Überwachung von Schutzräumen
10.12.2024 - Radarsensoren sichern Roboterzelle ab
Ausgereifte Sicherheitskonzepte zeichnen sich dadurch aus, dass sie selbst vermeintlich undenkbare Szenarien einbeziehen und auf daraus resultierende Gefährdungssituationen sicherheitsgerichtet reagieren. Radarsensoren stellen beim Kunststoffverarbeiter Weidplas heute sicher, dass sich beim Anfahren des Roboters niemand innerhalb der Schutzeinhausung befindet. Eine neu integrierte Sicherheitslösung erhöht die Anlagensicherheit und minimiert gleichzeitig den Anlagenstillstand.
Zu Einrichtzwecken oder um Störungen zu beseitigen, ist die Roboterzelle bei Weidplas sowohl über Schutztüren als auch von der Spritzgießmaschine her zugänglich: Vor einem geplanten Zutritt in den potenziellen Gefahrenbereich der Anlage fahren beide Maschinen in den sicheren Halt, erst dann erlauben die Sicherheitszuhaltungen PSENmlock von Pilz das Öffnen der Türen. Gleiches passiert, wenn einer der Zugänge versehentlich oder mutwillig geöffnet wird. Das von der konfigurierbaren Kleinsteuerung PNOZmulti überwachte Sicherheitssystem erkennt zwar zweifelsfrei, wenn eine Person an die Spritzgießmaschine herantritt oder von dort aus in den Schutzraum des Roboters wechselt: Trittbleche entlang der Spritzgießmaschine registrieren den Zugang, installierte Sicherheitslichtgitter an der Schnittstelle zur Roboterzelle detektieren jeden Übertritt. Aber wie „erfährt“ die Steuerung, dass sich vor dem Wiederanfahren des Roboters niemand mehr innerhalb des Schutzraums befindet?
Ziel: Sicherer Schutzraum und höhere Anlagenverfügbarkeit
Das Unternehmen stellte der Spritzgießmaschine einen Sechsachs-Roboter zur Seite, der von einer Sicherheitseinhausung umgeben ist. Der Sechsachser entnimmt die fertig gespritzten Radhausverkleidungen aus der Form und legt diese auf ein Förderband. Funktional entsprach die Lösung den Erwartungen, sie hatte allerdings einen Nachteil: „Im Falle einer Störung oder Havarie konnte ausschließlich ein qualifizierter Servicetechniker den Roboter aus der Spritzgießmaschine herausfahren und im Anschluss daran das zwischen Spritzgießmaschine und Roboterzelle befindliche Sicherheitslichtgitter wieder freischalten“, erklärt Tobias Mädler, zuständiger Automatisierungstechniker bei Weidplas. Je nach Verfügbarkeit des Servicetechnikers traten mitunter längere Anlagenstillstände auf. Zudem wollte Weidplas auch die Anlagensicherheit erhöhen. Diese Anforderung konnte nur mit einer zuverlässigen Bereichsüberwachung gelöst werden.
Überwachung dynamischer Bewegungen oder Veränderungen im dreidimensionalen Raum
Seit mehr als 20 Jahren setzt Weidplas bei Fragen rund um die Maschinensicherheit auf die Expertise des Automatisierers Pilz. Mit Produkten wie der Sicherheitszuhaltung PSENmlock sowie mit der konfigurierbaren Kleinsteuerung PNOZmulti hat der Kunststofffertiger bereits reichlich Erfahrungen gesammelt. „Wir kennen und schätzen die Produkte und Lösungen von Pilz, wissen um die vielseitige Kompetenz des Unternehmens und haben über die Jahre ein enges Vertrauensverhältnis aufgebaut“, betont Tobias Mädler. Im Rahmen eines Beratungsgespräches mit Pilz kam der sichere Radarsensor PSENradar ins Spiel. Dieser stellt, insbesondere im Kontext mit der bereits vorhandenen konfigurierbaren Kleinsteuerung PNOZmulti, eine sichere Komplettlösung zur Überwachung von Schutzräumen dar. Im Gegensatz zu Scanner-Lösungen, die lediglich zweidimensionale Flächen erfassen können, überwacht PSENradar dynamische Bewegungen oder Veränderungen im dreidimensionalen Raum. Das reduziert die Anzahl notwendiger Sensoren. Da Radarsensoren ohne optische Systeme auskommen, ist PSENradar unempfindlich gegenüber Lichtreflexionen und eignet sich für den Einsatz in rauen und schmutzigen Umgebungen.
Roboterapplikation erreicht geforderte PL d Cat 3 nach EN ISO 10218-1 und -2
Aufgrund der bereits installierten Pilz-Funktionsbausteine und deren Flexibilität gestalteten sich Montage und Implementierung der Radarsensoren einfach: In drei Ecken der Roboterzelle wurde jeweils ein PSENradar-Sensor installiert und mit der zugehörigen Auswerteeinheit verbunden. Überwacht wird er vom bereits vorhandenen PNOZmulti. Die Roboterapplikation erreicht damit die geforderte PL d Cat 3 nach EN ISO 10218-1 und -2. Wird an der mit PSENradar ausgestatteten Roboterzelle eine Tür geöffnet, fährt der Roboter und die Spritzgießmaschine wie bereits zuvor in den sicheren Halt. Beim stillstehenden Roboter erfassen die Radarsensoren jetzt sämtliche Bewegungen der Personen im Schutzbereich, gleichzeitig verhindern sie sicher jede Möglichkeit zur Aktivierung der Türzuhaltungen. Haben sämtliche Personen die Zelle verlassen und registrieren dann die Radarsensoren für einen definierten Zeitraum keine Bewegungen mehr, aktiviert PSENradar automatisch seine OSSD-Ausgänge. Erst danach lassen sich die Türzuhaltungen aktivieren. Damit wird auch der Roboter reaktiviert und fährt automatisch in die Grundstellung. Der Produktionsprozess kann fortgesetzt werden. Das zeitaufwändige Ausfahren des Roboters aus der Spritzgießmaschine durch einen autorisierten Servicetechniker entfällt. Den gesamten Reaktivierungsprozess kann der Bediener nun selbst vornehmen.
Tobias Mädler zeigt sich mit der realisierten Lösung überaus zufrieden und sieht bei einer Reihe weiterer Weidplas-Anlagen ein vergleichbares Nachrüstpotenzial: „Mit der Integration des sicheren Radarsensors PSENradar haben wir nicht nur die Anlagensicherheit verbessert, sondern in enger Zusammenarbeit mit Pilz eine effiziente Lösung geschaffen, die uns hinsichtlich des automatischen Wiederanlaufs maximale Flexibilität einräumt. Im Ergebnis konnten wir die Stillstandszeiten drastisch verkürzen.“
Autor
Tobias Leska, Vertriebsingenieur