Automatisierung

50 Prüfstände, 10.000 Tests pro Jahr

08.07.2024 - Prüfstände und Materialanalysegeräte für elektrische Komponenten

Ein Elektrikspezialist betreibt im französischen Saint-Bonnet-de-Mure bei Lyon ein Testcenter. Hochqualifizierte Experten des Unternehmens überprüfen dort in über 10.000 Tests pro Jahr die Leistungsfähigkeit und Sicherheit elektrischer Komponenten. 

Im Südosten Frankreichs, etwa 15 Kilometer östlich von Lyon liegt die Gemeinde Saint-Bonnet-de-Mure. Hier befindet sich in einem Industriegebiet auf 1.600 Quadratmetern und vier Ebenen die Test- und Untersuchungseinrichtungen des Elektrikspezialisten Mersen. „Das Labor ist in zwei Bereiche unterteilt – ein High Power Test Lab für Kurzschlussprüfungen, EV, Prüfstand für Tests mit hohen di/dt-Werten, und ein zweiter Teil mit Laboren für Niederspannung, Umwelt und Mechanik“, erklärt High Power Tests Manager Ludovic Derouen. Auf 50 Prüfständen führen die Mitarbeiter dort pro Jahr insgesamt etwa 10.000 elektrische, dielektrische, mechanische oder Umwelttests durch, zum überwiegenden Teil an Sicherungen und Sicherungsprodukten, etwa für den Schutz von Halbleitern, Kabeln oder Motoren. 

„Wir erproben aber auch ganze Mersen-Produktlinien wie laminierte Stromschienen, Überspannungsschutzgeräte (SPD), Kondensatoren sowie einige der Komponenten, die Mersen für Züge herstellt“, so Ludovic Derouen. „Auch externe Kunden unterstützen wir bei Tests und Entwicklungen, zum Beispiel untersuchen wir für die Luft- und Raumfahrtindustrie Kabel und Stromleitungen, die zukünftig in elektrischen Flugzeugantrieben zum Einsatz kommen könnten. Wir arbeiten aber auch für viele andere Industriezweige. Im Bereich Elektromobilität überprüfen wir pyrotechnische Sicherungen, die eine Art Hybrid zwischen einer Sicherung und einer Stromsystemkomponente sind und die die Batterie eines E-Autos gegenüber dem übrigen Fahrzeug isolieren.“


Spannungen bis zu 43 kV mit ­Spitzenströmen bis zu 700 kA

Im High Power Test Lab werden die Kurzschlusseigenschaften, Beständigkeit gegen Stromspitzen, das Ein- und Ausschalten unter Spannung und bei Kurzschlüssen sowie der Betrieb unter den Bedingungen hoher Stromanstiegsgeschwindigkeit überprüft – und das alles wahlweise unter Wechsel- oder Gleichstrom. Bei der Überprüfung der Kurzschlusseigenschaften kommt dann auch die umfassende optische Ausrüstung des Centers zum Einsatz mit Highspeed-Kameras, die pro Sekunde bis zu 40.000 Bilder aufzeichnen können.
Das Testlabor in Saint Bonnet verfügt über insgesamt fünf Power-Plattformen, mit denen eine sehr große Bandbreite an Strom- und Spannungsstärken sowohl im Gleichstrom- wie im Wechselstrombereich realisiert werden kann. Eine dieser Plattformen ist an das französische Mittelspannungsnetz (3 MVA) angeschlossen, zwei weitere werden von Kondensatorbänken (mit hohem di/dt und 30 MW) und zwei von eigenen Generatoren (20 MVA und 400 MVA) versorgt. Die leistungsstärkste Plattform kann Spannungen bis zu 43 kV mit Spitzenströmen bis zu 700 kA erzeugen. 


