Bildverarbeitung

3D-Lagebestimmung per Punktwolke

Scansystem vermisst Oberfläche und Lage zugleich

29.11.2021 - Steht in der industriellen Bildverarbeitung ein Technologiesprung bevor? Es scheint so, denn ein System zur ­optischen dreidimensionalen Lagebestimmung setzt nun ein formbasiertes Antastverfahren ein. Dabei erkennt es nicht wie oft üblich Kanten, Löcher oder andere prägnante Bauteilmerkmale, sondern die gesamte geometrische ­Außenkontur eines Bauteils – also dessen Form, Lage und Orientierung.

Es sind nicht mehr einzelne Merkmale, die herangezogen werden, um die dreidimensionale Lage eines Objekts zu bestimmen, sondern dessen gesamte Oberflächengeometrie. Dazu erfasst 3D-Sensorik Millionen einzelner 3D-Punkte, also einzelne Messwerte, die anschließend zu einer Punktwolke zusammengesetzt werden.


Ein solches auf 3D-Sensoren setzendes System ist das VMT OSC 6D (Object Shape Capture) von VMT Vision Machine Technic Bildverarbeitungssysteme aus Mannheim. Durch die 3D-Sensoren anstelle einer einzigen Kamera ergeben sich weitere Vorteile: helligkeits- und farbunabhängige Messtechnik, Wegfall von externer Beleuchtung, integrierter Kollisionsschutz und virtuelle Inbetriebnahme. „Shape – also Form – statt Feature“ lautet die Devise, mit der die VMT-Software-Plattform MSS (Multi Sensor System) die ermittelten Geometriedaten eines Objektes auswertet, mit hinterlegten CAD-Referenzdaten vergleicht und die tatsächliche Bauteillage zur Führung beispielsweise eines 6-Achs-Roboters berechnet.
 

Hochpräzises 3D-Messverfahren

Basierend auf dem Stereo-Matching-Prinzip wird das Bauteil von zwei Bildsensoren erfasst, um daraus die 3D-Position jedes einzelnen Bildpunktes zu berechnen, unabhängig von dessen Farbe und robust gegenüber Fremdlichteinflüssen. Um auf ebenen Oberflächen mit nur wenig geometrischer Information arbeiten zu können, erzeugt ein Projektor geometrische Muster auf dem Objekt, sogenannte Hilfsstrukturen, die eine Zuordnung der einzelnen Bildpunkte zueinander ermöglichen. Als Ergebnis entsteht eine hochauflösende 3D-Punktewolke – ein präzises räumliches Abbild des gemessenen Objektes. Dieses vergleicht das Messystem mit den gespeicherten CAD-Referenzdaten und errechnet so dreidimensionale Kontur-, Positions- und Orientierungswerte zur Roboter­führung. 

Bereits im Prototypenstatus des Systems wurde klar, dass die heute in der 3D-Bildverarbeitung etablierten Matching-Algorithmen, also die mathematischen Methoden, die die aufgenommenen Punktewolkendaten mit ­einem CAD-Modell abgleichen, in ihrer finalen Genauigkeit zu begrenzt sein würden, um den industriellen Anforderungen an eine 3D-Lagebestimmung gerecht zu werden. Die Berechnung mittels hochgenauer Algorithmen hingegen waren zu zeitintensiv, also für den Einsatz in einem taktzeitsensiblen Umfeld ungeeignet. Aus diesem Grund hat VMT mit seinem erfahrenen Entwicklungsteam spezielle eigene mehrstufige, adaptive Matching-Algorithmen entwickelt, welche die Vorteile aus beiden Varianten kombinieren, um ein Höchstmaß an Genauigkeit bei niedrig bleibender Berechnungszeit zu erreichen.

 

Beliebige und beliebig viele 3D-Sensoren integrierbar

Das System lässt sich an die jeweiligen Anforderungen anpassen, indem beliebige und beliebig viele 3D-Sensoren zu einem Multi-Sensor-System zusammengefasst und über die eigenentwickelte MSS-Plattform gesteuert werden. Dadurch können großflächige Objekte mit glatten und gleichmäßigen Oberflächen aus verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen und messtechnisch stabilisiert werden. Das ermöglicht es, verschiedene Bereiche oder Zonen des Objektes flächig abzutasten, sodass sich auch geringe Winkelabweichungen in der Orientierung erfassen und kompensieren lassen. Dadurch erreicht die 3D-Lageerkennung für das jeweilige Objekt als Ganzes präzise und stabile Ergebnisse, die eine wiederholgenaue und sichere Bewegungssteuerung des Roboters sicherstellen.

 

Keine Probleme mit wechselnden Lichtverhält­nissen oder Objektfarben

Das Messsystem lässt sich wahlweise mit 3D-Sensoren oder 2D-Laserlichtschnittsensoren arbeiten. In beiden Varianten ist das Messverfahren weitgehend Helligkeits- und Farb-unabhängig. Im Automobilbau beispielsweise sind Farbvariationen von weit über hundert Fahrzeuglackierungen keine Seltenheit. Diese können im optischen Erscheinungsbild stark variieren, was bedeutet, dass die Kontrastauswertung herkömmlicher kamerabasierter Systeme für verschiedene Farben unter Umständen nicht durchgängig stabil arbeitet. Darum müssen solche Systeme vor Ort oft relativ aufwändig produktionsbegleitend nachgeteacht werden, um schrittweise in einen stabilen Zustand zu gelangen. Zudem ist bei solchen Systemen stets eine externe Beleuchtung notwendig. Demgegenüber zeigt sich die 3D-Sensorik robust gegenüber Farbänderungen und Fremdlichteinflüssen. Der Grund hierfür ist der interne Projektor des Sensors, dessen Lichtleistung das Umgebungslicht überlagert. 

