Sensoren für Wasserstoff: Alternative zur Goldbeschichtung
04.04.2025 - Neue Technologie verhindert Signaldrift in elektronischen Drucksensoren
Eine weit verbreitete, wirksame Lösung, um bei Sensoren die Signaldrift durch eindringenden Wasserstoff zu vermeiden, ist eine Beschichtung aus Gold. Eine kosteneffiziente und robuste Alternative ist eine zusätzliche Schicht aus Titannitrid, welche bei neu entwickelten Dünnfilm-Drucksensor die Messwiderstände vor dem negativen Einfluss von Wasserstoff schützt.
Egal ob in der Stromerzeugung, dem Mobilitätssektor oder der chemischen Industrie, Wasserstoff spielt als vielseitig einsetzbarer Energieträger eine immer wichtigere Rolle. Mess- und Sensortechnologien für Anwendungen mit H2 zu entwickeln, bringt dabei spezifische Herausforderungen mit sich. In elektronischen Drucksensoren etwa durchdringen Wasserstoffatome die Metallmembran. Dies kann die langfristige Messgenauigkeit beeinträchtigen, insbesondere bei hohen Temperaturen. Um eine Signaldrift zu vermeiden, beschichten Hersteller ihre Sensoren bislang häufig mit Gold. Hierzu gibt es jetzt eine alternative Technologie, die kosteneffizienter und robuster ist.
Das Messprinzip von Dünnfilm-Druckmesszellen beruht darauf, dass elektrische Widerstände auf einer Membrane angeordnet und zu einer Wheatstoneschen Messbrücke zusammengeschaltet sind. Unter Druck verformt sich die Membran und die Widerstände werden je nach Position gestaucht oder gedehnt. So verändert sich proportional zum Druck der Widerstandswert. Dieser wird vom Sensor erfasst und in ein elektrisches Signal umgewandelt.
Potenzielle Signaldrift durch H2-Diffusion
Das Messmedium Wasserstoff kann hier einen Signalversatz herbeiführen und damit die Messgenauigkeit beeinträchtigen. Grund dafür ist eine Permeation von Wasserstoff durch Metalle. Die H2-Moleküle dissoziieren zu atomarem Wasserstoff und die Atome dringen in die Metallmembran ein. Sie diffundieren in die Widerstandselemente der Wheatstone-Brücke auf der anderen Seite der Membran. Dadurch verändern sich die Werte von einzelnen Widerständen. Da dies nicht gleichmäßig über alle Widerstände hinweg geschieht, ändert sich der Widerstandswert der Wheatstone-Brücke. Somit kommt es zu einer Signaldrift. Diese Problematik verstärkt sich bei hohen Temperaturen.
State of the Art: Beschichtung mit Gold
Eine weit verbreitete, wirksame Lösung, um die Signaldrift durch eindringenden Wasserstoff zu vermeiden, ist eine Beschichtung aus Gold: In frontbündigen, ölgefüllten Messsystemen werden die medienberührten Strukturen mit dem Edelmetall beschichtet. Gold hat im Vergleich zu Stahl einen deutlich geringeren Diffusionskoeffizienten. Wasserstoff durchdringt zwar auf Dauer jedes Metall – Gold jedoch um Potenzen langsamer als Stahl. Eine Signaldrift lässt sich somit über die gesamte Produktlebensdauer minimieren.
Diese Methode hat allerdings mehrere Nachteile. Die Beschichtung mit Gold ist kostspielig: sowohl der Werkstoff als auch der entsprechende Schritt in der Herstellung des Sensors. Zudem bedarf es besonderer Sorgfalt beim Einbau des Sensors, denn die frontbündig aufgebrachte, sehr dünne Goldbeschichtung ist empfindlich. Jeder Kratzer verringert oder eliminiert gar die Wirkung des Goldes. Hinzu kommt, dass frontbündige Geräte in der Regel mit einem O-Ring aus Elastomer abgedichtet werden. Da die Dichtung ebenfalls der Permeation von Wasserstoff ausgesetzt ist, ist sie eine potenzielle Schwachstelle. Denn eine Dichtung aus Kunststoff ist für das atomare H2 durchlässiger als eine aus Metall.
Schicht aus TiN als kostengünstige Alternative
Wika hat jetzt eine Alternative zur Goldbeschichtung entwickelt und zum Patent angemeldet, welche die H2-Einwirkung ebenso effektiv minimiert und die genannten Nachteile eliminiert. Die Technologie kommt bei einem neuartigen Dünnfilm-Drucksensor zum Einsatz, den das Unternehmen vollständig inhouse fertigt. Wika verwendet für den Sensorkörper den Werkstoff Elgiloy, eine Kobalt-Chrom-Nickel-Legierung. Das Material ist aufgrund seiner Elastizität und Festigkeit gut geeignet, um daraus Drucksensoren herzustellen. Darüber hinaus ist es unanfällig für Wasserstoffversprödung, sofern bestimmte Design-Vorgaben berücksichtigt werden. Auf dem Elgiloy-Sensor wird eine zusätzliche Schicht aus Titannitrid (TiN) aufgebracht, die den Einfluss von H2 auf die sensiblen Strukturen minimiert. Sie befindet sich zwischen der Isolationsschicht des Sensors und der Widerstandsschicht und ist ebenso wie diese Schichten nur wenige Nanometer dick.
