Bereit für Wasserstoff!
08.07.2024 - Sensorik und Messtechnik für die Wasserstoff-Infrastruktur
Erneuerbare Energien sollen fossile Brennstoffe ablösen. Da Wasserstoff bei der nachhaltigen Umgestaltung der Energieversorgung eine wichtige Rolle spielt, bereiten sich Automatisierer entsprechend vor und passen ihr Produktportfolio an.
Die Europäische Kommission hat mit der Zielsetzung des europäischen Green Deals die Maßgabe gesetzt, bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr auszustoßen. Europa soll damit der erste klimaneutrale Kontinent werden. Der Ausbau der erneuerbaren Energien steht in direktem Zusammenhang mit dem Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Um den angestrebten klimaneutralen grünen Wasserstoff zu erzeugen, muss die dafür benötigte elektrische Energie aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Brückentechnologien zur Erzeugung von Wasserstoff werden für den Hochlauf notwendig sein. Deutschland formuliert in der „Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie“ die EU-Wasserstoffstrategie für sich aus – ebenso weitere europäische Länder. Beispielsweise Frankreich im Rahmen des Plans „France 2030“. Die Europäische Kommission hat die Senkung der Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 als Zielmarke gesetzt.
Die Bedeutung von Wasserstoff für die Energiewende
Wasserstoff spielt aus mehreren Gründen eine entscheidende Rolle in der Energiewende. Es handelt sich um einen vielseitigen Energieträger, der sauber erzeugt werden kann und der bei der Verbrennung oder Nutzung in Brennstoffzellen nur Wasser als Nebenprodukt hinterlässt. Das macht ihn zu einer attraktiven Alternative zu fossilen Brennstoffen und trägt zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen bei.
Ein weiterer Grund für die Bedeutung von Wasserstoff liegt in seiner Speicherfähigkeit. Er kann als Langzeitspeicher für Energie dienen, idealerweise für überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Durch Elektrolyse kann Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten werden, wobei der erzeugte Wasserstoff gespeichert und später bei Bedarf wieder in Strom oder Wärme umgewandelt werden kann.
Zudem bietet Wasserstoff die Möglichkeit, Sektoren zu dekarbonisieren, die schwer elektrifizierbar sind – beispielsweise den Schwerlastverkehr, die Schifffahrt, die Luftfahrt und die Stahlherstellung. Mit der Nutzung von Wasserstoff als Energiequelle können diese Branchen ihre Emissionen reduzieren und damit zum Ziel der Klimaneutralität beitragen. Erfolgsfaktoren für die Wasserstoffwirtschaft sind weitere Fortschritte in der Technologie, wettbewerbsfähige Kosten, eine verbesserte Infrastruktur für die Herstellung, Speicherung und Verteilung von Wasserstoff sowie eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen.
Technische Anforderungen
Der Einsatz von Wasserstoff als Energieträger bringt spezifische Materialanforderungen mit sich, die eine zentrale Rolle für die Sicherheit, Effizienz und Langlebigkeit der Systeme spielen. Da Wasserstoff bei hohem Druck und in manchen Fällen auch bei hohen Temperaturen gehandhabt wird, sind Materialien erforderlich, die diesen Bedingungen standhalten können. Wasserstoff kann in bestimmte Materialien eindringen und deren Struktur verändern, was zu Rissen und Brüchen führen kann. Deshalb sind spezielle Legierungen oder Beschichtungen notwendig, um die Wasserstoffaufnahme zu reduzieren und die langfristige Materialbeständigkeit zu bewahren.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, spielt die Wahl passender Legierungen, Beschichtungen und Materialkombinationen eine wichtige Rolle. Innovative Herstellungsverfahren und langjährige Erfahrung mit Wasserstoff sind von Vorteil, um sicherzustellen, dass die Wasserstofftechnologien sicher, zuverlässig und effizient sind. Auch in der Peripherie von Wasserstofftechnologien sind neue Anforderungen entstanden. So ist beispielsweise für den Betrieb eines Elektrolyseurs Reinstwasser von sehr hoher Güte erforderlich. Reinstwasser wird von einem Elektrolyseur unter Einsatz elektrischer Energie zu Wasserstoff und Sauerstoff gespalten.
