Automatisierung

„Wir spielen eine bedeutende Rolle in der Zukunft von RFID“

04.03.2024 - Im Interview: Rainer Traub, Product Cluster Manager Identification, spricht über 40 Jahre RFID bei Balluff

Warum Balluff in Sachen RFID weiß, „wie es geht“, wieso das Unternehmen in der Zukunft der Technologie eine bedeutende Rolle spielt und wie RFID im UHF-Bereich der Durchbruch gelingt, darüber sprachen wir mit Rainer Traub. 
 

40 Jahre RFID bei Balluff: Wie ist Balluff dazu gekommen und wie sieht die Zukunft aus?

Rainer Traub: Die 40-jährige Expertise im Bereich RFID resultiert aus einem kontinuierlichen Fokus auf Innovation und Kundenbedürfnisse. Wir haben das gesamte Spektrum von Datenträgern bis zu Auswerteeinheiten ständig verbessert. Unsere Zukunft ist vielversprechend: Mit 40 Jahren Applikationsnähe und technischer Tiefe zeigen wir, dass wir genau wissen, „wie es geht“. Durch enge Partnerschaften im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Automobilindustrie sind wir bestens aufgestellt. Unser breites Portfolio, insbesondere im Bereich HF (13,56 MHz), und kontinuierliche Weiterentwicklung sichern uns eine bedeutende Rolle in der Zukunft von RFID.


Inwieweit hat Balluff zur Entwicklung der RFID-Technologie beigetragen?

Balluff hat eine entscheidende Rolle in der Gestaltung des RFID-Marktes gespielt, insbesondere in herausfordernden industriellen Umgebungen wie beispielsweise in Werkzeugmaschinen. Hier haben wir Standards gesetzt, die sich mit Eigenschaften wie Kühl-/Schmiermittel-Beständigkeit, dem bündigen Einbau in Metall und der 100-prozentigen Verlässlichkeit auseinandersetzen. Ein Beispiel ist die „Balluff Pille“, die in einer Normbohrung im Steigkegel von Werkzeugen integriert wird. Diese Innovation diente nicht nur als Wegbereiter für den RFID-Markt, sondern etablierte sich auch als Standard, den viele Tool-Management-Systeme heute noch nutzen. Heute engagiert sich Balluff aktiv in relevanten Gremien zur Standardisierung und Normierung. Als Mitglied im AIM, dem Dachverband für die RFID-Technologie, setzen wir uns weiterhin dafür ein, Industriestandards voranzutreiben und zu fördern.


Was sind RFID-Systeme und für welche Aufgaben (in der Industrie) werden sie eingesetzt?

RFID-Systeme, basierend auf berührungsloser Kommunikation, teilen sich grob in induktive (für kürzere Abstände) und funkbasierte Systeme (für größere Abstände) auf. Anwendungen reichen von Rückverfolgbarkeit und Asset-Management bis zu Authentifizierung, Überwachung und Logistiksteuerung in der Produktion.


Wie gehören der Electronic Product Code (EPC) und RFID zusammen?

Der Electronic Product Code (EPC) findet vor allem in UHF-Anwendungen Verwendung. In geschlossenen werksinternen Kreisläufen wird eine kundeneigene Behälter-Nummer zur Identifikation in den EPC-Speicher des Datenträgers geschrieben, während die Bearbeitungs- oder Prozessdaten in übergeordneten IT-Systemen verwaltet werden. Bei offenen Anwendungen außerhalb des Unternehmens erfolgt die EPC-Realisierung nach einem GS1-Kodier-Schema wie SGTIN und GRAI. Abhängig von den Unternehmensanforderungen bietet GS1 für UHF verschiedene Kodierschemata an. Im Gegensatz dazu spielt EPC bei HF-Systemen keine Rolle, stattdessen wird mit einer unveränderbaren Unique-ID (UID) gearbeitet. Hier verwendet der Kunde den sogenannten User-Speicher, um eigene Datenstrukturen einzuführen, wobei diese Speicher im Vergleich zu UHF-Datenträgern oft größer sind, typischerweise mehrere Kilobyte anstatt der üblichen 96, 128 oder 512 Bit.


