„Die Prozessindustrie spielt eine Schlüsselrolle in der Energiewende“
15.10.2024 - Im Gespräch: Markus Ketterer, Head of Department Sales Marketing Communication, und Frederik Effenberger, Industry Manager Decarbonization bei Endress+Hauser
Endress+Hauser hat das Ziel, bis 2050 weltweit klimaneutral zu wirtschaften. Wie das Familienunternehmen diese Netto-Null erreichen will und welche Rolle die Prozessindustrie in der Energiewende spielt, darüber und viele weitere Aspekte von Nachhaltigkeit sprechen wir mit Markus Ketterer und Frederik Effenberger.
„Bei Endress+Hauser ist Nachhaltigkeit ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur und tief verwurzelt im Wertesystem. Unsere Vision ist es, eine nachhaltige Welt zu gestalten […].“ Wie definieren Sie den Begriff und welche Aspekte schließt Nachhaltigkeit bei Endress+Hauser ein?
Markus Ketterer: Nachhaltigkeit ist fest in unseren Markenwerten verankert. Als Familienunternehmen ist es unser Ziel, zu einer nachhaltigen Welt beizutragen, indem wir unseren wirtschaftlichen Erfolg mit dem Schutz der Umwelt und sozialer Verantwortung in Einklang bringen. Dabei betrachten wir zwei zentrale Aspekte: Zum einen, wie wir als Unternehmen dieses Ziel erreichen können, und zum anderen, wie wir unsere Kunden unterstützen können, nachhaltiger zu produzieren. Dies tun wir, indem wir Lösungen zur Energie- und Ressourcenschonung anbieten, die sich sowohl in neue als auch in bestehende Anlagen integrieren lassen.
Kommen wir noch einmal zurück auf Ihre Vision einer nachhaltigen Welt. Welche Initiativen respektive Projekte wurden bereits umgesetzt und inwieweit ist die Vision dadurch schon ein Stück weit Realität geworden?
Markus Ketterer: Wir haben beispielsweise in Kanada und Indien neue Gebäude errichtet, die von Anfang an klimaneutral konzipiert wurden. Darüber hinaus wurden auch unsere Bestandsgebäude umfassend optimiert, um ihre Energieeffizienz zu steigern.
Welchen Stellenwert nimmt das Thema Ihrer Meinung nach heute allgemein in der Industrie ein? Und welchen Stellenwert sollte es einnehmen? Wo steht die Prozessindustrie aktuell im Vergleich zu anderen Industriezweigen?
Frederik Effenberger: Nachhaltigkeit spielt heute eine zentrale Rolle in der Industrie und wird in Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen. Besonders in der Prozessindustrie gibt es enorme Potenziale, um Effizienz zu steigern, Energie zu sparen und somit den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Hier sehen wir einen bedeutenden Hebel für Unternehmen, aktiv zur Nachhaltigkeit beizutragen und einen positiven Einfluss auf ihre Umweltbilanz zu nehmen.
Sie sprechen von einem bedeutenden Hebel: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Stellschrauben, an denen man drehen muss, um die Industrie nachhaltig auszurichten?
Frederik Effenberger: Wir sehen hier drei Stellschrauben, um das Ziel der Netto-Null zu erreichen: Erstens, die Effizienzsteigerung – unser Fokus liegt darauf, aus bestehenden Anlagen mehr herauszuholen, während wir den CO2-Ausstoß so gering wie möglich halten. Ein besonders starker Hebel liegt dabei in der Energieeffizienz von Kernprozessen und WAGES (Water, Air, Gas, Electricity, Steam), die zahlreiche Ansatzpunkte für die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen bieten.
Zweitens, die Kreislaufwirtschaft – sie spielt eine entscheidende Rolle, indem sie CO2 nicht nur als Abfallprodukt betrachtet, sondern es als wertvollen Rohstoff und Ressource nutzt. Hier setzen wir auf innovative Lösungen wie die Herstellung, den Transport und Einsatz von grünem Wasserstoff, Direct Air Capture zur CO2-Entnahme aus der Umgebungsluft oder Carbon Capture, Usage and Storage (CCUS) direkt am Emissionsort.
Drittens, die Energieeinsparung – insbesondere in bestehenden Anlagen sehen wir großes Potenzial zur Optimierung, beispielsweise in Wärme- und Kühlkreisläufen, wo durch den Einsatz moderner Messtechnik erhebliche Energieeinsparungen realisiert werden können (bis zu 15 Prozent Verbrauchssenkung). Zudem arbeiten wir daran, den Einsatz von Rohstoffen mit einem höheren Anteil an Rezyklat oder nachwachsenden Materialien zu fördern, auch wenn diese in ihrer Qualität schwankender sind als industriell gewonnene Stoffe. Unser Ziel ist es, unsere Kundinnen und Kunden bestmöglich auf ihrem Weg zu einer nachhaltigen Transformation zu unterstützen – mit heutigen messtechnischen Lösungen und neuen Entwicklungen von morgen.
