„Das Ziel ist ein ausgewogenes Just-in-time-Konzept“
Interview mit Markus Spanner, CEO von Physik Instrumente, und Stéphane Bussa, Chief Sales Officer
inspect: Wie ist Physik Instrumente durch die Coronapandemie gekommen?
Markus Spanner: Vieles hat sich dramatisch beschleunigt: die Digitalisierung zum Beispiel, der anhaltende Trend zur Automatisierung oder die Entwicklungsgeschwindigkeit bei medizinischen Anwendungen. Das hat einen massiven Nachfrageschub in unseren Zielbranchen ausgelöst. PI ist in all diesen Bereichen ein gefragter Lieferant , aber wir können ehrlich gesagt nicht alle Liefertemine einhalten.
Wir haben eine Kombination von Ursachen: So kam die dauerhaft gestiegene Nachfrage für alle überraschend, und in dieser Situation hatten und haben wir bei PI mit Lieferkettenproblemen zu kämpfen, wie alle anderen auch. Wir hatten es zuvor geschafft, 30 Prozent mehr zu produzieren, bei gleicher Kapazität. Wir mussten nun aber Lösungen finden, um unseren Kunden ein langfristig zuverlässiger Partner zu sein.
inspect: Sie wollen also die Produktionskapazitäten ausbauen. Wie genau?
Spanner: Wir mussten uns etwas einfallen lassen, und wir nannten das Programm „maximum on time delivery“. Damit bündeln wir systematisch alle Aktivitäten rund um die Liefertermintreue mit den drei Stoßrichtungen: Lieferkette, Kapazitätsausbau und Kundenkommunikation.
Unser internationales Lieferkettenteam hat begonnen, alternative Lieferanten zu erschließen und die Qualifizierung bestehender Lieferanten weltweit voranzutreiben, damit wir nicht mehr nur von einem einzigen Hersteller in einem Land abhängig sind und darüber hinaus auch bei wachsenden Stückzahlen das Qualitätsniveau halten. Die Pandemie hat gezeigt: Wenn wir nur einen Lieferanten haben
und es zu einem Ausfall kommt, sitzen wir fest.
Was die Kapazitätserweiterung anbelangt, so werden wir in den Jahren 2021 und 2022 insgesamt 63 Millionen Euro investieren. Das ist eine beachtliche Summe für eine Unternehmensgruppe, die rund 250 Millionen Euro konsolidierten Umsatz macht.
inspect: Wie haben Sie das geschafft? Mit denselben Maschinen und in denselben Fabriken 30 Prozent mehr zu produzieren?
Bussa: Ende 2020, Anfang 2021 haben wir begonnen, die Art und Weise, wie wir unsere Produkte herstellen, zu verändern, um effektiver und effizienter zu werden. Damit haben wir 2021 trotz der Engpässe in den Lieferketten deutlich mehr produzieren können als im Vorjahr.
Spanner: Hauptsächlich geht es um Effizienzsteigerungen, das heißt, um die Erhöhung des Durchsatzes durch Änderungen der Prozesse und der Art und Weise, wie wir die Herstellung insgesamt angehen.
Bussa: Und wir haben im letzten Jahr 170 neue Mitarbeiter eingestellt, hauptsächlich in Deutschland. Jetzt haben wir über 1.400 Mitarbeiter.
Spanner: Im Laufe dieses Jahres werden weitere 220 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hinzukommen, die wir brauchen, um unseren Output zu steigern.
inspect: Und Sie sagten, Sie wollen die Produktionskapazität in diesem Jahr um weitere 30 Prozent erhöhen, richtig?
Spanner: Ja.
inspect: Und das vor allem mit Digitalisierung und mit Industrie 4.0, wie es in Ihrer Pressemeldung heißt? Geht es also um Software?