Wo sehen Sie die Vorteile der Technologie, wo die Grenzen?

RFID sammelt beispielsweise gegenüber optischen Systemen wie dem Barcode Punkte, weil es robuster ist gegen Verschmutzung und mechanische Beschädigung und auch mit UHF zum Beispiel Massenerfassung (Bulk reading) ermöglicht. Zudem sind die Daten im User-Speicher veränderlich, das heißt der Datenträger kann on-the-Fly in dynamischen Prozessen nicht nur gelesen, sondern auch mit zusätzlichen Informationen beschrieben werden. Auch bei schnellen dynamischen Prozessen sehen wir Vorteile gegenüber Kamerasystemen, die RFID-Datenerfassung und Verarbeitung kann einfach schneller erfolgen als das Auswerten eines Kamerabildes. Was ein großer Vorteil von RFID ist und dessen Bedeutung auch immer mehr zunimmt, ist das Thema Daten-Security bezüglich Lesen und Schreiben von Daten (Kopierschutz, Schreibschutz, passwortgesteuerter Zugriff etc.) Jedoch gibt es auch Grenzen. Die bisherigen UHF-Lesegeräte auf dem Markt sind meist zu groß, um direkt in die Maschine oder das Maschinenbett eingebaut zu werden. Sie benötigen zu viel Platz und müssen einen bestimmten Abstand zu den Datenträgern einhalten, um eine erfolgreiche Erfassung zu gewährleisten. An dieser Stelle kommt bei Balluff-Kunden oft der M30-Reader mit integrierter IO-Link-Schnittstelle zum Einsatz. Er kann in die Maschine eingebaut werden und seine patentierte Antenne sorgt für einen sicheren Empfang innerhalb eines Bereichs von bis zu 50 Zentimetern, sofern die Datenträger entsprechend groß sind. 


Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Kosten. Wo liegen diese aktuell für den Einsatz von RFID-Technologien?

Die Kosten für optische oder RFID-Lesegeräte sind nicht sehr unterschiedlich, der große Preisunterschied entsteht durch die Codierung vom Objekt, in Form von Barcode gegenüber RFID-Datenträger. Über die vergangenen Jahre beobachtet man im Markt eine Preiserosion für die Datenträger. Kostendruck entsteht vor allem, wenn es um einfache Labels mit hohem Volumen geht, die für den einmaligen Gebrauch bestimmt sind. Die Kosten variieren je nach verwendetem Frequenzband und den Anforderungen an die Robustheit. Bei Datenträgern gibt es verschiedene Arten. Zum Beispiel gibt es Labels aus Papier, die einfach gestaltet sind. Es gibt auch robuste, eingehauste Datenträger, die Temperaturen über 200 °C aushalten können, oder Datenträger, die direkt auf oder in Metall appliziert werden können. Diese Arten haben sehr unterschiedliche Preise, von wenigen Cent bis zu einigen hundert Euro für sehr spezielle Anwendungsfälle. Die Frage der Kosten verbindet auch immer die Frage des Nutzens und in diesem Zusammenhang des Business Cases: Wenn sich dieser nach wenigen Jahren oder sogar nach wenigen Monaten amortisiert, werden die Investitionen typischerweise getätigt. 


Was braucht es an Entwicklungen respektive Entscheidungen, damit RFID der Durchbruch gelingt? 

Im Bereich industrieller Identifikation mit HF-Systemen wurde der Durchbruch bereits vor vielen Jahrzehnten erreicht. Bei der UHF-Technologie sieht es etwas anders aus. Es gibt viele Berichte, die potenzielle Kunden fehlerhafte Vorstellungen von dieser Technologie vermittelt haben. Die UHF-Technologie ist sehr empfindlich gegenüber den Umgebungsbedingungen am Einsatzort des Kunden und in dessen Anlage. In Datenblätter von Transponderherstellern zum Beispiel steht, dass die Kommunikationsreichweite zehn Meter beträgt. In der tatsächlichen Anwendung stellt sich jedoch heraus, dass nur noch zwei Meter übrig sind. Das bedeutet eine erhebliche Reduzierung von 80 Prozent, was in realen Anwendungen keine Seltenheit ist. 


