Bildverarbeitung

Smartes Überwachen und Steuern mittels Edge-Computing

24.11.2023 - KI-gestützte, multisensorische und bildbasierte Datenverarbeitung

Eine mittelgroße Zementmühle hat allein für das Aufmahlen des Zementklinkers einen jährlichen Energiebedarf von etwa 20 GWh. Hier liegt ein riesiges Optimierungspotenzial, das sich mit einer KI-basierten Anlagensteuerung heben lässt. Da Kalksteinmahlwerke in der Nähe von Kalksteinbrüchen betrieben werden, also in entlegenen Gebieten, ist eine lokale Datenverarbeitung mittels Edge-Computig unumgänglich.

Im Forschungsvorhaben Emilie (Embedding Machine Intelligence Logic and IT Security into Edge Devices) entwickelt das Fraunhofer ITWM gemeinsam mit den Partnern Real-Time Systems, Mobotix, Gebr. Pfeiffer, Magnetic Sense und der Hochschule Bremen Lösungen auf Basis intelligenter Edge-Elektronik. Ziel ist es, Daten auf Edge-Geräten sicher und robust zu erfassen und basierend auf einer künstlichen Intelligenz (KI) zu verarbeiten, um mit den resultierenden Informationen im Schaltschrank die Produk­tionsprozesse zu steuern und zu überwachen.

Smarte Sensorik und KI für effizientere Produktion

Im Projekt Emilie wird das Potenzial von intelligentem Edge Computing an zwei Prozessen aus der Praxis verdeutlicht: Mahlwerke von Gebr. Pfeiffer werden um smarte Edge-Geräte erweitert, damit sie automatisiert und energieeffizient betrieben werden können. Erste Tests an den einzelnen Komponenten laufen an einer Versuchsmühle im Technikum von Gebr. Pfeiffer in Kaiserslautern. Die zweite Praxisanwendung sind Turbosätze, die von Hima betreut werden.

Erreicht werden sollen ein messbar höherer Durchsatz, eine höhere Energieeffizienz und eine effektivere Abschätzung des verbleibenden Abnutzungsvorrats. Die Integration von KI-Verfahren in signalverarbeitende Analysen ermöglicht das sichere Überwachen von Betriebszuständen mit ressourcenschonender prädiktiver Instandhaltung, um geplante und ungeplante Ausfälle zu verringern, sowie die automatisierte, zustandsbasierte Prozesssteuerung der Anlagen in effizientere Bereiche.

Um auf sensorischer Ebene die hierfür erforderliche sichere, robuste und echtzeitnahe Überwachung von Schwingungen im Produktionsprozess zu ermöglichen, wird die Elektronik folgender Sensoren und Edge-Geräten zur Ausführung intelligenter Datenverarbeitungen weiterentwickelt:

  • Um die Abstands- und Temperaturkompensation zu verbessern, wird ein magnetostriktiver Sensor zur Kraftmessung von Magnetic Sense erweitert. Für die Sensorplatine werden intelligentere Algorithmen entwickelt, die es erlauben, neben Temperatur und Drehmoment auch Drehzahl und Drehwinkel der Welle zu berechnen, an der der Sensor angebracht ist.
  • Eine Industriekamera von Mobotix wird zur Vibrationsüberwachung hard- und softwaretechnisch weiterentwickelt, um auf ihr direkt Gehäuseschwingungen von frei konfigurierten Bildpunkten zu extrahieren und die Amplituden als Wegsignale kanalbasiert zu jedem Punkt weiterzugeben.
  • Das IOT-Gateway Arendar von Real-Time Systems wird über eine Co-Prozessorkarte erweitert, die es erlaubt, passend zur angebundenen Sensorik multivariate Analysen über mehrere Sensorkanäle zu bündeln, sodass umfassende Merkmale zur Maschinendynamik angeboten werden können. Auf dieser Basis bildet das Gateway die Grundlage für Anwendungen über Monitoring, Diagnose, Prognose und Optimierung.

Das Fraunhofer ITWM hat einen Demonstrator entwickelt, der diese drei Komponenten vereint. Daran können die Software-Komponenten von Emilie unter kontrollierte Bedingungen weiterentwickelt und getestet werden. Als Prüfobjekte dienen zwei Lüfter.