Spanner: Ja, aber es ist mehr als das. Es geht um Software und Automatisierung auf verschiedenen Ebenen. So steigern wir die Effizienz und damit den Ausstoß. Das ist ein Aspekt, aber es geht auch um die gesamte Digitalisierung der Fertigung. Wir gestalten zusätzlich unsere Produkte neu, um sie einfacher, mit weniger Aufwand an Zeit und Arbeitskraft zu produzieren.
inspect: Heißt das, die Produktion bei PI war vorher wenig automatisiert?
Spanner: Das kommt auf das Produkt an und die geforderten Stückzahlen. Wir haben einige Prozesse, die noch weitgehend manuell abliefen, andere sind seit Langem stark automatisiert. Jetzt erhöhen wir einerseits den Automatisierungsgrad insgesamt. Andererseits haben wir die Produktionsstrategie umgestellt. Wir verfolgen jetzt eine Plattformstrategie, mit der wir sehr effizient produzieren und gleichzeitig individuelle Anforderungen unserer Kunden erfüllen können.
Bussa: Das ist auch ein Teil unseres Weges, weniger Komponentenhersteller zu sein als Lösungsanbieter. Das hat dramatische Auswirkungen auf alle unsere Prozesse, weil die Komplexität wächst. Das wirkt sich auch auf unsere Supply Chain aus.
Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern: Im nächsten Jahr wollen wir ein E-Portal einführen, das unser ERP-System mit denen unserer Zulieferer verbindet. Darüber können sich unsere Lieferanten also direkt mit unserer Produktion verbinden. Das ist eine ganz andere Art der Zusammenarbeit, weil sie jederzeit sehen können, was wir wann benötigen, ob es Konfigurationsänderungen seitens unserer Kunden gab und so weiter.
inspect: Wir sprachen vorhin über alternative Zulieferer und Lieferkettenprobleme. Kehrt PI dem Just-in-time-Prinzip den Rücken?
Spanner: Simple Antwort: Just-in-Time hat in der Pandemie nicht funktioniert. Stattdessen machten unsere Kunden während der Pandemie das Gleiche, was wir im privaten Rahmen taten: Die Deutschen kauften Toilettenpapier auf Vorrat, die Franzosen Rotwein. Wir erhöhten also im Privaten den Lagerbestand, weil wir Angst davor hatten, dass uns die Ressourcen ausgehen. Die Unternehmen agierten aus den gleichen Gründen in gleicher Weise.
Die Situation hat sich seither aber wieder gedreht: Genausowenig wie wir heute noch Toilettenpapier hamstern, wollen Unternehmen große Lagerbestände vorfinanzieren. Das Ziel sind ausgewogene Just-in-time-Konzepte – also eine Kombination aus geringen Lagerbeständen einerseits und genügend Vorrat an kritischen Teilen andererseits. Damit wird Liefertermintreue ein entscheidender Indikator für künftige Kundenbeziehungen – und darauf zielen wir mit unserer Initiative ab: Lieferkettenoptimierung, Kapazitätsaufbau und Kundenkommunikation.
inspect: Was verbirgt sich hinter dem Aspekt Kundenkommunikation in Ihrer Initiative?
Spanner: Wir gehen sehr offen mit diesen Herausforderungen um. Stéphane und sein Team zum Beispiel gehen proaktiv auf die Kunden zu, erklären, welche Maßnahmen wir ergriffen haben. Damit wollen wir bei unseren Kunden das Vertrauen schaffen, dass sie sich heute und auch in Zukunft auf uns verlassen können.
Bussa: Von dieser Offenheit profitieren beide Seiten: Da unsere Kunden unsere Produkte für ihre eigene Fertigung benötigen, brauchen sie Gewissheit, ob sich die Investition auszahlt. Wenn wir ihnen also klar sagen, wie es bei uns aussieht, können sie damit besser planen. Umgekehrt können wir unsere Produktionskapazität hochfahren, wenn wir wissen, zu welchem Zeitpunkt der Kunde welchen Bedarf tatsächlich hat. Win-Win also.
Autor
David Löh, Chefredakteur der inspect
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