Feuerwarnung per Drohne
12.12.2024 - USB3-Vision-Farbkamera sorgt für zuverlässige Erkennung von Rauchquellen
Je früher Waldbrände erkannt werden, umso schneller und effektiver lassen sie sich bekämpfen. Drohnen, ausgestattet mit Industriekamera und Objektiv, unterstützten hierbei die Feuerwehr und verschaffen der Einsatzleitung einen wertvollen zeitlichen Vorsprung.
Eine der vielen Folgen der weltweiten Klimaerwärmung ist die steigende Gefahr von Waldbränden, die in Europa insbesondere in den südlichen Ländern immer häufiger auftreten und teilweise gewaltige Schäden an der Natur und für den Menschen zur Folge haben. Nach einer Studie des European Forest Fire Information Systems EFFIS verursachen Waldbrände bis zu 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes. Allein in Deutschland sind im Jahr 2022 knapp 4.300 Hektar Wald vollständig verbrannt, mit enormen Schäden für Wirtschaft und Umwelt, und rund 739.000 Tonnen CO2 wurden dabei freigesetzt.
Vor diesem Hintergrund hat sich ein interdisziplinäres Team aus Forschenden der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Aufgabe gemacht, die Früherkennung von Waldbränden durch den Einsatz von Drohnen zu verbessern und damit die Auswirkungen solcher Feuer zu verringern. „Je früher ein Waldbrand identifiziert wird, desto schneller kann ihn die Feuerwehr unter Kontrolle bringen und den Schaden dadurch so klein wie möglich halten“, erläutert Leon Seidel. Er ist einer der Verantwortlichen des Forschungsprojekts Evolonic, das seit 2018 langstreckenfähige Drohnen und Sensorsysteme für die Waldbranderkennung entwickelt.
Optische Erkennung von Rauchquellen
Vier flugfähige unbemannte Luftfahrzeug-Prototypen (Unmanned Aerial Vehicles, UAV) mit unterschiedlichen Entwicklungsstadien hat Evolonic seitdem realisiert und getestet. Eines dieser UAVs ist mit dem derzeit maximalen Erkennungssystem ausgestattet und startet seit Sommer 2023 immer dann, wenn erhöhte Waldbrandgefahr besteht. Seidel erzählt: „Diese Drohne hat eine Reichweite von rund 100 Kilometern und kann zirka 60 Minuten in der Luft bleiben. In diesem Rahmen fliegt sie vorab definierte Routen ab, die daraufhin optimiert sind, ein möglichst großes Waldgebiet überblicken zu können.“ Anschließend kehrt die Drohne zu ihrer Basisstation zurück.
Wesentlicher Bestandteil der Drohne ist eine nach vorne gerichtete Kamera, die pro Sekunde etwa 15 Bilder des abgeflogenen Gebiets aufnimmt. Mittels einer von Evolonic entwickelten KI-Software, die während des Fluges auf einem Onboard-Computer von Nvidia läuft, lassen sich Rauchquellen optisch erkennen und lokalisieren. „Um möglichst kurze Reaktionszeiten für die Lösch- und Rettungsaktivitäten erzielen zu können, steht den Feuerwehr-Leitstellen und Einsatzkräften eine Webapplikation zur Verfügung, die die genaue Position eines vermuteten Feuers sowie weitere relevante Informationen und Bilder anzeigt“, beschreibt Seidel den weiteren Ablauf. „Diese Daten können in der Leitstelle direkt von einem Experten geprüft werden, um eventuelle Fehlalarme zu vermeiden. Auch für die spätere Optimierung der KI-Auswertung können die so gesammelten Daten genutzt werden. Bestätigt sich ein Brandherd, unterstützen kontinuierliche Livebilder und Sensordaten der Drohne die Feuerwehr zudem bei der Wahl der idealen Anfahrtsroute sowie bei der Brandbekämpfung vor Ort.“
Anforderung an Bildverarbeitungskomponenten
Als Herausforderungen an das in der Drohne verwendete Bildverarbeitungs-System nennt Seidel die notwendige hohe Bildqualität und insbesondere einen großen Dynamikumfang. Zudem waren eine geringe Einbaugröße und ein niedriges Gewicht essenziell, um die angestrebten Leistungen bei Reichweite und Flugdauer der Drohne zu erzielen. Die Kamera sollte außerdem zu einem Nvidia-Jetson-Onboard-Computer kompatibel sein, der in der Drohne integriert war.
