Automatisierung

Weniger Varianten bei höherer Verfügbarkeit

16.07.2024 - Standardisierter Antriebs- und Automatisierungsbaukasten begrenzt Variantenvielfalt beim Retrofit in den Baustoffwerken Havelland

Die Baustoffwerke Havelland in Oranienburg bei Berlin stellen Porenbeton-Steine her. Mit Hilfe der Firma StaKo Tec in Hamburg modernisierten sie ein komplettes Werk. Bei der Antriebstechnik setzten sie auf Servotechnik eines langjährigen Partners. 

Die Baustoffwerke Havelland fertigen im Norden Berlins Porenbeton-Steine und -Bauelemente der Marke Porit. Inzwischen blickt das Werk in Oranienburg auf drei Jahrzehnte Erfahrung zurück. In dieser Zeit wuchs auch der eingesetzte Maschinenpark kontinuierlich. Entsprechend vielschichtig ist er heute – sowohl funktional als auch altersmäßig. Um die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Anlage zu erhalten, wurde 2021 ein Retrofit der Antriebs- und Steuerungstechnik durchgeführt. Weil diese Arbeiten bei laufendem Betrieb erfolgen sollten, stellte die Modernisierung eine besondere Herausforderung dar. 

„Wir sind Problemlöser“, versichert Tim Greve, Geschäftsführer der Firma StaKo Tec. Das Hamburger Unternehmen entwickelt kundenspezifische Lösungen für die produzierende Industrie, ist spezialisiert auf die Automatisierung ausgedehnter Fertigungsstraßen sowie kompletter Anlagen und arbeitet eng mit dem Bruchsaler Antriebsspezialisten SEW zusammen.

Schrittweise Modernisierung 

Bei einem Großprojekt für die Baustoffwerke Havelland wurde ein komplettes Werk zur Herstellung von Porenbeton-Steinen automatisiert. Gerade in ausgedehnten Produktionsanlagen mit einer Vielzahl verketteter Teilprozesse lassen sich bei einem schrittweisen Retrofit Maschinenbereiche nicht einfach aus dem Verbund nehmen, ohne dass das Auswirkungen auf das gesamte Produktionssystem hätte. Dafür wurde mehr Zeit benötigt und StaKo Tec nutzte den geplanten Produktionsstillstand in der Winterzeit für die Modernisierung der Antriebs- und Steuerungstechnik einzelner Prozesse. 

Am Anfang der Zusammenarbeit der Baustoffwerke mit StaKo Tec und SEW-Eurodrive stand der Retrofit einer Kransteuerung, einschließlich der Modernisierung des Fahrantriebs. Diese Lösung bildete den Auftakt für weitere Modernisierungsarbeiten in Oranienburg. „Unserem Kunden haben die Arbeit und das erreichte Ergebnis gut gefallen“, blickt Tim Greve zufrieden zurück. Der Erfolg des ersten Retrofits zog weitere Aufträge nach sich, um das komplette Werk schrittweise zu modernisieren. 


Drei Motorbaugrößen für eine reduzierte Lagerhaltung

Bisher waren rund 100 Asynchronmotoren im Netzbetrieb sowie Gleichstrommotoren mit unterschiedlichen Baugrößen im Einsatz. Bei der Erneuerung der Antriebstechnik entschied sich StaKo Tec für energieeffiziente asynchrone Servomotoren von SEW-Eurodrive. Sie werden durch Frequenzumrichter des Bruchsaler Antriebsautomatisierers gespeist. Um einheitliche Elektronikbaureihen beizubehalten, entschied sich der Kunde, bei ihm bewährte SEW-Antriebe bei der Modernisierung des Werks erneut einzusetzen. 

Die meisten Antriebsaufgaben im Werk lassen sich durch zwei Leistungsklassen erledigen, ermittelten die SEW-Spezialisten. Achsen mit 5,5 kW sind vornehmlich als Fahrantriebe im Einsatz und 7,5-kW-Achsen als Positionierantriebe. Für weitere Einzelantriebe reichte eine Auslegung mit 15 kW Nennleistung aus. Durch diese wichtige Optimierungsempfehlung von SEW-Eurodrive musste sich der Baustoffhersteller jetzt nur noch drei unterschiedliche Baugrößen als Ersatz auf Lager legen, damit er im Falle einer Reparatur schnell wieder in Betrieb gehen kann. Der Einsatz von Standardantrieben sorgt zudem dafür, dass Nachlieferungen ohne zeit­intensive Anpassungen aus dem SEW-Lagerbestand möglich sind.