 

Zusätzliche Prozess­sicherheit durch implizite Formüberwachung

Im Gegensatz zu herkömmlichen Bildverarbeitungssystemen arbeitet das VMT OSC 6D flächenbasiert. Das bedeutet, dass das ­System keine einzelnen Messpunkte an ausgewählten Stellen des Objekts erzeugt, sondern eine flächige 3D-Punktwolke für das gesamte Objekt. Dies ist messtechnisch sehr ergiebig: Pro Messung stehen häufig zwischen 5 und 20 Millionen 3D-Punkte zur Verfügung. Diese hohe Anzahl einzelner Messwerte innerhalb der aufgenommenen Punktwolke bedeutet eine sehr hohe ­Redundanz – und damit zusätzliche Prozesssicherheit. 

Die verfügbaren Daten nutzt das Messsystem zusätzlich zur Positions- und  Lage­­­­-
bestimmung auch für eine implizite Formüberwachung. Dadurch lässt sich beispielsweise die geometrische Form einer Karosse zur Kollisionsvermeidung, einer sogenannten Crash-Absicherung, verwenden. Da das System 3D-Aufnahmen mit der CAD-Hüllkurve des Objektes vergleicht, kann es Veränderungen in der Szene gegenüber der Erwartungseinstellung zuverlässig erkennen. Türen oder Klappen beispielsweise, die von Betriebsmitteln in der Fahrzeugmontage nicht geschlossen oder in einer korrekten Position gehalten werden, können so zuverlässig erkannt werden, bevor es zu einer teuren Kollision mit dem Roboter kommt. Das spart Kosten für Stillstand, Instandsetzung und ­Produktionsausfall.

 

Stationäre oder robotergeführte Messung

Außerdem lässt sich das Messsystem sta­tionär oder robotergeführt betreiben. Letzteres ver­einfacht den Messprozess deutlich, da der Roboter die Sensoren direkt und in optimaler Ausrichtung an die Messpositionen heranführt – ideal für Produktionslinien mit einer hohen Variantenvielfalt. VMT hat speziell für das VMT OSC 6D Kalibrierkörper und -konzepte entwickelt, die eine zuverlässige Kalibrierung, Prüfung und gegebenenfalls Rekalibrierung des 3D-Messsystems durch das Personal des Anlagenbetreibers ermöglichen. Um Dejustagen oder Beschädigungen im laufenden Betrieb zu vermeiden, sind die 3D-Lasersensoren auch mit Schutzumhausung erhältlich. Im Falle eines Falles lassen sich die Sensoren dann inklusive Gehäuse schnell und positionstreu austauschen. 

 

Konzipiert für die virtuelle Inbetriebnahme

Während kamerabasierte Bildverarbeitungssysteme zur Einrichtung und Inbetriebnahme in der Regel ein Original-Bauteil-Muster oder einen Prototyp benötigen, um diese in das System einzulernen, kann dieses Messystem das virtuell, also anhand von CAD-Daten des zu messenden Bauteils. Auch die optimale Anzahl und Anordnung von Sensoren lässt sich auf diese Weise im Vorfeld bestimmen. Dieses Vorgehen sowie die intuitive Handhabung und übersichtliche Darstellung innerhalb der MSS-Software-Plattform führen zu einer erheblichen Zeitersparnis bei der Inbetriebnahme oder bei Erweiterungen des Systems. Zudem können Updates per Remote-Zugang schnell, einfach und datensicher eingespielt werden. 

 

Skalierbare, universelle ­Software-Plattform

Die besonderen Herausforderungen, die die flächige Antastung technisch mit sich bringt, sowie die entstehenden großen Datenmengen erfordern eine leistungsfähige Softwareplattform, welche die Hardware, die Datenverarbeitung und die Kommunikation mit übergeordneten Steuerungssystemen organisiert. Hierfür hat VMT das bereits erwähnte, frei konfigurierbare Tool MSS (Multi-Sensor-System) entwickelt. Dieses wurde im Unternehmen programmiert und lässt sich daher jederzeit nach Kundenwunsch mit Software-Modulen von VMT oder anderen Anbietern erweitern. Die Prozessdaten und Ergebnisse können über alle industrieüblichen Schnittstellen übertragen werden, zum Beispiel an überlagerte Qualitätsmanagement-Systeme. Zudem erstellt die Software Statistiken, Prozess-Dokumentationen mit Prüfbildern und Qualitätsanalysen für jede einzelne Messung. Im Rahmen der Inbetriebnahme bietet der Hersteller zielgruppenspezifische Schulungskurse für Werker, Inbetriebnehmer und ­Instandhalter an.

Autoren
Dr. Michael Kleinkes, Geschäftsführer
Matthias Fiedler, Produktmanager

Kontakt

VMT Vision Machine Technic Bildverarbeitungssyssteme GmbH

Mallaustr. 50-56
68219 Mannheim
Deutschland

+49 (0)621 84250-0
+49 (0)621 84250-290

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