„Bei den ersten Prototypen arbeiteten wir mit Multicoptern und Drohnen mit schwächerer Kamera- und Computing-Hardware“, erinnert sich Seidel. „Kameras mit kleineren Sensoren hatten damals insbesondere bei schwierigen Lichtbedingungen oft Probleme, Rauch sicher zu erkennen, was auf den geringeren Dynamikumfang zurückzuführen war. Andere Kameras konnten wir nicht im Echtzeit-nahen Bereich ansteuern oder hatten eine erhebliche Latenz bei der Übertragung der Bilder. Diese Faktoren verschlechterten die Lokalisierung von Brandstellen erheblich.“
Diese Situation verbesserte sich nach einem Messebesuch auf der Nürnberger PCIM 2023, wo ein Kollege von Seidel mit Christian Schaarschmidt, Sales Manager DACH des Industriekameraherstellers SVS-Vistek, ins Gespräch kam. „Ich fand die Idee faszinierend, Drohnen und Bildverarbeitung für die Waldbranderkennung einzusetzen, und war mir sicher, dass wir dafür die perfekte Kamera im Sortiment haben“, so Schaarschmidt.
Diese Annahme bestätigte sich in weiterführenden Gesprächen: SVS-Vistek empfahl Evolonic den Einsatz der USB3-Vision-Farbkamera Exo267CU3, die mit ihrer Auflösung von 8,8 Megapixeln, einem Global-Shutter-CMOS-Sensor IMX267LQR mit 3,45 x 3,45 µm Pixelgröße von Sony, Gehäuseabmessungen von 50 x 50 x 43 mm, einem Gewicht von 138 Gramm und vielen weiteren Merkmalen alle Anforderungen für den Einsatz an der Drohne erfüllte. Auch die Anforderung an die Bildrate war für die Kamera kein Problem: Sie kann bis zu rund 32 Bilder/s aufnehmen. Mit einem Infinity-Focus-C-Mount-Objektiv konnte SVS-Vistek somit das komplette Bildaufnahmesystem für die aktuell leistungsstärkste Drohne von Evolonic beisteuern.
„Diese Kombination aus Kamera und Objektiv war aufgrund des großen Sensors bei geringem Gewicht sowie der guten Software-Unterstützung auch für ARM64 und der einfachen Anbindung an den Nvidia Jetson die optimale Wahl für uns“, freut sich Seidel. „Die mit diesem System ausgestattete Drohne hat seitdem zu einer Früherkennungsquote von Brandherden und Rauch geführt, die deutlich über den Ergebnissen der vorangegangenen Versionen lag. Die Güte des Kamerasystems zeigt sich dabei vor allem beim Einsatz bei unterschiedlichen Licht- und Temperaturverhältnissen, die im Außenbereich stark schwanken können.“
Auf dem Weg zur Marktreife
Im Sommer 2023 waren die Drohnen von Evolonic vor allem im fränkischen Erlangen sowie bei einem großen Waldbrandversuch in Sachsen-Anhalt unterwegs, doch das Einsatzgebiet könnte sich schon bald auf Bayern oder sogar ganz Deutschland ausdehnen, so Seidel: „Wir schätzen die Kosten für die Weiterentwicklung des Systems bis zur Marktreife auf rund eine halbe Million Euro. Die Ziele lauten dabei unter anderem, dass die Drohnen zukünftig komplett autark agieren und aus den aufgenommenen Daten Vorhersagen über die weitere Ausbreitung von Bränden getroffen werden können. Unsere Entwicklung wird derzeit von der bayerischen Landesregierung für den Einsatz im Rahmen eines großen Pilotprojekts geprüft, das Anfang 2025 starten soll. Wir sind gespannt, ob es sich durchsetzen kann.“
Das Drohnen-gestützte Konzept steht dabei auch im Wettbewerb zu anderen Ansätzen zur Waldbrandfrüherkennung, beispielsweise mit Hilfe von Satelliten, Flugbeobachtern, IoT-Sensoren und stationär montierten Kameras. „Der große Vorteil der UAV-basierten Waldbranderkennung gegenüber diesen Technologien ist die hohe Genauigkeit der Lokalisierung und die Abdeckung relativ großer Gebiete bei niedrigen Kosten“, unterstreicht Seidel. „Aus diesem Grund sehen wir gute Chancen, dass unsere Drohnen mit den Kameras und Objektiven von SVS-Vistek künftig auch in weiteren Gebieten Bayerns und vielleicht auch Deutschlands für eine frühzeitige Identifizierung möglicher Waldbrände eingesetzt werden.“
Autor
Peter Stiefenhöfer, Inhaber von PS Marcom Services