 
Asynchron ersetzt Gleichstrom 

Beim Austausch der Gleichstrommotoren durch Asynchronservomotoren erwies es sich als vorteilhaft, dass die Motoren von SEW-Eurodrive ähnliche Abmessungen haben. Dadurch entstand wenig Aufwand für neue Kupplungen oder Flansche. Nicht nur bei den Motorabmessungen passte die SEW-Lösung, die neuen Motoren haben auch ähnliche Massenträgheitsmomente. Dadurch gab es regelungstechnisch beim Antriebsverhalten keine Probleme. 


Geänderte Steuerungsstruktur 

Neben den Antrieben wurde zeitgleich die Schnittstelle zur bestehenden Technik realisiert. Die Integration einer Interface-Ebene sorgt dafür, dass die Altsysteme nicht „bemerken“, dass es neue Technik im Verbund gibt. Die neuen Antriebssysteme lassen den vorhandenen Bestandsverbund glauben, alles sei wie vor dem Umbau. 

Der Auftrag der Baustoffwerke Havelland an StaKo Tec beinhaltete eine serverbasierte Steuerung auf Ebene der Prozessleittechnik für die Herstellung und den Transport der Porenbeton-Steine. StaKo Tec setzte hier auf die Plattform AutomationX des gleichnamigen Unternehmens aus Graz. Die Leistungen der Hamburger Automatisierungsspezialisten umfassten die Konzepterstellung, Anbindungen an das übergeordnete Steuerungssystem sowie an Kennzeichnungs-, Verpackungs- und Lagerverwaltungssysteme. Die Treibererstellung für die SPS-Kommunikation gehörte ebenso zum Leistungsumfang wie eine Kameraüberwachung durch Netzwerkkameras sowie Inbetriebnahme und Schulung. 
Um die überlagerte SPS nicht mit Rechenaufgaben für die Motion Control zu belasten, nutzt Stako Tec die integrierte Positioniersteuerung der Frequenzumrichter von SEW-Eurodrive. Sie übernehmen neben der Drehzahlregelung der Motoren auch die Positioniersteuerung. 


Welche Antriebe passen für welche Anwendung? 

Diese Frage wurde im Retrofit-Projekt gemeinsam mit den Engineering-Spezialisten von SEW-Eurodrive beantwortet. Während StaKo Tec seine Kompetenz vor allem im Prozessverständnis und der Steuerungstechnik sieht, nutzten die Hamburger die Expertise von SEW-Eurodrive bei der Antriebsauslegung. „Wir pflegen hier eine gute und partnerschaftliche Zusammenarbeit. Die ist auch erforderlich bei derart anspruchsvollen Retrofits“, so StaKo Tec-Geschäftsführer Tim Greve. „Wir sind schon ein Stück weit SEW-Fans geworden“, merkt er zufrieden an. Eine ähnlich gute Stimmung herrscht auch im Betonwerk, führte doch der Retrofit hier zu einer spürbaren Produktivitätssteigerung. Laut Herrn Greve sind die Anlagen schneller geworden. Der Tempogewinn resultiert unter anderem daraus, dass die Regelung von Förderschnecken jetzt genauer und schneller erfolgt. Das führt am Ende zu einem höheren Output der Mischanlage. In einem anderen Bereich der Fertigung ließen sich optimierte Bewegungsprofile – im Zusammenspiel mit einer vorausschauenden Positionierung – realisieren. Auf diese Weise konnte StaKo Tec die Prozessabläufe verbessern, speziell das Zusammenwirken unterschiedlicher Prozessschritte, und die Produktivität um bis zu 30 Prozent steigern. Ferner eröffnet der Wechsel auf moderne Antriebs- und Steuerungstechnik für die Baustoffwerke Havelland neue Möglichkeiten der Produktrückverfolgbarkeit: Nach dem Retrofit kann man für jeden Porenbetonstein einen kompletten Datensatz durch die Anlage mitführen. 

Die Herstellung von Baustoffen zeigt, wie wichtig bei einem Retrofit die enge Zusammenarbeit von Systemintegrator, Betreiber und Antriebshersteller ist, um das Beste herauszuholen – funktional und produktiv. Hierbei ermöglichen ein standardisierter Antriebs- und Automatisierungsbaukasten, die Variantenvielfalt wirksam zu begrenzen. 

Autor
Gunthart Mau, Referent Fachpresse, SEW-Eurodrive

Kontakt

SEW-Eurodrive GmbH & Co KG

76642 Bruchsal
Deutschland

07251/75-0

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