Die zusätzliche Schicht aus Titannitrid bietet im Vergleich zur frontbündigen Goldbeschichtung zahlreiche Vorteile. Ein Verkratzen bei der Montage ist ausgeschlossen, da die TiN-Schicht ohne direkten Kontakt mit dem Messmedium im Inneren des Geräts liegt. Sensoren mit einer zusätzlichen Schicht aus Titannitrid auszustatten, ist zudem deutlich kosteneffizienter. Zum einen ist der Werkstoff kostengünstiger als Gold und zum anderen ist die Herstellung weniger aufwändig, da bestehende Anlagen und Verfahren genutzt werden. Ein Vorteil ist zudem, dass Anwender die mit diesem Sensor aufgebauten Drucktransmitter einfach in ihre bestehenden Applikationen integrieren können. Während es für die goldbeschichteten Geräte frontbündige Prozessanschlüsse mit entsprechend bemaßten Gegenstücken braucht, können beim Einsatz des neuen Dünnfilm-Sensorelements Standard-Druckanschlüsse verwendet werden. Nicht zuletzt lassen sich die Geräte mit einem geeigneten Gewinde komplett metallisch abdichten. Dadurch fällt die Elastomer-Dichtung als potenzielle Schwachstelle weg.
Entwicklung im hauseigenen Wasserstofflabor
Die neue Technologie hat Wika in seinem Labor am Hauptstandort in Klingenberg entwickelt. Dazu identifizierte das Team zunächst mehrere mögliche Werkstoffe und testete diese. Nachdem die Entscheidung für Titannitrid gefallen war, wurde der Produktionsprozess definiert sowie im Detail validiert und optimiert. Im nächsten Schritt galt es, die Wirksamkeit der zusätzlichen Schicht aus TiN nachzuweisen. Diese wurde in einem eigens eingerichteten Wasserstofflabor mit entsprechendem Arbeitsschutz und Ex-Schutzmaßnahmen gegenüber diversen Referenzgruppen getestet. In diesem Labor ist es möglich, Messungen unter atmosphärischem Druck oder Hochdruck bis zu 100 bar durchzuführen. Des Weiteren fanden Tests sowohl bei Raumtemperatur als auch im Ofen bei bis zu 125 Grad Celsius statt. Ein typischer Testzyklus dauerte 1.000 Stunden, während denen das Sensorsignal permanent überwacht wurde. Um Störeinflüsse durch zusätzliche Elektronik auszuschließen, erfasste man das rohe Sensorsignal direkt am Sensorelement. Die Ergebnisse der Tests: Die Stärke der Signaldrift nahm in der Referenzgruppe – identische Sensoren ohne zusätzliche Schicht – bei höheren Temperaturen deutlich zu. Sensoren mit einer zusätzlichen Titannitrid-Schicht zeigten im Gegensatz zur Referenzgruppe keinen wasserstoffbedingten Signalversatz.
Titannitrid: Wirksamer Schutz vor Wasserstoff
Die Industrie war bislang auf Messgeräte mit Goldbeschichtung angewiesen, um in Wasserstoffanwendungen eine dauerhaft zuverlässige Druckmessung sicherzustellen. Den Permeationseffekt von H2, der in Dünnfilm-Druckmesszellen bei hohen Temperaturen langfristig einen Signalversatz bewirkt, minimiert eine neue Technologie jetzt ebenso effektiv. Wika hat einen neuen Dünnfilm-Drucksensor entwickelt, in dem eine zusätzliche Schicht aus Titannitrid die Messwiderstände vor dem negativen Einfluss von Wasserstoff schützt. Diese Lösung ist genauso wirksam wie eine frontbündige Goldbeschichtung, dabei aber wesentlich kostengünstiger und einfacher im Handling. Mit dem neuen Sensorelement lassen sich Druckmessbereiche von 0 … 20 bar bis zu 0 … 1.050 bar realisieren.
Der Messtechnikhersteller implementiert die Technologie, die er auf Basis des Sensorelements entwickelt hat, jetzt nach und nach in seine Endprodukte, angefangen bei den elektronischen Drucksensoren für explosionsgeschützte Bereiche. Außerdem baut er seine Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich Wasserstoff aus, um weitere marktorientierte Produkte und Produktverbesserungen umsetzen zu können.
Autor
Christian Wirl, Portfolio Manager Wasserstoff
Kontakt
Wika Alexander Wiegand SE & Co. KG
Alexander-Wiegand-Straße 30
63911 Klingenberg
Deutschland
+49 9372 132 0