Inwieweit erhalten die Unternehmen Unterstützung seitens der Politik? Und welche Vorgaben gibt es, die eingehalten werden müssen?
Markus Ketterer: Wir haben uns freiwillig der Science Based Target Initiative (SBTI) angeschlossen, um unser Ziel zu verfolgen, bis 2050 weltweit klimaneutral zu wirtschaften. Diese Initiative bietet uns einen klaren Rahmen und wissenschaftlich fundierte Leitlinien, um unsere Klimaziele konsequent umzusetzen. Von politischer Seite gibt es ebenfalls wichtige Vorgaben, wie zum Beispiel das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in der EU, das wir selbstverständlich auch in unserem Unternehmen umsetzen. Zudem begrüßen wir die Entwicklungen in Deutschland im Bereich der Carbon-Management-Strategie, die unserer Ansicht nach einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung darstellt.
In Ihrem Nachhaltigkeitsbericht 2023 sagt Matthias Altendorf, Verwaltungsratspräsident der Endress+Hauser Gruppe, das die Prozessindustrie das Potenzial hat, in der Energiewende eine treibende Kraft für Veränderungen zu sein. Inwieweit kann die Prozessindustrie hier vorantreiben?
Frederik Effenberger: Die Prozessindustrie spielt eine Schlüsselrolle in der Energiewende und hat das Potenzial, maßgeblich Veränderungen voranzutreiben. Messtechnik ist in nahezu allen Produktionsanlagen und vielen Industrien unverzichtbar, sei es bei der Herstellung von klimaneutralem Kunststoff oder in der Lebensmittelproduktion. Hier sind präzise Daten aus dem Produktionsprozess entscheidend, um Effizienzsteigerungen und Energieeinsparungen zu realisieren. Digitalisierung ist dabei ein wesentlicher Treiber, insbesondere durch Technologien wie den Digital Twin, der es ermöglicht, Prozesse zu optimieren und Ressourcen noch effizienter einzusetzen. Zudem schafft die digitale Vernetzung von Messgeräten Transparenz und erlaubt die weitere Verbesserung von Produktionsprozessen.
Wie setzen Sie Nachhaltigkeit ganzheitlich im Unternehmen um?
Markus Ketterer: Seit vielen Jahren veröffentlichen wir einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht, der unsere Fortschritte und Maßnahmen in diesem Bereich transparent darstellt. Auch auf Produktebene spielt Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle: Wir legen großen Wert auf die Langlebigkeit und Effizienz unserer Produkte, um unseren ökologischen Fußabdruck zu minimieren und unseren Kunden nachhaltige Lösungen zu bieten.
Und wie binden Sie die Mitarbeitenden ein?
Markus Ketterer: Unsere Mitarbeitenden sind ein zentraler Bestandteil unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Da Nachhaltigkeit ein fester Wert unserer Marke ist, bildet sie auch eine Grundlage für die tägliche Arbeit aller Mitarbeitenden im Unternehmen. Wir fördern dieses Engagement durch gezielte Schulungen und umfassende Einbindung in Nachhaltigkeitsthemen, um sicherzustellen, dass jede und jeder aktiv zur Umsetzung unserer Nachhaltigkeitsziele beitragen kann.
Mit welchen Maßnahmen reduziert Endress+Hauser den Treibhausgasfußabdruck seiner Produkte?
Markus Ketterer: Endress+Hauser setzt eine Reihe von Maßnahmen um: Dazu gehören die Optimierung unserer Produktionsprozesse, um diese effizienter und ressourcenschonender zu gestalten, sowie der Bau neuer klimaneutraler Gebäude. Zusätzlich setzen wir verstärkt auf die Nutzung CO2-neutraler Energie, um unseren ökologischen Fußabdruck weiter zu minimieren.
Und inwieweit unterstützt Endress+Hauser seine Kunden, nachhaltiger zu produzieren?
Markus Ketterer: Moderne Messtechnik, Digitalisierung und umfassende Datenverfügbarkeit ermöglichen es uns, Produktionsprozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Als Partner arbeiten wir eng mit unseren Kunden zusammen, um maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, die ihre Abläufe ressourcenschonender und zukunftsfähiger machen.
Welche Ziele für mehr Nachhaltigkeit hat sich Endress+Hauser gesteckt – und für welchen Zeitraum?
Markus Ketterer: Mit unserem Commitment zur Science Based Targets Initiative (SBTi) im März 2023 haben wir uns klar zum 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens bekannt und verfolgen das Ziel, spätestens bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Dieser ambitionierte Weg im Rahmen der SBTi erfordert, dass wir bis 2050 unsere gesamte Geschäftstätigkeit, einschließlich unserer Lieferketten, vollständig dekarbonisiert haben.
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