Das Mehraugenprinzip für Produktionsprozesse

Im Projekt werden rotierende Elemente (zum Beispiel Spindeln oder Antriebswellen) und schwingende Gehäusekomponenten (zum Beispiel Lager, Kupplungen, Getriebe) von Maschinen sensorisch überwacht. Im Fokus stehen das instantane Drehmoment und Gehäuseschwingungen. Zum Einsatz kommen berührungslose Drehmomentsensoren von Magnetic Sense, Beschleunigungssensoren (Mems oder Piezo) und kamerabasierte Abstandsmessungen. Die Signale werden multisensorisch zeitsynchron erfasst und durch multivariate Analysen miteinander verschränkt, um Aufschluss über die Interaktion von zum Beispiel Torsions- und Gehäuseschwingungen in Form von Korrelationen, Kohärenzen, Hauptkomponenten etc. zu erhalten und in Form von Modellen zu repräsentieren. Auf diese Weise lassen sich komplexe Maschinendynamiken in Produktionsstrecken darstellen und Soll-Ist-Vergleiche von erwarteten und gemessenen Betriebszuständen bereitstellen.

Der Ansatz ist maschinenunabhängig, kann auf gängigen Industrie-PCs installiert werden und ermöglicht den flexiblen Aufbau von Condition-Monitoring- und Predictive-Maintenance-Systemen auch für Sonderanlagen.

Intelligente bildbasierte Datenverarbeitung: Der Blick von außen hilft

Bildgebende Verfahren auf Basis hochauflösender Kameras ermöglichen es, erregte Vibrationen an beliebigen Punkten der Gehäusekomponenten global zu überwachen. Im Gegensatz zu Beschleunigungs- oder wegmessenden Sensoren kommt dieser bildgebende Ansatz nicht direkt an der Maschine, sondern mit einem definierten Abstand zum Einsatz. Hierdurch ist das System weniger empfänglich für schwierige Umgebungsbedingungen und ergänzt dadurch die anderen Sensoren.

Im Projekt wird eine Mobotix-Kamera weiterentwickelt und soll als Edge-Device zur Auswertung der Bilddaten genutzt werden. Hierzu sollen die Hardware-Module der Kamera mit Bildverarbeitungs-Software und KI-Funktionalitäten zur intelligenten Datenverarbeitung erweitert werden. Dazu wird die am Fraunhofer ITWM entwickelte Bildverarbeitungs-Software Tool IP auf die Kamera-Hardware portiert.

Um die Vibrationen anhand von Bildsequenzen abzuschätzen, existieren diverse Methoden. Um die bestmögliche Auswahl zu treffen, entwickelt das Fraunhofer ITWM derzeit mehrere Ansätze, die es mit dem Demonstrator testet und miteinander vergleicht.

Einige der prominentesten Methoden sind Optical Flow, Block Matching und Diffeomorphic metric mapping. In dieser ersten Projektphase werden zunächst die ersten beiden Verfahren näher betrachtet. Beide Verfahren verfolgen die Bewegung eines Objekts über mehrere aufeinanderfolgende Videoframes hinweg. Der Optical Flow einer Bildsequenz stellt das Vektorfeld der Geschwindigkeit sich bewegender Punkte dar und wird approximativ mit differentiellen Verfahren berechnet. Beim Block Matching hingegen wird ein Bild in mehrere Blöcke unterteilt, die in den folgenden Videoframes lokalisiert werden.

Um die Qualität der Methoden verifizieren zu können, wurde eine Kantendetektion genutzt, bei der die Kanten der Lüfter ex­trahiert und ihre zeitliche Bewegung mithilfe statistischer Verfahren berechnet wurde. Für all diese Methoden ist zunächst eine Vorverarbeitung der Bilddaten nötig, bei der beispielsweise Rauschen unterdrückt wird und die Informationen eines Bildes auf die wesentlichen Elemente reduziert werden.

Mit dem Demonstrator konnten Videosignale von schwingenden Lüftern erzeugt werden, die verschiedene Szenarien darstellen. Dieses Bildmaterial wird genutzt, um die verschiedenen Methoden zur Schwingungsschätzung zu implementieren, umfassend zu testen und anschließend optimal auf die konkreten Anwendungen übertragen zu können.

 

Autoren
Mark Maasland
Projektleiter in der Abteilung „Bildverarbeitung“ des Fraunhofer ITWM

Benjamin Adrian
Stellvertretender Abteilungsleiter „Systemanalyse, Prognose und Regelung“ des Fraunhofer ITWM

Paula Engl
wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung „Bildverarbeitung“ des Fraunhofer ITWM

 

Kontakt

Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM

Fraunhofer-Platz 1
67663 Kaiserslautern

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