Bezahlbarer Gelenkarmroboter
23.10.2024 - Kennzeichnungsspezialist MFG entwickelt neuartigen Palettenetikettierer mit Low-Cost-Robotik
Mit Kanonen auf Spatzen schießen: Ähnlich unwirtschaftlich wäre es, einen schweren und teuren gusseisernen Gelenkarmroboter für einen Palettenetikettierer zu verwenden. Der Kennzeichnungsspezialist MFG aus Kranzberg bei München hat sich deshalb für einen Low-Cost-Roboter aus Hochleistungskunststoffen entschieden - und damit Geld und Integrationsaufwand gespart.
Ein Nahrungsmittelhersteller hat bei Produkttests einen zu hohen Wert des gesundheitsgefährdenden Stoffs Glycidol in seinen Süßigkeiten gefunden und sofort einen Rückruf gestartet. Heute funktionieren solche Notmaßnahmen effizienter denn je – durch Digitalisierung und Identifikationssysteme wie Serial Shipping Container Code (SSCC), in Deutschland auch bekannt unter dem Namen „Nummer der Versandeinheit“ (NVE) – eine 18-stellige Identifikationsnummer, die Hersteller über ein Etikett an der Europalette anbringen. Über diese Nummer lässt sich bei einem Rückruf der aktuelle Standort der Charge bestimmen. Im Idealfall kann der Logistiker die Paletten ins Sperrlager bringen und entsorgen, bevor die Kekse in den Handel gelangen.
Um die lebensrettenden Etiketten mit der NVE an den Paletten anzubringen, nutzen Hersteller bislang in der Regel klassische Palettenetikettierer – das sind meist Portalsysteme, die über die x- und y-Achse eine Etikettierung von zwei Seiten ermöglichen. Eine Kennzeichnung auf einer dritten Seite, wie es die SSCC-Norm für die Logistikzukunft eigentlich vorsieht, ist dabei mechanisch nur mit hohem Aufwand zu realisieren. „Um Herstellern für die Zukunft maximale Flexibilität bei der Etikettierung zu bieten, haben wir uns entschlossen, ein neuartiges Automationssystem für die Drei-Seiten-Kennzeichnung zu entwickeln“, so Hubert Lachner, Geschäftsführer des Unternehmens MFG Technik und Service.
Der 2001 gegründete Systemintegrator für industrielle Kennzeichnungstechnik hat mit 15 Standorten in Deutschland und Österreich für mittlerweile 500 Kunden, darunter Frosta, Edeka und Erdinger, mit Inkjetdruckern, Thermotransfertechnik und Lasertechnologie individuelle Kennzeichnungslösungen realisiert – von der Beratung bei der Ideenfindung über die Integration bis hin zum Service. „Herzstück des neuen Systems sollte ein Gelenkarmroboter werden, der Labels nicht nur von zwei, sondern von drei Seiten an den Paletten anbringen kann.“ Der passende Name war schnell gefunden: Label Monkey.
Fünf-Achs-Gelenkarmroboter inkl. Steuerung und Steuerungssoftware
Doch bevor Label Monkey mit der Etikettierung starten konnte, musste MFG einen passenden Roboterarm finden. „Wir suchen für unsere Kunden immer die Lösung, die den besten Nutzen bringt. Doch klassische Gelenkarmroboter für die Industrie sind für die Etikettierung in der Regel überdimensioniert und viel zu teuer“, konstatiert Hubert Lachner. Deswegen verlagerte der Kennzeichnungsspezialist die Suche in Richtung Low-Cost-Robotik – und wurde bei Igus fündig. Zum Einsatz kommen sollte zukünftig der Robolink RL-DP, ein schwarzer Fünf-Achs-Gelenkarmroboter, der eine Nutzlast von bis zu 30 Newton in einer Reichweite von 790 Millimetern positionieren kann. „Das Gehäuse ist kostengünstig im Spritzguss aus Hochleistungskunststoff hergestellt, ebenso Komponenten wie Getriebe und Gelenke“, so Reiner Nusser, Spezialist für Automatisierungstechnik und Robotik bei Igus. „Dadurch kostet der Robolink RL-DP mit 7.200 Euro inklusive Steuerung und Steuerungssoftware nur ein Bruchteil des Preises klassischer Gelenkarmroboter aus Metall.“ Nach 16 bis 24 Monaten hat sich dieser Betrag bereits amortisiert.