Aber warum ist das so? 

Die UHF-Datenblätter enthalten Leseabstände, die üblicherweise bei zwei Watt Leistung im reflexionsarmen Raum ermittelt werden. Gesetzlich ist diese Leistungsgrenze vorgeschrieben. Praktisch zeigen sich jedoch bis zu 80 Prozent reduzierte Leseabstände. Dies liegt an der Wellenausbreitung und Reflexionen in der Umgebung. Wenn eine Antenne einen Datenträger bestrahlt, entstehen neben der direkt abgestrahlten Welle auch reflektierte Wellen. Diese reflektierten Wellen können Phasenverschiebungen haben, was zu einer Auslöschung des Signals führt. In der Realität gibt es viele Reflexionen und Phasenverschiebungen durch Objekte in der Umgebung, was zu niedrigeren Energieniveaus für den Datenträger führt und die angegebenen Leseabstände der Datenblätter unrealistisch macht. Unseren Kunden empfehlen wir daher immer die Machbarkeit sprich einen Versuchsaufbau an der echten Anlage zu prüfen und die RFID-Systeme entsprechend einzumessen. 


Ein immer mehr in den Fokus rückendes Thema ist die Nachhaltigkeit. Wie sieht es mit der Umweltverträglichkeit der Technologie aus?

RFID-Produkte unterliegen Umweltrichtlinien wie RoHS und REACH, die nachhaltige Materialien und einen umweltfreundlichen Energieverbrauch gewährleisten. Die Umweltverträglichkeit der RFID-Technologie gewinnt an Bedeutung, da sie durch Prozessoptimierung und Rückverfolgbarkeit gezielten Ressourceneinsatz ermöglicht. Die Umweltfreundlichkeit variiert je nach Anwendung. In der Produktion werden RFID-Datenträger oft wiederverwendet, was die Abfallmenge deutlich reduziert. Im Gegensatz dazu zeigt sich bei Labels ein Trend zum einmaligen Gebrauch. RFID hat das Potenzial, Umweltfreundlichkeit zu fördern, besonders durch Prozessoptimierung und nachhaltige Materialverwendung. Eine umfassende Betrachtung der Umweltauswirkungen erfordert jedoch die Berücksichtigung des spezifischen Anwendungsfalls.


Welche Identifikationslösungen hat Balluff im Portfolio?

Balluff ist in Branchen wie der Automobilindustrie, dem Energiesektor und der Verpackungsindustrie tätig. Unsere RFID-Produkte finden Anwendung in verschiedenen Szenarien, darunter Produktionslogistik, Rückverfolgbarkeit von Werkzeugen, Identifikation von Wechselteilen und Zugangskontrolle. Unsere Stärken liegen in der Entwicklung von Digitalisierungs- und IIoT-Anwendungen. Wir bieten ein umfassendes RFID-Portfolio, darunter LF-Systeme wie BIS L (125 kHz) und BIS C (70/455 kHz) für den Nahbereich. Im HF-Bereich haben wir das größte Portfolio auf dem Markt mit Produkten wie BIS M (13,56 MHz) für die Teileverfolgung im Nahbereich. Unsere Auswerteeinheiten unterstützen weltweit gängige Schnittstellen, und im UHF-Bereich (860-960 MHz) konzentrieren wir uns auf die Entwicklung von UHF-Technologie im Bereich bis zu 1,5 Metern, um die Anforderungen des Maschinen- und Anlagenbaus sowie der Automobilindustrie zu erfüllen.


Wie ist RFID Ihrer Meinung nach abschließend zu beurteilen?

Abschließend betrachtet ist RFID in der industriellen Identifikation unverzichtbar geworden. Es hat sich längst von einer technologischen Nische zu einer weit verbreiteten Anwendung entwickelt. Die kontinuierliche Entwicklung und Verbreitung in verschiedenen Branchen zeugen von seiner Relevanz. Die zukünftigen Herausforderungen liegen insbesondere im Bereich UHF, wo die Technologie weiter optimiert werden muss, um den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. (agry)

Kontakt

Balluff GmbH

Schurwaldstraße 9
73765 Neuhausen

+49 7158 173 0
+49 7158 5010

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