Bildverarbeitung

Wie Augmented Reality die ­Produktion von Nutz- und ­Sonderfahrzeugen optimiert

28.11.2023 - Automatische Laser-Projektionen in der Montage von Kleinserien

Da sich bei Kleinserien und Einzelstücken im Nutz- und Sonderfahrzeugbau eine Automatisierung oft nicht lohnt, erfolgen viele Produktionsschritte ­manuell. Augmented Reality (AR) kann diese Prozesse optimieren und die Arbeit der Werker erheblich erleichtern. Unternehmen produzieren dadurch schneller, kostengünstiger und genauer.

Nutz- und Sonderfahrzeuge werden für einen speziellen Einsatz oder spezifische Aufgaben konzipiert. Darunter fallen zum Beispiel Einsatzwagen von Rettungsdiensten, Polizei und Feuerwehr sowie LKWs und Landmaschinen, Baufahrzeuge, Militärfahrzeuge, Wohnmobile oder auch gepanzerte Limousinen. Sie verfügen über besondere Aufbauten, Funktionen oder Ausstattungsmerkmale. Da Nutz- und Sonderfahrzeuge eine spezielle, begrenzte Zielgruppe haben, werden sie meist in kleineren Stückzahlen gefertigt. Zudem ist innerhalb der Branche ähnlich zur gesamten Automobilindustrie ein Trend hin zu mehr Individualisierung und Digitalisierung zu beobachten. Kunden erwarten, dass sie ihr Fahrzeug nach ihren Wünschen im Konfigurator zusammenstellen können. Häufig ist die Komplexität bei Nutz- und Sonderfahrzeugen aufgrund der Spezialisierung allerdings an sich schon höher. So steckt in einem Traktor-Cockpit zum Beispiel mehr Technik als in einem Auto. Entsprechend vielfältig sind auch die Konfigurationsmöglichkeiten und umso aufwendiger wird das Customizing. 


Automation und Schablonen oft nicht rentabel

OEMs und Lieferanten im Nutz- und Sonderfahrzeugbau stehen vor der Herausforderung, dass sie bei vergleichsweise kleinen Stückzahlen eine immer größere Variantenvielfalt meistern müssen. Anders als im Automobilbereich, wo große Mengen vom Band laufen, rechnet sich eine Automatisierung hier oft nicht. Unikate wie Rennfahrzeuge oder gepanzerte Limousinen werden in der Regel ohnehin von Hand montiert. Doch auch bei kleineren Serien müssen Unternehmen genau kalkulieren, ob sich die Anschaffung von Robotern lohnt. Denn die Maschinen sind teuer und brauchen viel Platz in der Werkshalle. Außerdem ist für jede zu fertigende Variante ein aufwendiger Teaching-Vorgang erforderlich. Bis sich die Investitionen amortisieren, vergehen meist viele Jahre. Bei kleinen Stückzahlen ist es daher oft preiswerter, Montageschritte händisch durchzuführen.

Auch der Einsatz von physischen Positio­nier- und Prüfschablonen rechnet sich nur für die Serienproduktion mit einer überschaubaren Zahl an Varianten. Solche Schablonen zeigen dem Werker genau an, wo er welchen Bolzen, welche Schweißnaht oder Verkabelung anbringen muss. Doch sie herzustellen, zu lagern und instand zu halten, kostet viel Geld. Je mehr Varianten ein Unternehmen fertigen muss, umso mehr Schablonen sind nötig. Bei kleinen Stückzahlen mit vielen Varianten ist das meist nicht rentabel. 


Gezielt Augmented Reality einsetzen

Der Einsatz von Augmented Reality kann Unternehmen im Nutz- und Sonderfahrzeugbau dabei unterstützen, die Herausforderungen manueller Arbeit, steigender Komplexität und hohen Qualitätsanforderungen zu bewältigen. Durch den Einsatz der dynamischen Laser- und Videoprojektion können Arbeitsschritte vereinfacht und die Präzision optimiert werden. Im Vergleich zu herkömmlichen Werkzeugen, wie Zollstöcken oder taktilen Messmitteln, etwa Ständermessmaschinen, ist die Technologie flexibler, effizienter und sicherer. Ein Laser- oder Videoprojektor projiziert CAD-Daten lagerichtig in 3D auf bewegte Werkstücke, sodass der Werker genau sehen kann, wo er jedes Bauteil anbringen muss. Der Aufwand, neue Varianten in das System einzupflegen, ist gering. Über Datenschnittstellen lassen sich die Inhalte automatisch anzeigen und überprüfen. Im Gegensatz zur Automatisierung mit Robotern ist die Investition in Augmented-Reality-Lösungen schnell amortisiert und es ist nicht nötig, physische Schablonen herzustellen und zu lagern. Unternehmen können die Technologie fest in ihre Fertigungsinfrastruktur integrieren oder mobil an verschiedenen Montageplätzen einsetzen – je nachdem, was sich für den Anwendungsfall besser eignet.