„Nicht der allerschnellste, aber für seine Aufgabe genau der richtige“
Und so funktioniert der Label Monkey: Die gesamte Technik des Etikettierroboters ist im Inneren einer platzsparenden Umhausung aus Aluminiumprofilen und Plexiglasscheiben untergebracht. Die Standfläche beträgt 700 x 1.200 Millimeter. „Diese Kompaktheit war uns sehr wichtig, weil Palettenetikettierer oft am Rand von Durchgangswegen oder Staplerstraßen stehen“, so der Geschäftsführer der MFG. Im oberen Drittel montiert: zwei Druckwerke, die Etiketten im DIN-A5-Format mit variablen Daten bedrucken, etwa mit NVE oder Barcode, darunter: der Gelenkarmroboter. Er nimmt die Etiketten mit einem elektrischen Vakuumgreifer auf, schwenkt nach außen und drückt sie gegen die Außenwand der Palette, die über eine Rollenbahn am Label Monkey vorbeifährt. Mit einer Wiederholgenauigkeit von einem Millimeter. Ein Scanner am Roboterarm prüft anschließend den Barcode auf dem Etikett. Bis zu 60 Paletten pro Stunde können von drei Seiten etikettiert werden. „Mit 17 Sekunden pro Zyklus ist der Gelenkarmroboter nicht der allerschnellste“, wirft Hubert Lachner ein, „doch für die Applikation von Palettenetiketten ist er perfekt dimensioniert.“
Testlabor beweist: Low-Cost-Roboter schafft drei Millionen Zyklen
Doch nicht nur Kompaktheit und der günstige Preis haben MFG vom Robolink RL-DP überzeugt. Punkten konnte der Gelenkarmroboter auch mit Langlebigkeit und Wartungsfreundlichkeit. „Fällt ein Kennzeichnungssystem aus, verzögert sich die komplette Produktion. Termine verschieben sich, Ware kann nicht pünktlich geliefert werden, Kunden müssen warten. Entsprechend wichtig war es uns, dass der Gelenkarmroboter ausfallsicher arbeitet und sich im Ernstfall schnell reparieren lässt“, so Hubert Lachner. Dass der Robolink einen langen Atem hat, konnte Igus im Testlabor beweisen. In Langzeittests mit einer Nutzlast von 110 Gramm überstand der Roboter ohne Probleme drei Millionen Zyklen. Um Ausfallzeiten zu senken, hat MFG zudem für Redundanz im Druck gesorgt: Im Label Monkey sind zwei Druckwerke verbaut. Fällt ein Drucker aus, springt der zweite ein, sodass auch dann eine unterbrechungsfreie Produktion sichergestellt ist, wenn Anwender Etiketten oder Farbbänder tauschen.
„Es ist wirklich ein Kinderspiel, die Bewegungen des Robolink festzulegen“
Ein weiterer Vorteil der Low-Cost-Robotik von Igus: Der Robolink RL-DP ist nach dem Plug-and-play-Prinzip sofort einsatzbereit und leicht in den Label Monkey integrierbar. So sind alle Leitungen im Inneren des Arms anschlussfertig verlegt. MFG musste lediglich die Steuerung im Schaltschrank montieren und mit der übergeordneten SPS verbinden, welche die Synchronisation von Drucker und Roboterarm steuert. Die Programmierung der Bewegungen des Roboterarms gelang schließlich in kurzer Zeit mit der Igus Robot Control – einer kostenlosen und lizenzfreien Software, welche die sogenannte Teach-in-Programmierung ermöglicht. Dabei bewegen Anwender den Roboterarm mit einem Joystick in die gewünschten Zielpositionen und speichern diese ab. Ohne Programmierkenntnisse lassen sich hier in wenigen Minuten Bewegungsabläufe festlegen. „Es ist wirklich ein Kinderspiel, die Bewegungen des Robolink festzulegen. Alle Schritte sind intuitiv verständlich und verlangen an keiner Stelle Programmierkenntnisse. Somit konnten wir bei der Entwicklung des Label Monkey einige Zeit sparen“, hält Hubert Lachner fest. „Bei Fragen zur Integration konnten wir uns jederzeit an die Experten von Igus wenden, die uns von Anfang an beim Entwicklungsprozess unterstützt haben.“
Autor
Alexander Mühlens, Prokurist und Leiter des Geschäftsbereichs Low-Cost-Automation