„Den einen Sensor, der alles kann, wird es nicht geben“
05.04.2023
- Im Gespräch: Oliver Vietze, CEO und Chairman der Baumer Group, spricht mit uns über Investitionen, nachhaltiges Wachstum und warum Baumer auch künftig auf Technologiebreite setzt.
Herr Vietze, 1964 übernahm Ihr Vater die Geschäftsführung vom Unternehmensgründer Herbert Baumer. Heute stehen Sie an der Spitze eines Hightech-Unternehmens mit 70-jähriger Historie. Was war rückblickend Ihre größte Herausforderung, was Ihr größter Erfolg und wo sind Sie an Ihre Grenzen gestoßen?
Oliver Vietze: Nach meinem Studium an der ETH Zürich habe ich in Deutschland mit der Baumer Optronic die Vision-Aktivitäten der Baumer Gruppe gestartet. In den ersten Jahren sind wir immer deutlich zweistellig gewachsen, das heißt ich kannte immer nur einen Zuwachs von 30 bis 40 Prozent. Die erste große Herausforderung kam dann mit der Wirtschaftskrise 2008/2009, als ich die Gruppe nach dem Tod meines Vaters übernehmen durfte. Diese Zeit – nun mit zweistelligen Umsatzrückgängen – war für mich sehr prägend.
Den größten Erfolg gibt es so eigentlich nicht. Ich freue mich, dass wir es als Team geschafft haben, die Erfolgsgeschichte – mittlerweile 70-jährig – fortzuschreiben. Im vergangenen Jahr ist es uns trotz der aktuell wirtschaftlich sehr anspruchsvollen Bedingungen gelungen, in allen Kennzahlen neue Rekorde zu schreiben.
Und auch an Grenzen zu stoßen kenne ich so eigentlich nicht. Einzig, was mir einfällt: Ich arbeite noch immer sehr viel und auch sehr gerne. Und nach nunmehr 30 Jahren im Geschäft merkt man, dass man früher einige Dinge einfacher weggesteckt hat.
Sie erwähnten, dass Sie den Vision-Bereich bei Baumer aufgebaut haben. Ein zweiter wichtiger Bereich ist die Sensorik. Wie entwickeln sich die beiden Märkte aktuell?
Oliver Vietze: Wir gehören ja zu den Pionieren in beiden Welten. In den Anfangszeiten der Bildverarbeitung, das heißt in den späten 90er und den 2000er Jahren ist das Geschäft mit Vision-Sensoren stärker gewachsen. Heute kann man die beiden Bereiche kaum mehr separat betrachten, da sie eng miteinander verzahnt sind. Sowohl die Sensorik als auch die Bildverarbeitung gehören zur Automatisierungstechnik und laufen mehr oder weniger parallel. Daher ist die Bildverarbeitung eine normale Dizsiplin geworden – allerdings mit sehr viel Zukunftspotenzial. Denn Sensoren werden immer smarter, und auch die Miniaturisierung, bei der wir oft Massstäbe setzen, birgt großes Potenzial.
Baumer hat in den vergangenen Jahren in High-Tech- respektive Innovation Center und neue Produktionswerke investiert. Welche weiteren Investitionen sind in den kommenden Jahren geplant und welche (Umsatz-)Ziele haben Sie sich mittelfristig gesteckt?
Oliver Vietze: Es stimmt, wir haben viel gebaut. Denn wir halten eine moderne Infrastruktur und attraktive Arbeitsbedingungen für die Basis von Innovation. Nur so können gute Produkte entwickelt und auch produziert werden. Baumer produziert noch immer einen großen Teil der Produkte in Europa, vor allem in Deutschland und der Schweiz. Seit über 30 Jahren optimieren wir unsere Prozesse mit Kaizen- und Six-Sigma-Methoden und verfügen zudem über eine hohe Fertigungstiefe. Dies hat uns vor allem in den vergangenen beiden Jahren erhebliche Vorteile gebracht. So sind wir nicht abhängig von allem und jeden und können mit unserer eigenen Mannschaft schneller und flexibel arbeiten. Gerade die enge Verzahnung mit den Produktentwicklern und den Equipmentingenieuren ist nur möglich, wenn Entwicklung und Produktion nahe beieinander angesiedelt sind. So haben wir entschlossen, die Standorte, an denen exzellent gute Leute arbeiten, auszubauen und modern zu halten. Und diese räumliche Nähe in einem modernen Umfeld ist einer unserer Erfolgsfaktoren. Natürlich wollen wir mit unseren Innovationen auch künftig Massstäbe setzen für den Weg zur Smart Factory. Wir sind über all die Jahre nachhaltig gewachsen und haben im vergangenen Jahr erstmals die Umsatzmarke von 500 Millionen Euro überschritten. Die Betonung liegt auf nachhaltig gewachsen. Wir wollen nicht um jeden Preis Umsatzrekorde brechen, sondern als verlässlicher Lösungspartner wirtschaftlich gesund wachsen, um gemeinsam mit unseren Kunden und Lieferanten erfolgreich zu sein – auch wenn die Zeiten einmal schwieriger sind.
Ab Sommer 2023 sollen Entwicklerteams in Ihrem neuen Innovation Center am Standort Frauenfeld an smarten Sensorlösungen arbeiten. Von welchen Produkten sprechen wir hier und wie definieren Sie smart im Zusammenhang mit Sensorik?
Oliver Vietze: Smart bedeutet ja so viel wie intelligent, clever. Doch in der Automatisierung wird es auch in Zukunft nicht den einen Sensor geben, der alles kann. Für die vielen verschiedenen Applikationen sind meiner Einschätzung nach auch künftig unterschiedliche Technologien nötig, um die Maschinenrealität bestmöglich abzubilden. Kunden benötigen einen Sensorpartner, der mit seiner Toolbox leistungsfähige Lösungen aus einer Hand bietet. Wir verfügen weltweit über eines der breitesten Sensorik-Portfolios und können mit verschiedenen Technologien smarte Sensorlösungen anbieten. Das stimmt mich für die Zukunft zuversichtlich. (agry)
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