Ein Praxisbeispiel: fest integrierte AR in der Wohnwagenproduktion

In manchen Fällen lohnt sich eine statische Integration der AR-Lösung in die Produktionsumgebung. Ein Wohnwagenhersteller nutzt das zum Beispiel für die Fertigung großer Sandwich-Panels: Über dem Band befinden sich pro Beleimungstisch zwei fest installierte Videoprojektoren. Wenn ein Bauteil dort mit der Fördertechnik ankommt, triggert die Anlagentechnik automatisiert die Projektion. Die richtigen CAD-Daten werden im AR-System abgerufen und farblich codiert und flickerfrei direkt auf das Bauteil projiziert. Der Werker kann sofort mit der Montage beginnen. Auch über Änderungen im Design braucht er sich keine Gedanken zu machen: Die Projektion zeigt ihm immer an, was er wissen muss, egal ob es sich um ein neues oder ein schon oft produziertes Modell handelt. Nach einmaliger Konfiguration mithilfe eines CAD-Datenmodells ist der Wohnwagenhersteller in der Lage, neue Varianten sofort am Band zu produzieren.


So optimiert Augmented Reality das Qualitätsmanagement

Auch die Qualitätssicherung unterstützt die dynamische Laser- und Videoprojektion. Sie zeigt unmittelbar die exakte Soll-Positionierung von Bauteilen auf dem Werkstück an, ohne dass der Mitarbeiter aufwendig nachmessen muss. So kann er viel einfacher und effizienter kontrollieren, ob alle Arbeiten richtig durchgeführt wurden. Die Projektion erleichtert auch die Fehlersuche und die Ausarbeitung von Lösungen. Außerdem vermeidet sie Verwechslungen: Bei einer großen Variantenvielfalt gibt es zum Beispiel viele Möglichkeiten, welche Löcher für die Lackierarbeiten maskiert werden müssen. Eine AR-Visualisierung zeigt für jede Variante automatisch die richtige Positionierung an und bildet sozusagen eine Brücke vom digitalen Modell in die reale Welt.

Der Informationsfluss funktioniert zudem auch in die andere Richtung: So erfassen die Kameras des AR-Systems genau, wo der nächste Arbeitsschritt ansteht und können diesen mittels digitaler Bildverarbeitung in vielen Fällen zuverlässig überprüfen sowie Ergebnisse im digitalen Zwilling festhalten. Zudem lassen sich dadurch auch Projektionsinhalte unmittelbar dynamisch steuern, indem von einem Arbeitsschritt zum nächsten weitergeschaltet wird. So zeigt das System beispielsweise die Positionen von Stopfen, Kabelclips oder anderen Anbauteilen zunächst alle in Weiß an, nach korrekter Montage grün und im Fehlerfall rot. Somit gelingt ein bidirektionaler Brückenschlag zwischen digitalem Modell und dem realen Bauteil.


Augmented Reality als Wettbewerbsvorteil in der Fertigungsindustrie

Je stärker die Digitalisierung voranschreitet, desto mehr Varianten und Individualisierung sind möglich und umso höher werden auch die Kundenerwartungen. Wer diese nicht erfüllt, wird von der Konkurrenz ausgestochen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen Hersteller eine optimale technische Unterstützung. Gerade dort, wo eine Vollautomatisierung aufgrund der kleinen Stückzahlen nicht rentabel ist, wird AR ein unverzichtbares Hilfsmittel sein. Indem sie 3D-Daten unmittelbar für den Werker nutzbar macht, kann sie komplexe manuelle Prozesse effizienter gestalten. Gerade bei Unikaten und Kleinserien im Nutz- und Sonderfahrzeugbau zahlt sich der Einsatz von Augmented Reality aus. So können Hersteller Montagezeiten verkürzen, die Qualität steigern und ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern.

Autor
Dr. Peter Keitler, Gründer und CEO von Extend3D

Kontakt

Extend3D GmbH

Wamslerstraße 2
81829 München
Bayern, Deutschland

+49 (0)89 215 50 16 0

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