Ein Anlagenhersteller suchte eine Möglichkeit, das vollautomatische ­Verrunden von Schneidkanten für Metallbearbeitungswerkzeuge zu ­überwachen. Fündig wurde er bei einem österreichischen Messtechnik­hersteller. Das nun eingesetzte optische Messsystem ist benutzer­unabhängig, und ermöglicht eine konstante, reproduzierbare und genau ­definierte Bearbeitung der Schneidkanten.

Die Messtechnik von Bruker Alicona ist führend am Markt und wesentlich genauer als taktile Verfahren“, erklärt Manuel Kernchen, Produktmanager von Naprep in der Abteilung für Advanced Robotic Solutions bei Nagel, warum sich der schwäbische Maschinenbauer den österreichischen Messtechnikhersteller als Partner ausgesucht hat. Naprep ist eine automatisierte Zelle zur Schneidkantenpräparation, die durch eine roboterbasierte Prozessführung einen mannlosen Schichtbetrieb zulässt. Die integrierte Qualitätssicherung von Bruker Alicona ermöglicht einen Closed-Loop mit automatischer Prozesskorrektur.

Die Messtechnik

Der Edgemaster ist ein optisches Messgerät für hochauflösende Messungen von Werkzeugschneiden. Anwender messen Form, Verrundung und Schartigkeit unabhängig von Typ, Größe, Material und Bearbeitung. Das System misst Radien >2 µm, Frei-, Keil- und Spanwinkel sowie die Korbbogenform der Kante. Auch Wasserfall- oder Trompetenformen lassen sich damit präzise verifizieren. Wichtig für den Einsatz in der Produktion sind die robusten Messungen, auch bei Vibrationen, Fremdlicht und Temperaturschwankungen. Was dahinter steckt, ist das Prinzip der Fokusvariation, das die Funktionalitäten eines Oberflächenmessgeräts mit jenen eines Formmesssytems verbindet. 

Software mit vielen Automatisierungsmöglichkeiten 

Was die Kantenmessung mit Bruker Alicona so speziell macht, ist nicht unbedingt nur die Hardware. Denn für die Qualitätssicherung an Schneidwerkzeugen hat der österreichische Messtechnikproduzent eine eigene Software mit vielen Automatisierungsmöglichkeiten im Portfolio. Urban Muraus, Geschäftsführer von Bruker Alicona, erklärt: „Das Edgemaster-Modul ist besonders benutzerfreundlich und einfach aufgebaut. Mit einem Klick wählt der Anwender ein Messprogramm, das bereits mit dem entsprechenden Objektiv verknüpft ist, gibt an, ob es sich um eine Messung an der geraden oder der gebogenen Kante handelt und drückt den Start-Button. Das war’s.“ Die nächsten Schritte laufen automatisiert ab:
Der Edgemaster übernimmt die Mess- und Belichtungseinstellungen,misst die 3D-Daten und liefert die Auswertung der Parameter.

Die Benutzerunabhängigkeit des Systems ermöglicht wiederholgenaue Messungen. Wer ganze Tranchen auf einmal messen will, kann dies mit der „Multiedge Measurement“-Funktion tun. 

Vom Messgerät zur vollautomatisierten Verrundungszelle

Feinbearbeitungsprozesse zu automatisieren, mit Robotern als Manipulatoren, ist die Kompetenz des Teams um Kernchen. Das weiß man beispielsweise auch bei TBT Tiefbohrtechnik in Dettingen Erms, einem Schwesterunternehmen aus der Nagel-Gruppe. TBT stellt neben Tiefbohrmaschinen Tiefbohrwerkzeuge wie Einlippenbohrer aus Vollhartmetall her. Wie für alle Zerspanungswerkzeuge gilt auch für diese spezialisierten Bohrwerkzeuge: Die Schneidkantenpräparation erhöht die Leistung, Prozesssicherheit und Lebensdauer. Das senkt die Kosten in der spanenden Fertigung und mindert am Ende auch CO2-Emissionen. Weil beides immer wichtiger wird, suchte TBT für den Verrundungsprozess nach einer automatisierten Lösung und wandte sich damit an Nagel. Diese Lösung ist inzwischen die Naprep-Zelle. 

Verfahren für die Schneidkantenpräparation: der Bürstprozess

Kernchen blickt zurück: „Im Vorfeld der Entwicklung für die Naprep nahmen wir sämtliche Verfahren unter die Lupe, die grundsätzlich für die Schneidkantenpräparation in Frage kommen. Schließlich entschieden wir uns für einen Bürstprozess.“ Ein Bürstprozess bietet mehrere Stellgrößen, um den Materialabtrag und die Gleichmäßigkeit der Bearbeitung zu steuern. „Die Schneidkante lässt sich damit sehr genau auf die Wünsche der Werkzeughersteller abstimmen“, fährt der Experte fort. „So lässt sich je nach Prozessparameter die Radiusform auf der Span- und der Freifläche der Schneide beeinflussen, um einen exakten Radius, eine Wasserfall- oder Trompetenform anzubringen. Alles in allem lässt sich das Zerspanungswerkzeug gezielt für seinen Einsatzfall optimieren.“

Komplexe, automatisierte Anlage inklusive optischer Messtechnik 

Die wesentlichen Komponenten der Naprep-Zelle sind ein Roboter als zentrales Handling-System, eine konfigurierbare Werkstückbeladung, die optische Sensorik zur TCP-Vermessung vor dem Bürstprozess, die Antriebseinheit für die Bürsten, die integrierte Messtechnik von Bruker Alicona und ein Greiferbahnhof. Eine Anlage, wie sie für TBT konzipiert wurde, sorgte bereits auf mehreren Messen, darunter die EMO 2023, Deburring Expo 2023 sowie die Grinding Hub 2024, für eine positive Resonanz, teilt das Nürtinger Unternehmen mit. Das Konzept kommt an, folglich läuft die Weiterentwicklung im Hause Nagel auf Hochtouren. So soll die Anlage in der Lage sein, ebenso die Schneidkanten anderer Zerspanungswerkzeuge wie Schaftfräser oder auch von Wendeplatten zu verrunden. Die Herausforderung bei anderen Werkstücken respektive Werkzeugen ist die genaue Positionierung der Schneidkanten, die dem Greifer bekannt sein muss. Der Einbau einer entsprechenden Sensorik ist daher eine der Hauptaufgaben.

Das A & O bei Präzisionswerkzeugen, um die es am Ende geht, ist eine hohe Qualität der Schneidkantenverrundung. Damit ist vor allem eine konstante, reproduzierbare und genau definierte Verrundung gemeint. Diese zu sichern, ist nicht zuletzt Aufgabe der integrierten Messtechnik inklusive Auswertungs-Software. Die Software von Bruker Alicona bildet beispielsweise die entsprechenden VDI-Normen ab. Für die Werkzeughersteller ein ganz zentraler Aspekt. „Um die unterschiedlichsten Werkzeugtypen bearbeiten zu können, ist neben der Sensorik gegebenenfalls auch die Messstrategie, basierend auf der Edgemaster-Lösung, wiederholt anzupassen“, betont Manuel Kernchen. „Bruker Alicona und Nagel arbeiten daher eng zusammen, um die Naprep für alle möglichen Einsatzfälle fit zu machen.“