Europäischer Reisepass für AMRs
26.05.2023 - CE-Kennzeichnung als weltweite Dienstleistung.
Wie alle Maschinen unterliegen auch AMRs, also Autonomous Mobile Robots, in der EU der Pflicht zur Anbringung der CE-Kennzeichnung. Mit diesem Zeichen dokumentiert der Hersteller, dass er alle für sein Produkt relevanten europäischen Binnenmarktrichtlinien berücksichtigt hat und dass alle zutreffenden Verfahren zur Konformitätsbewertung angewendet wurden. Ein Automatisierer aus Ostfildern unterstützt Unternehmen weltweit mit einem lückenlosen Service beim CE-Kennzeichnungsprozess.
Im Zusammenhang mit der Smart Factory erobern neben spurgeführten Systemen wie klassische FTS nun autonom navigierende Fahrzeuge (AMRs) den Markt, die in der Routenfindung komplett flexibel sind. Dabei können auch Hindernisse oder Personen erkannt und umfahren werden. Sichere Sensorik wie etwa Laserscanner oder sichere Kamerasysteme erfassen dafür permanent die Umgebung und berechnen auf Basis einer bei der Installation eingelernten Umgebungskarte die optimale Route. Einzelne AMRs werden als Maschine definiert. Innerhalb Europas bedeutet dies, dass sie der Maschinenrichtlinie und den zugehörigen Normen entsprechen und vom Hersteller mit dem CE-Kennzeichen versehen werden müssen. Die ISO 3691-4 übernimmt die Methodik der EN ISO 13849-1 für die Ermittlung des erforderlichen Performance Level (PL) für die verschiedenen Fahrzeugüberwachungsfunktionen, Betriebsarten und die Bremssteuerung.
Auf dem Gebiet der CE-Kennzeichnung hat die kanadische Tochtergesellschaft von Pilz jahrelange Erfahrung und führt auch wiederkehrende Audits durch, um die EG-Konformität sicherzustellen. Die irische Servicegesellschaft von Pilz fungiert hierbei als Repräsentant im europäischen Markt für CE-Kennzeichnungsangelegenheiten. Ein Service, den die Sicherheitsexperten von Pilz weltweit anbieten.
Doch wie wird so etwas in der Praxis umgesetzt? Pilz Kanada hat für einen dort ansässigen AMR-Hersteller die Konformitätsbewertung in Form einer CE-Kennzeichnung begleitet und diese durchgeführt. Der erste Schritt: Sich intensiv mit der Technologie des Kunden zu befassen, denn die Fahrzeuge sind mit einem nicht zertifizierten, eigenentwickelten Steuerungssystem ausgestattet gewesen, das sicherheitsrelevante Funktionen beinhaltete.
Der normative Rahmen
Das Projekt umfasste die CE-Kennzeichnung für alle AMRs, die nach Europa exportiert werden sollten – inklusive Auditierung und Zertifizierung. Drei Fahrzeugtypen gehörten dazu. Zudem sollte die geplante Serie eines selbstfahrenden Gabelstaplers das CE-Zeichen erhalten. Der Anspruch war, dass alle Fahrzeuge bereits mit einer CE-Kennzeichnung versehen werden, bevor sie überhaupt nach Europa verkauft werden. Genau dafür gab es noch keinen Zertifizierungsprozess. Denn mit dem CE-Zeichen versehene Produkte unterliegen keinen nationalen Vorschriften in der EU. Nicht umsonst spricht man beim CE-Zeichen daher auch vom Reisepass für Europa.
Als Arbeitsgrundlage diente Pilz die ISO 3691-4, die die sicherheitstechnischen Anforderungen und die Verifizierung in Bezug auf Flurförderzeuge festlegt. In enger Abstimmung mit dem Kunden wurden die verschiedenen Aspekte erarbeitet, um dann am Ende ein Checklistendokument zur Verifizierung des EHSR (Essential Health and Safety Requirements) gemäß Anhang E der ISO 3691-4 zu erstellen. Die CE-Kennzeichnung wurde dann von Pilz Kanada und der International Services Group von Pilz in Irland gemeinsam abgeschlossen.
Herausforderung Sicherheitssteuerung
„Zu beachten ist, dass auch die in den Fahrzeugen eingebauten Sicherheitssteuerungen das CE-Zeichen benötigen und zertifiziert werden müssen, wenn sie unabhängig in Verkehr gebracht werden,“ stellt Andreas Sobotta, Projektleiter seitens Pilz Kanada, heraus, „Denn die Fahrzeuge hatten keine herkömmliche Sicherheitssteuerung implementiert.“ Die Sicherheitssteuerung war speziell entwickelt worden, da die Fahrzeuge aufgrund der geringen Traglast als nicht lebensgefährlich eingestuft wurden und keine konventionelle Sicherheitssteuerung bedürfen.
Hierbei hat Pilz Kanada nach der Norm DIN EN ISO 13849-1 die Sicherheitsanforderungen überprüft: Speziell die Validierung der Embedded-Software muss spezifische Sicherheitsfunktionen erfüllen, vornehmlich die Sicherheitsfunktionen „Handlung im Notfall“ und „Nothalt – Stillsetzen Antrieb“. Alle größeren AMRs jedoch haben eine konventionelle Sicherheitssteuerung, wodurch gewährleistet ist, dass auch die Software sicher ist. „Es ist dringend notwendig, sämtliche relevanten Gefährdungen zu ermitteln und das geht nur mit Prüfungen und Tests vor Ort. Für jede Gefährdung muss das Risiko abgeschätzt und bewertet werden. Es ist ein iterativer Prozess, der so lange fortgeführt wird, bis wir die notwendige Sicherheit nachweisen können,“ erläutert Andreas Sobotta die Vorgehensweise. „Schließlich stehen wir in der Funktion als bevollmächtigter Dienstleister für eine korrekte und vollständige Durchführung der CE-Kennzeichnung in der Haftung.“
Autor
Andreas Sobotta, Projektleiter Pilz Kanada