Optische Qualitätsprüfung in der Spritzgussfertigung
12.12.2024 - Roboter ermöglichen 360°-Kontrollen mithilfe aufwendiger Kamera- und Beleuchtungssysteme
In Kombination mit modernen Vision-Systemen können Roboter anspruchsvolle Montageoperationen oder Qualitätsprüfungen im Anlagentakt durchführen. So hat das Schweizer Unternehmen Robotec eine Fertigungslösung entwickelt, bei der zwei Roboter kooperieren, um Kunststoff-Umhüllung von metallischen Führungshülsen zu inspizieren. Bei dieser Lösung erfolgt die 360°-Kontrolle direkt in Kombination mit dem Spritzgießen.
„Wir entwickeln seit 40 Jahren robotergestützte Automationslösungen für die Medizintechnik oder Automobilindustrie“, berichtet Jörg Lanz, Vertriebsleiter für Deutschland, Österreich und Schweiz bei der Firma Robotec Solutions in Seon, Schweiz. Kernkompetenz des Unternehmens ist das Engineering-Knowhow für schlüsselfertig installierte und validierte Lösungen mit Roboterhandling, kameragestützter Qualitätskontrolle sowie der gesamten erforderlichen Peripherie. Die Herstellung der Schaltschränke und des mechanischen Aufbaus, die Verknüpfung der Komponenten über Schnittstellen sowie die Entwicklung der übergeordneten Software erfolgen im eigenen Hause. Für die zusätzlich eingesetzte Hardware wie Roboter, Maschinen, Kamerasysteme und Steuerungen ist Robotec zertifizierter Partner von Herstellern wie Fanuc, Stäubli, Omron, Siemens und dem Kamerahersteller Cognex. Mithilfe dieser Kernkomponenten entstehen automatisierte Gesamtlösungen, welche die mit dem jeweiligen Kunden gemeinsam entwickelten Spezifikationen erfüllen. Neben ihrem technischen Knowhow verfügen die Entwickler auch über die für den jeweiligen Einsatzbereich erforderlichen Kenntnisse im Bereich gesetzlicher und normativer Vorschriften und Dokumentationspflichten.
Unter Zeitdruck
„Unser Kunde Demmould ist ein mittelständischer Zulieferer für die Automobilindustrie“, erläutert Lanz. Im vorliegenden Fall geht es um die Kunststoff-Umhüllung an einem Ende von metallischen Führungshülsen. Diese zylindrischen Hülsen sind etwa 100 mm lang und haben über den größten Teil ihrer Länge hinweg einen Durchmesser von 15 mm. Ihr schmales Ende ist präzisionsbearbeitet und weist eine umlaufende Sicke auf. Am anderen Ende ist die Hülse auf etwa den doppelten Durchmesser aufgeweitet.
Das schmale Ende der Hülse wird bei Demmould in einer Vierfach-Form mit einem unsymmetrisch geformten Kunststoffmantel umspritzt. Die von Robotec geforderte Lösung umfasst im ersten Schritt die orientierte Zuführung der als Schüttgut angelieferten Hülsen. Die Vereinzelung und Orientierung erfolgt mithilfe eines Rütteltopfs. Anschließend werden sie vom Fanuc-Roboter „1“ Stück für Stück gegriffen und auf vier Aufnahmedorne gesteckt. Von dort holt sie Roboter „2“ mithilfe seines Doppel-Vierfachgreifers ab. Mit diesen vier Hülsen fährt er vor die geöffnete Form einer Spritzgießmaschine, wo er zunächst vier fertig umspritzte Hülsen greift und zugleich deren Angüsse entfernt. Danach schwenkt er herum und schiebt die vier neuen Hülsen in die Form. Im nächsten Schritt setzt er die umspritzten Hülsen auf die Dorne eines Transportschlittens, der sie nacheinander unter die Spezialkamera der optischen Qualitätskontrolle führt. Währenddessen beginnt bereits der nächste Spritzzyklus. Der gesamte Produktionszyklus darf höchstens 60 s dauern, und die Formöffnungszeit beträgt 15 s.
Die optische Qualitätskontrolle
„Nächster und anspruchsvollster Prozessschritt ist die optische 360°-Kontrolle mithilfe eines sehr aufwendigen Kamera- und Beleuchtungssystems“, ergänzt Lanz. Die Kamera verfügt über ein von Robotec selbstentwickeltes optisches System mit Strahlengang, so dass für die Qualitätskontrolle nur ein einziges Foto gemacht zu werden braucht. Die Bildauswertung erfolgt mithilfe einer KI-Software, die von Robotec anhand einer vorgegebenen Auswahl von Gut-/Schlecht-Proben vorher trainiert wurde. Bei dieser optischen Prüfung wird zusätzlich zur Kontrolle des umspritzten Bereichs auch sichergestellt, dass es nicht zu Überspritzungen am oberen oder unteren Rand des Kunststoffmantels gekommen ist. Die Kamera meldet IO- sowie NIO-Ergebnisse beim Weitertransport des Schlittens an den Roboter „1“, der die umspritzten Hülsen dementsprechend entweder in eine Ausgangsbox oder in den Ausschussbehälter befördert. Zwischenzeitlich werden die Aufnahmedorne der Übergabestation wieder mit den nächsten Rohlingen bestückt. Das Programm für die beiden Roboter läuft auf deren eigener Steuerung, wobei der eine als Master und der andere als Slave agiert. Beide Roboter überwachen ihre Arbeitsbereiche mit Blick auf die Vermeidung von Kollisionen untereinander sowie mit dem separaten Handlingsystem der Spritzgießmaschine. Die gesamte Linie mit ihren zahlreichen Einzelfunktionen wird über einen zentralen Bildschirm mit grafischer Benutzerführung bedient. Das System wurde inzwischen vom Kunden abgenommen und installiert.
Projektbezogene Dokumentation
„Mittlerweile konnten wir mehr als 800 solcher Roboter-Lösungen realisieren“, freut sich Lanz. Die Kundenpalette reiche von mittelständischen Zulieferern bis zu weltweit agierenden Technologieunternehmen beispielsweise in der Pharmabranche. Wesentlicher Schlüsselfaktor dieses Erfolgs sei die Schweizer Mentalität von Unternehmensleitung und Belegschaft: Die Anlagen würden mit Blick auf Langlebigkeit konzipiert und zeichneten sich im betrieblichen Einsatz durch hohe Produktivität und geringe Störanfälligkeit aus. Deshalb erreichten sie in der Regel Einsatzdauern von bis zu 20 Jahren. Angesichts der immer kürzer werdenden Innovationszyklen würden deshalb im Laufe ihrer Einsatzdauer Modifikationen oder Umrüstungen erforderlich. Robotec lege deshalb seine Zellen von vornherein so aus, dass sie möglichst einfach nachgerüstet oder in Teilbereichen auch Re-Engineered werden können. Voraussetzung hierfür sei die konsequente, projektbezogene Dokumentation aller ursprünglichen Unterlagen einschließlich später vorgenommener Modifikationen. Der Kunde könne sich darauf verlassen, dass ihm die Unterstützung ebenso wie der Service für Hard- und Software weiterhin zur Verfügung stehe. Diese Zuverlässigkeit beim Support sei Grundlage stabiler, auf Vertrauen gegründeter Kundenbeziehungen. Deshalb kämen zahlreiche Kunden bei späteren Neuprojekten erneut auf Robotec zu.