Automatisierung und IBV durch Standards integrieren
05.12.2019 -
Die Prozessautomatisierung und die industrielle Bildverarbeitung waren bisher zwei komplett voneinander getrennte Welten. Neue Technologie- und Produktionstrends wie Industrie 4.0 erfordern jedoch mehr Durchgängigkeit und Vernetzung in den industriellen Wertschöpfungsketten. Gemeinsame Normen und Standards wie etwa OPC UA sorgen nun für eine nahtlose Integration und bessere Interoperabilität zwischen beiden Systemwelten.
Die Automatisierung von industriellen Fertigungs- und Inspektionsprozessen blickt bereits auf eine längere Geschichte zurück. Entsprechende Technologien werden seit den 1960er und 1970er Jahren eingesetzt und kontinuierlich weiterentwickelt. Gearbeitet wird dabei mit Steuerungs- und Sensorsystemen, die sich im Laufe der Zeit etabliert und bewährt haben. Zum Einsatz kommen meist proprietäre, schwer integrierbare Applikationen, die für verschiedene Anwendungsfälle immer wieder neu programmiert und mit veränderten Schnittstellen versehen werden müssen. Im Rahmen der Automatisierung bildet die speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) das Herz der maschinellen Fertigungsprozesse. Über Jahrzehnte hinweg wurden hier proprietäre Protokolle wie beispielsweise EtherCAT, Profinet/Profibus oder EtherNet/IP entwickelt. Die Vielfalt an Standards lässt meist keine direkte durchgängige Kommunikation zwischen den verschiedenen Komponenten zu.
Die industrielle Bildverarbeitung (Machine Vision) hingegen ist eine vergleichsweise junge Inspektions- und Identifikationstechnologie, die sich sehr dynamisch verändert und weiterentwickelt. Schnittstellen zur SPS und anderen Automatisierungstechnologien gab es bisher kaum. So führten die beiden Systemwelten bislang ein weitgehend voneinander getrenntes Leben. Die Industrie 4.0 stellt jedoch ganz neue Anforderungen an vernetzte Produktions- und Prüfprozesse. Sämtliche Akteure der digitalen Fertigung wie Maschinen, Collaborative Robots (Cobots) oder automatisierte Handling- und Transfersysteme müssen durchgängig miteinander kommunizieren, Daten austauschen und zusammenarbeiten. Erforderlich hierfür sind gemeinsame Normen und Standards.
OPC UA für durchgängigen, plattform-übergreifenden Datenaustausch
Die industrielle Bildverarbeitung hat mittlerweile einen hohen Grad an Standardisierung erreicht. Wegweisend hierfür ist der Standard GenICam (Generic Interface for Cameras), der im Jahr 2006 eingeführt wurde. Dieser vereinheitlicht den software-basierten Zugriff auf alle Arten von Kamera-Features, die innerhalb von Machine Vision eingesetzt werden. Alle aktuellen Kamerastandards stützen sich auf GenICam ab: vor allem GigE Vision und USB3 Vision, aber auch Highspeed-Standards wie Camera Link HS und CoaXPress. Um jedoch die Bildverarbeitung nahtlos in die Prozessautomatisierung zu integrieren, bedarf es weiterer Standards. Eine herausragende Bedeutung hierbei hat die Open Platform Communications Unified Architecture (OPC UA). Dabei handelt es sich um eine weitverbreitete Norm, die für einen durchgängigen Datenaustausch zwischen verschiedenen industriellen Komponenten sorgt – und zwar unabhängig von Hersteller, Plattform und Betriebssystem. Federführend bei der Entwicklung des Standards ist die OPC Foundation, ein internationales Gremium aus führenden Software-Anbietern und Steuerungsherstellern.
