und Genauigkeit in den Vordergrund zu stellen, ohne dabei wichtige Bereiche wie die Sicherheit und das Wohlergehen der Arbeitskräfte zu berücksichtigen.
Studien haben gezeigt, dass ein Lagerarbeiter, der sich wiederholt beugen, strecken und drehen muss, um Pakete zu handhaben und die aufgebrachten Codes mit einem Handscanner zu lesen, chronische Muskel-Skelett-Probleme bekommen kann, insbesondere im Bereich der Handgelenke. Außerdem sind übermüdete Arbeitskräfte unproduktiv. Cognex führt derzeit einen Versuch mit einem großen globalen Paketdienstleister durch, um dessen Handscanner durch festmontierte, freihändig bedienbare Lesegeräte zu ersetzen, und zwar an der Stelle, an der die Pakete von einer Rutsche genommen und vor dem Weitertransport per Luftfracht in die dort gängigen Unit Load Devices geladen werden. So können die Mitarbeiter*innen die Pakete einfach handhaben, ohne einen Barcode-Scanner in die Hand nehmen zu müssen. „Es ist nicht nur wesentlich gesünder für sie, in einer ergonomischen Position zu sitzen oder zu stehen, sondern der Paketdienstleister meldete auch eine erhebliche Steigerung des Durchsatzes“, sagt Quarry. „Der ROI ist für den Kunden sehr attraktiv, was zusammen mit dem verbesserten Wohlbefinden seiner Arbeitskräfte eine Win-Win-Situation ist.“
Einfache Lösungen für weniger intensive Tätigkeiten
Logistikzentren mit hohem Durchsatz liegen oftmals an strategisch günstigen Verkehrsknotenpunkten. Sie verfügen über mehrere Scantunnel, um Waren in atemberaubender Geschwindigkeit zu kategorisieren, und profitieren am meisten von der schrittweisen Leistungssteigerung der Scantechnologien. Aber auch viele kleinere Unternehmen können ihre Logistikfunktionen durch den Einsatz einiger der einfacheren Scantechnologien erheblich optimieren.
Selbst die Lösungen zum freihändigen Scannen von Barcodes, von denen viele „Plug&Play“ sind, bieten viele Funktionen: Sie verfügen über eine leistungsfähige Beleuchtunge, unterschiedliche Modelle für eine Vielzahl von Sichtfeldern und weitere Vorteile wie einen beweglichen Spiegelaufsatz (steuerbarer Hochgeschwindigkeitsspiegel, HSSM) zur Erweiterung des Sichtfelds. Diese Lösungen eignen sich für Unternehmen jeder Form und Größe.
Bisher waren für das Scannen von Paletten, die Aggregation und das Scannen großer Flächen teure, hochauflösende PC-Vision-Systeme oder mindestens zwei Smartkameras erforderlich, um die große Anzahl und die Vielfalt der Barcodes zu lesen. Jetzt bietet Cognex mit dem HSSM in Kombination mit einem fest montierten Barcodeleser eine kostengünstige Lösung für Anwendungen mit großem Sichtfeld.
Die Einfachheit dieser Scanlösungen macht sie für zahlreiche Branchen attraktiv. Überall dort, wo Abwicklungsaufgaben wie Verpackung und Etikettierung durchgeführt werden und Geschwindigkeit und Effizienz entscheidend sind, werden sie immer häufiger eingesetzt.
Bildverarbeitung als Schlüssel zu mehr Lagereffizienz
Das Lager der Zukunft wird auf die Integration und Optimierung von Logistikfunktionen bauen, welche schrittweise verbessert werden und die Fähigkeit erhalten, vom Wareneingang bis zum Versand Daten zu sammeln und auszuwerten. Die industrielle Bildverarbeitung wird dabei eine wichtige Rolle spielen, denn jeder Engpass im System hat Auswirkungen auf die Effizienz des gesamten Betriebs.
„Bildverarbeitung in der Logistik ist für uns ein äußerst spannendes Feld“, sagt Quarry. „Cognex hat sich in der Logistik bisher stark auf Barcode-Lesegeräte konzentriert. Aber eigentlich geht es uns um die Nutzung von Bildverarbeitung für verschiedene Anwendungen in unterschiedlichen Branchen. Deshalb entwickeln wir kontinuierlich neue Lösungen für gängige Logistikanwendungen, um diesen hochmodernen Sektor zu optimieren.“
Autor
Peter McLeod, Freiberuflicher Autor