Bildverarbeitung

Aller guten Dinge sind 70 (Messpositionen)

Vollautomatische 3D-Inspektionsanlage für Autodächer

16.07.2021 - Eine vollautomatische, robotergestützte Inspektionsanlage prüft Cabriodächer. Neben dem Mikrometer-genauen 3D-Scan der Verdeckoberfläche testet das System mithilfe einer Infrarotkamera auch die Heckscheibenheizung. Für die 70 Messpositionen, die der Roboter abfährt, benötigt er nur zweieinhalb Minuten.

Ein Cabrioverdeck ist beileibe keine reine Schutzhaut gegen Wind und Wetter mehr, sondern übernimmt mit angepassten Säulenkonzepten auch wichtige statische Aufgaben in modernen Fahrzeugen. Entsprechend präzise gefertigt müssen diese Teile sein und funktionieren. Man denke an Verdeckkonstruktionen, die bei bis zu 50 km/h während der Fahrt geöffnet und geschlossen werden können. Dass dazu auch jede Menge Elektronik verbaut ist, macht die Aufgabe des Verdeckbauers nicht einfacher.

Auf solche Konstruktionen spezialisiert hat sich die Firma Valmet Automotive mit Firmensitz in Uusikaupunki, Finnland. In Deutschland besser bekannt sein dürfte die Firma Karmann in Osnabrück, die seinerzeit mit dem Karmann Ghia ein zeitlos schönes Cabrio für Volkswagen baute, das heute noch bewundert wird. Seit 2010 gehört die Dachsparte von Karmann zu Valmet Automotive. Das Unternehmen fertigt hochwertige Verdecklösungen für viele Autohersteller.

Um für sein Werk in Polen eine End-of-Line-Prüfung einzurichten, bei der alle relevanten Maße eines Verdecks auf Übereinstimmung mit den CAD-Vorgaben der Konstruktion geprüft werden können, sprach das Unternehmen 2019 die Sensor- und Bildverarbeitungsspezialisten von ISW an. Da das Unternehmen aus Kölln-Reisiek eine jahrzehntelange Erfahrung mit Qualitätsprüfungen per Bildverarbeitung hatte, mit der 3D-Technologie umgehen kann und auch schon mehrfach Robotertechnik in seine Lösungen integriert hat, war der Weg für eine Zusammenarbeit zum Bau einer solchen Prüfanlage schnell geebnet. Mit Keller Feinwerktechnik aus Elmshorn war auch umgehend ein zuverlässiger und erfahrener Anlagenbauer mit an Bord. Die Reise konnte losgehen.

70 Messpositionen inklusive Thermo-Scan in zwei Minuten

In kurzer Zeit stand das Konzept und beeindruckt schon mit den schieren Maßen: rund 4,5 m hoch ist die Anlage, mit einem Grundmaß von 6 x 6 m und aus Stahlträgern aufgebaut. Der Clou ist der von der Decke der Konstruktion hängende Roboter von ABB, der seine Messaufgaben dadurch wesentlich schneller und flexibler verrichten kann. An der Spitze seines in sechs Ebenen verdrehbaren Armes findet sich ein 3D-Shapedrive-MLBS-Sensor des Herstellers Wenglor Sensoric. Dieser leuchtet die Messpunkte per Streifenlichtprojektion aus und misst damit auf Bruchteile eines Mikrometers genau. Die ermittelten Werte werden mit den Vorgaben der CAD-Konstruktion des Verdecks abgeglichen. Damit lässt sich schnell entscheiden, ob die Fertigung präzise gearbeitet hat. Dass das kein ganz einfaches Unterfangen ist, sagt schlicht die Anzahl der Messpunkte:

An ganzen 70 Positionen muss pro Verdeck geprüft werden, teilweise an Falzen und Stellen, die verdeckt liegen, sowie auf so unterschiedlichen Materialien wie Metall und Gummi. Das erfordert neben Präzision auch ein intelligentes Management des Messablaufs. Zusätzlich wird von einer ebenfalls am Roboterarm angebauten Thermografiekamera die einwandfreie Funktion der integrierten beheizbaren Heckscheibe überprüft. Das Besondere: Alle Messungen laufen in einer Taktzeit von rund zweieinhalb Minuten ab.

Um dem allem gerecht zu werden, hat ISW neben der Konstruktion und dem Bau der Anlage auch die Steuerungs-Software selbst entwickelt. Basierend auf anspruchsvollen Bildverarbeitungsalgorithmen aus der Halcon-Bildverarbeitungsbibliothek von MVTec werden in einer übersichtlichen grafischen Bedieneroberfläche (GUI) alle notwendigen Elemente zusammengefasst. Ob Rezeptwahl, Benutzerverwaltung, System- und Parametereinstellungen: Alles lässt sich zentral über eine Oberfläche steuern. Die Messung selbst läuft vollautomatisch.

Externe Parameter werden berücksichtigt

Was man von außen nicht sehen kann: Unter der Haube steckt sehr viel Know-how, wie man die Raumkoordinaten von Roboter und Verdeck, das auf einem Montagewagen aufliegt, in Übereinstimmung bringt, um die präzisen Messungen überhaupt zu ermöglichen. Und äußere Einflussfaktoren, die das Ergebnis beeinflussen können, wie Temperatur oder auch Vibrationen oder Schwingungen in der Werkhalle, müssen beachtet und in die Berechnungen einbezogen werden. Alles in allem eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die gemeistert wurde.

Kürzlich wurde die fertige Anlage nach vollzogener Fertigungsfreigabe durch den Auftraggeber am Produktionsort in Polen montiert und in Betrieb genommen. Nun stehen die Tests unter realen Fertigungsbedingungen an. Die ersten Ergebnisse klingen sehr vielversprechend, dass sich die Anlage auch unter Last bewähren wird.

Autor
Stefan Tukac, Prokurist Vertrieb & Applikation

Kontakt

ISW GmbH

Farmers Ring 1
25337 Kölln-Reisiek

+49 4121 570815
+49 4121 570814

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