Überwachung von Reinstwasser im Elektrolyseur
Es gibt unterschiedliche Bauformen von Elektrolyseuren. Gemeinsam ist ihnen, dass sie als Eingangsgröße mit Reinstwasser arbeiten. Im Elektrolyseur gibt es zwei Elektroden, eine positive (Anode) und eine negative (Kathode), die in das Wasser getaucht sind. Wenn elektrischer Strom durch das Wasser geleitet wird, spaltet sich das Reinstwasser H2O an den Elektroden in seine gasförmigen Bestandteile H2 und O2 auf. Die erzeugten Gase, Sauerstoff und Wasserstoff, werden separat gesammelt. Sie können dann für verschiedene Anwendungen verwendet oder für die Speicherung weiterverarbeitet werden.
Bei PEM-Elektrolyseuren beispielsweise trennt eine Membran die Anode und die Kathode, um den Sauerstoff und Wasserstoff zu trennen, während bei alkalischen Elektrolyseuren eine Lösung als Elektrolyt dient und gleichzeitig die Ionen zwischen den Elektroden transportiert. Eine wichtige Messgröße für den Elektrolyseur ist die konstante Überwachung und Steuerung der Reinstwasser-Qualität am Eingang. Dies geschieht mittels konduktiven Leitfähigkeitsmesssonden, welche die Leitfähigkeit in µS/cm ausgeben. Die stetige Überwachung schützt nicht nur vor Beschädigung, sondern garantiert auch eine möglichst lange Haltbarkeit der Komponenten und trägt so zur Verlängerung der notwendigen Wartungsintervalle bei.
Auch Jumo verspürt eine deutliche Belebung des Geschäfts und sieht enorme Wachstumschancen im Bereich Wasserstoff. Das Unternehmen passt seine Produkte für den Einsatz im Wasserstoff an und zertifiziert diese, wo notwendig. Die vorhandenen Fertigungsanlagen sind lediglich geringfügig modifiziert worden und die notwendigen Stückzahlsteigerungen können oft aus der Produktionsreserve erreicht werden.
Der Umgang mit Wasserstoff erfordert umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen und messtechnische Expertise, sei es bei der Herstellung von Reinstwasser für die Speisung des Elektrolyseurs oder bei der Überwachung der elektrolytischen Leitfähigkeit. Digitale Druck- und Temperatursensoren von Jumo gewährleisten die Überwachung der thermodynamischen Prozesse und bieten eine sichere und zuverlässige Technik, die darüber hinaus explosionsgeschützt ist. Im Jumo-Portfolio für Wasserstoff-Anwendungen findet sich mit dem TecLine CR / DigiLine-CR-System eine zuverlässige Lösung für diese Messaufgabe. Als Entwicklungspartner für Sensor- und Automatisierungslösungen bietet der Automatisierer weiterführend – auch individuelle – Systemlösungen für kundenspezifische Elektrolyseurkonzepte an.
Gehört Wasserstoff die Zukunft?
Wasserstoff dient bereits seit Jahrzehnten als wichtiger Rohstoff in verschiedenen Industriezweigen. In der chemischen Industrie wird Wasserstoff zur Herstellung von Ammoniak, Methanol und anderen Produkten verwendet. Auch in der Ölraffinerie wird Wasserstoff für die Entschwefelung von Treibstoffen eingesetzt. Die klimaneutrale Herstellung von Wasserstoff ermöglicht die Dekarbonisierung der bereits existierenden Industriezweige und eröffnet darüber hinaus vielen weiteren Industriezweigen mit neuen Anwendungen große Chancen, das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen.
So hat die energieintensive Schwerindustrie damit begonnen, die Weichen auf Wasserstoff als Brennstoff für die Stahlproduktion zu stellen, um damit CO2-Emissionen zu reduzieren. Im Transportsektor wird Wasserstoff als Treibstoff der Zukunft für Brennstoffzellen betrachtet. Insbesondere im Schwerlastverkehr, bei Bussen und Bahnen, in der Schifffahrt und der Luftfahrt wird Wasserstoff oder eines seiner Derivate als Energiequelle vorangetrieben. Im Energieversorgungsnetz kann Wasserstoff als Langfristspeicher dienen und zum Beispiel Schwankungen in der Stromerzeugung ausgleichen oder über das Gasnetz verteilt und in Wärme umgewandelt werden.
Die möglichen Anwendungsgebiete sind zahlreich und werden an Attraktivität gewinnen mit zunehmender Verfügbarkeit von wettbewerbsfähigem grünem Wasserstoff. Ein weiteres Potential entfaltet sich bei der flächendeckenden Anwendung von Wasserstoff im Zuge der Sektorenkopplung. Wasserstoff ist das Verbindungsglied mittels sogenannter „Power-to-X“-Technologien.
Autor
Rainer Moritz, Branchenmanager Erneuerbare Energien
Kontakt
Jumo GmbH & Co. KG
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