OPC UA ist also ein Framework, das eine gemeinsame Sprache für die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Systemwelten definiert. Es lässt sich für die Integration zahlreicher industrieller Anwendungen wie beispielsweise für die Robotik nutzen. Grundlage von OPC UA ist eine branchenübergreifende Basis-Spezifikation, die allgemeine Richtlinien für den Informationsaustauch beinhaltet. Darauf bauen die sogenannten Companion-Spezifikationen auf, welche die Besonderheiten bestimmter Industriezweige abdecken. Bedeutsam für die industrielle Bildverarbeitung ist „OPC UA Companion Specification for Machine Vision“ (kurz: OPC Machine Vision). Diese wurde von der OPC Vision Initiative des VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) entwickelt. Die Mvtec Software GmbH als ein etablierter Anbieter von Machine-Vision-Standardsoftware arbeitet in diesem Gremium aktiv mit und treibt dadurch die Verbreitung der Spezifikation entscheidend voran.
Semantische Beschreibung von Maschinendaten
Verglichen mit anderen Machine-to-Machine (M2M)-Kommunikationsprotokollen erlaubt OPC UA nicht nur den Transport von Informationen, sondern kann Maschinendaten wie etwa Regelgrößen, Messwerte oder Parameter semantisch beschreiben. Durch diesen Kontextbezug sind Maschinen in der Lage, die Daten selbstständig zu lesen und zu verstehen. Eines der Ziele von OPC Machine Vision besteht nun darin, dank dieser semantischen Interoperabilität die Bildverarbeitung nahtlos mit SPS-Funktionen zu verbinden. So können etwa Kameras und die SPS parallel über den gemeinsamen Standard angesprochen werden. Über alle physikalischen Layer und Feldbusse hinweg lässt sich eine einheitliche Semantik realisieren.
Einheitliche Schnittstelle zu verschiedenen Feldbus-Protokollen
Auch mit Hardware lässt sich die Integration zwischen Machine Vision und der Prozessautomatisierung vereinfachen. So bietet beispielsweise Mvtec durch die Zusammenarbeit mit Hilscher eine einheitliche Schnittstelle zu verschiedenen Feldbus-Protokollen wie Profinet oder EtherCAT. Durch die API der PC-Karten-Familie cifX von Hilscher steht ein gemeinsames Interface für sämtliche PC-Karten zur Verfügung. So kann etwa die Machine-Vision-Standardsoftware Mvtec Merlic mit allen gängigen SPS-Technologien nahtlos kommunizieren. Anwender profitieren von einer Vielzahl an Treibern, Formfaktoren und Netzwerkprotokollen, die sich mit einer leistungsstarken Bildverarbeitungssoftware nutzen lassen.
Wird die vollständige Integration von Machine Vision und Automatisierung zur Realität, muss die Erstellung anspruchsvoller Bildverarbeitungs-Applikationen einem breiteren Nutzerkreis zugänglich sein. Auch hierbei unterstützt die Software Merlic. Diese basiert auf einer bildzentrierten Benutzeroberfläche und enthält intuitiv bedienbare, nutzerfreundliche Werkzeuge, mit denen Anwender einfach und schnell professionelle Machine-Vision-Anwendungen erstellen können. Komplexe Programmiercodes, Befehlszeilen oder Parameterlisten gehören damit der Vergangenheit an. Davon profitieren beispielsweise auch Automatisierungsprofis, die über kein tiefgehendes Bildverarbeitungs- oder Programmier-Know-how verfügen.
Fazit
Durch die zunehmende Etablierung von Normen und Standards wie OPC UA werden Prozessautomatisierung und Bildverarbeitung mehr und mehr zusammenwachsen. Dies bringt zahlreiche Vorteile mit sich: So lassen sich proprietäre Schnittstellen auf Dauer komplett eliminieren. Tools aus beiden Welten können somit besser verzahnt, Anwendungen schneller und agiler entwickelt werden, was eine kürzere Time-to-Market zur Folge hat. Durch ein Plus an Interoperabilität profitieren Anwender von durchgängigeren Prozessen, reduzieren den Aufwand für die Pflege von Schnittstellen und sparen Zeit sowie Geld. Unternehmen können dadurch die Herausforderungen von Industrie 4.0 erfolgreicher meistern.