Prüfstand für EV-Produkte und Hochgeschwindkeits-Schutz­einrichtungen für Halbleiter

Das Labor hat zwei Kondensatorbänke. Eine ist speziell für Anwendungen mit Elektrofahrzeugen mit sehr niedriger Induktivität vorgesehen und mit einer Klimakammer zur Durchführung von Tests bei Nennspannung und -strom unter rauen klimatischen Bedingungen (-40 °C bis 150 °C) kombiniert. Die zweite dient für Tests an Hochgeschwindkeits-Schutzeinrichtungen für Halbleiter mit bis zu 4 kV und 320 kA bei einem di/dt von 5 kA/µs. Zusätzlich zu den laufenden Tests mit Niederspannung unter Einsatz von Wechsel- und Gleichspannungsversorgungen und Einrichtungen für zyklische Tests verfügt das Umwelt- und Niederspannungstestlabor über sieben Klimakammern, in denen Komponenten unter extremen Umweltbedingungen und mit zyklischen Spannungen erprobt werden. Diese können Temperaturen zwischen -40 und +200 Grad 
Celsius und Luftfeuchtigkeiten zwischen 0 und 99 Prozent erzeugen. „In Salznebeltests untersuchen wir hier zum Beispiel, wie sich Sicherungen in einer stark salzhaltigen Luft verhalten, wie man sie am Meer findet“, erläutert Ludovic Derouen. In den Klimakammern können auch langjährige Alterungsprozesse simuliert und damit beschleunigt werden. „Wir brauchen dann vielleicht zwei Jahre, um zu untersuchen, wie sich Komponenten in zehn Jahren Betrieb verhalten“, so der Testexperte. 


Arbeitsweise von Laboratorien nach DIN EN ISO/IEC 17025

Alle Techniker in Saint-Bonnet-de-Mure verfügen über eine große Erfahrung. Der Leiter des Labors, Franck Sarrus, ist auch für die Forschung und Entwicklung bei Mersen in Europa verantwortlich. Ist das Center damit auch Teil der F&E-Abteilung? „Ja und nein“, schmunzelt Ludovic Derouen. Natürlich sei das Labor Bestandteil der Mersen-Gruppe und überprüfe als kompetenter Partner die Neu- und Weiterentwicklungen aus dem eigenen Hause. Dieser einfache und schnelle Zugriff auf hochtechnologische Testmöglichkeiten ist für ein stark F&E-getriebenes Unternehmen wie Mersen ein nicht zu unterschätzender Faktor angesichts weltweit extrem knapper Testkapazitäten in diesem Bereich.

Andererseits würden interne Kunden, das heißt Abteilungen von Mersen, mit der gleichen Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit behandelt wie auch externe Kunden – wie es die Norm 17025 vorschreibt. „Wir überprüfen die Komponenten und berichten, ob sie die verlangten Leistungen erbracht haben oder nicht“, so Ludovic Ludovic. „Genauso wie wir es bei externen Kunden machen.“

Die externen Kunden sind im Testcenter noch deutlich in der Minderzahl, zu über 90 Prozent ist das Labor zurzeit mit Mersen-eigenen Aufträgen ausgelastet. Künftig will Mersen mehr Kapazitäten für externe Kunden anbieten. „Schon heute sind wir ideal dafür ausgestattet und haben alle Möglichkeiten, die konkreten kundenspezifischen Einsatzbedingungen der Produkte hier zu simulieren.“


Weltweite Abdeckung

Aktuell betreibt Mersen Electrical Power weltweit drei Haupt-Testzentren. Neben dem in Saint-Bonnet-de-Mure eines im spanischen Terrassa, das vor allem auf Überspannungsschutz spezialisiert ist, und eines in den USA. „Mit den Kollegen in Newburyport, Massachusetts arbeiten wir eng zusammen“, erklärt Ludovic Derouen.„Die Zentren in den USA und Frankreich ergänzen einander. Beide können mit Gleich- und Wechselstrom verschiedener Stärke und Spannungen entsprechend den Anforderungen unserer Produkte arbeiten.“


Akkreditierungen der Labore

Das Testcenter in Saint-Bonnet-de-Mure ist seit Mai 2022 UL-zertifiziert. Die UL-Zertifizierung ermöglicht es zudem, den kanadischen und mexikanischen Produktmarkt mit der gleichen Zertifizierung zu bedienen. „Neben dem europäischen, chinesischen und indischen Markt testen wir in Frankreich auch Produkte für den US-amerikanischen Markt.“ 

Autor
Simon Landrivon, Marketing Communications Manager

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