Bei Tag und Nacht ernten
23.10.2024 - Time-of-Flight-Technologie ermöglicht automatisierte Traubenernte
Der Einsatz von Obstvollerntern bei der Weinlese haben klare Vorteile: Die Arbeit lässt sich vergleichsweise schnell und - bei Bedarf - auch nachts erledigen. In seinen High-Tech-Maschinen setzt ein französischer Hersteller deshalb 3D-Kamera-Sensoren ein, die mittels Time-of-Flight-Technologie die Rebzeilen präzise erfassen. So ist eine selbstständige Linienführung möglich, die eine Genauigkeit von 3 Zentimetern aufweist – ohne dabei Satelliten-Signale zu verwenden.
Nicht zu Unrecht kennt der Volksmund das Sprichwort „In vino veritas“ – im Wein liegt die Wahrheit. Eine Wahrheit über Wein ist zum Beispiel, dass die Trauben zunächst geerntet werden müssen, damit es überhaupt zu Wein kommen kann. Und die Frage des technologischen Fortschritts ist: automatisch oder per Hand?
Das romantische Bild der Traubenernte, das in Filmen gerne erzählt wird und vermutlich den ein oder anderen Hollywoodstar zu einem eigenen Weingut verleitet hat, sieht in der Realität anders aus. Die Weinlese bedeutet in erster Linie viel Arbeit, die in kurzer Zeit erledigt werden muss. Das wissen auch die rund 80.000 Winzer, die in Deutschland auf mehr als 100.000 Hektar Wein anbauen. Viele von ihnen setzen deshalb auf moderne Erntemaschinen, sogenannte Traubenvollernter. In 3 bis 5 Stunden ist auf diese Weise ein Hektar erfolgreich abgeerntet. Um das gleiche Ergebnis zu erzielen, müssen bei einer Traubenlese von Hand im Vergleich dazu rund 40 bis 60 Arbeiter eingesetzt werden.
Automatische Traubenvollernter
Ein Hersteller von Traubenvollerntern ist die französische Firma Grégoire. Optional lassen sich die High-Tech-Maschinen mit einem System zur automatischen Linienführung ausstatten, dem System EasyPilot. Es weist eine Genauigkeit von 3 Zentimetern auf, und das ohne die Verwendung von Satelliten-Signalen. Die Rebzeile wird durch einen 3D-Kamera-Sensor vom Typ O3M von Ifm erfasst. Dieser misst für jeden einzelnen Bildpunkt mittels Time-of-Flight-Technologie die Entfernung zur nächsten Oberfläche und erfasst so die generelle Beschaffenheit der Reben. Damit können Fehler durch seitliche Weinranken oder hohe Gräser ausgeschlossen werden.
Während der Traubenvollernter über die Reben fährt, bildet er einen Tunnel unter dem Führerhaus. In diesem Tunnel befinden sich Glasfiberstäbe, die Vibrationen erzeugen. Im Tunnel wird die Rebreihe gerüttelt, was das Abfallen der Trauben bewirkt. Die Trauben fallen auf ein Förderband und werden in einem Auffangbehälter gesammelt. Ein Ventilator bläst unerwünschte Elemente wie Blätter und Ästchen weg. Gleichzeitig befindet sich ein weiterer 3D-Sensor oben mittig an der Fahrerkabine des Traubenvollernters. Dieser ist auf den Boden gerichtet und bestimmt die Höhe und Dicke der Anbindungen. Nach der Signalverarbeitung wird eine virtuelle Führungsspur generiert, welche die Rebzeile als Modell darstellt. Auf dieser Grundlage wird die optimale Route berechnet.
Wenn sich die Maschine in der Rebzeile befindet, startet der Fahrer den EasyPilot über den Bildschirm, der sich in der Fahrerkabine befindet. Nach dem Starten des Systems muss der Fahrer lediglich die Arbeitsgeschwindigkeit und die Überwachung der Werkzeuge im Auge behalten, den Rest erledigt das System automatisch. Am Ende der Rebzeile melden ein visuelles und akustisches Signal dem Fahrer, dass er kurz selbst Hand anlegen muss, um den Traubenvollernter zu wenden und in die nächste Rebzeile zu steuern.
Zahlreiche Vorteile
Früher wurde der Zeitpunkt der Weinlese von der Regierung festgelegt, heute treffen die Winzer ihre Entscheidung selbstständig. Wenn es nach dem Traubenvollernter von Gregoire geht, können Weintrauben jederzeit geerntet werden, auch bei Nacht. Neben des Verzichts auf eine GPS-Verbindung bietet das System weitere Vorteile: eine präzise Linienführung in unebenen Parzellen, eine erhöhte Qualität der Weinlese (verbesserte Dichtigkeit, geringerer Verlust, Erhalt der Rebstöcke) sowie eine erhöhte Gleichmäßigkeit der Prozesse außerhalb der Weinlese (Zerstäubung, Laubschnitt...). Der Hersteller Grégoire hat für sein automatisches Linienführungssystem EasyPilot, basierend auf O3M-Sensoren von Ifm, den Innovations-Award gewonnen. Er ist bei den aktuellen G7- und G8-Modellen optional erhältlich. Das System kann auch bei den meisten Vorgängermodellen, welche mit einem Richtungssensor ausgestattet sind, nachgerüstet werden.
Einsatz von Neigungssensorik
Eine entscheidende Aufgabe übernehmen die an der Maschine verbauten Neigungssensoren. Sie sorgen dafür, dass stets eine lotrechte Ausrichtung der Maschinen sichergestellt wird – egal, wie sich der Hang neigt oder das Gelände verändert. Erst die stets perfekte Nivellierung des Traubenvollernters, unabhängig vom jeweiligen Gelände, macht es möglich, eine volle Durchsatzleistung zu erzielen und die Sicherheit des Benutzers zu gewährleisten. Außerdem kann die Maschine etwas schneller gefahren und somit wertvolle Arbeitszeit eingespart werden. Die verwendeten einachsigen Neigungssensoren vom Typ EC2045 verfügen über eine CANopen-Schnittstelle, die eine einfache Einbindung an die Maschinensteuerung gewährleistet.
Fazit
Grégoire zeigt, dass sich traditioneller Weinanbau und modern ausgestatte Erntemaschinen gut ergänzen. Der EasyPilot mit seiner 3D-Kamera sorgt für eine optimale und schonende Linienführung. So wird sichergestellt, dass keine Traube für die Herstellung verloren geht.
Autor
Andreas Biniasch, Redakteur bei Ifm