„Wir überzeugen durch unsere Flexibilität.“
07.11.2024 - Im Gespräch: Gunther Schulz, Geschäftsführender Gesellschafter bei Rodriguez
Wie wichtig eine hohe Fertigungstiefe ist, inwieweit der Kunde davon profitiert und warum Deutschland in Sachen Bürokratie an sich arbeiten sollte, darüber sprechen wir mit Gunther Schulz.
Wie hoch ist Ihr Anteil der Eigenfertigung und welche Prozessschritte decken Sie am Standort Deutschland ab?
Gunther Schulz: Der Anteil der Eigenfertigung liegt bei nahezu 50 Prozent und wird weiter ausgebaut. Im Bereich Wälzlager decken wir alle Prozessschritte von der Konstruktion respektive Zeichnung bis zur Fertigung ab. Ähnlich ist es in der Lineartechnik, wobei wir hier auch komplette Baugruppen zusammenstellen.
Inwieweit verschafft Ihnen die hohe Fertigungstiefe Vorteile gegenüber dem Wettbewerb?
Gunther Schulz: Wir überzeugen vor allem mit unserer Flexibilität. Als Mittelständler bieten wir im Vergleich zu den sehr großen Firmen eine kürzere Reaktionszeit und können Kundenanforderungen schnell umsetzen: kurze Wege, keine großen Genehmigungsprozesse – wir sind auch weniger abhängig von Zulieferern und können viel selbst entscheiden.
Und inwieweit profitiert der Kunde respektive Anwender?
Gunther Schulz: Im Fokus stehen bei uns Value Added Products, also Komplettlösungen, die wir auf Basis unserer hochwertigen Wälzlager- und Lineartechnik-Komponenten entwickeln. Wir stellen keine Normteile respektive Katalogware her, sondern liefern passgenaue Lösungen für die jeweilige Anwendung und den Kunden. Konkret bedeutet das, dass jedes Lager anders ist und wir so viel wie möglich ins Lager integrieren. So werden beispielsweise Umbauteile eingespart und Toleranzen reduziert. Dabei gibt es keine Mindeststückzahlen.
Die eigenen Produktionskapazitäten im Bereich der Präzisionswälzlager und der Lineartechnik werden unter anderem für die Fertigung kundenspezifischer Systemlösungen genutzt. Können Sie hier Beispiele nennen?
Gunther Schulz: Die Anwendungsbereiche sind sehr vielfältig. Der Schwerpunkt liegt auf Themen wie Laser/Laseroptik, Raumfahrt, Halbleiter, Medizintechnik und Automatisierung. Für eine Röntgenblende haben wir beispielsweise mal ein Standardlager umkonstruiert, sodass fünf Einzelteile für den Kunden eingespart werden konnten.
Bietet Rodriguez weitere Serviceleistungen an?
Gunther Schulz: Zu unserem Service gehören unter anderem die technische Auslegung und Lebensdauerberechnung des Lagers sowie Modifizierungen, zum Beispiel beim Lagerspiel, oder der Umbau eines Standardlagers auf Hybrid, indem wir etwa Stahl durch Keramik ersetzen.
Die Fertigungstiefe der Eigenfertigung weiter ausweiten und somit noch besser und flexibler auf Kundenwünsche eingehen zu können, ist die Vision von Rodriguez.
Wie sehen Ihre Pläne hierzu aus?
Gunther Schulz: Wir sind gerade dabei, unsere Pläne zur Kapazitätserweiterung umzusetzen: Wir bauen für etwa 5,5 Millionen Euro eine neue Produktionshalle, die voraussichtlich diesen Oktober fertig wird. Die Halle entspricht den aktuellen Standards, auch im Hinblick auf Energie- und CO2-Einsparungen, und bietet mit knapp 3.000 qm Fertigungsfläche viel Platz für den Bereich Lineartechnik. Damit verfügen wir dann über eine Halle für das Trennen gehärteter Wellen und Spindeln und eine für hochwertige CNC-Dreh- und Fräsmaschinen, und in den bestehenden Hallen gewinnen wir mehr Platz für die Präzisionslager-Montage und -Fertigung, die wir auch weiter ausbauen wollen.
Was schätzen Sie am Standort Deutschland – welche Rahmenbedingungen könnten verbessert werden?
Gunther Schulz: Positiv ist die Nähe zum Kunden. Wir generieren 70 Prozent unseres Umsatzes im Inland; 30 Prozent macht das Exportgeschäft aus, das wir gerne ausbauen wollen. Wir schätzen auch die gute Zusammenarbeit mit der nahegelegenen RWTH Aachen. Verbessern ließe sich viel durch weniger Bürokratie. Unzählige Regulierungen und großer Verwaltungsaufwand binden aktuell noch viele Arbeitskräfte und kosten Zeit und Geld, wenn beispielsweise umfangreiche Exportpapiere erstellt werden müssen.
Auf welchen Projekten, Branchen oder Produkten liegt aktuell und im kommenden Jahr Ihr Fokus?
Gunther Schulz: Aktuell bietet die Luft- und Raumfahrt sehr interessante Projekte. Auch in der Halbleiterindustrie läuft es gut. Im Linearbereich ist vor allem die Automation weiterhin Thema; vor allem im Wälzlagerbereich sollen zukünftig vermehrt komplette Baugruppen im Fokus stehen. (agry)