Automatisierung

Automatisiertes Pollenmonitoring lässt Allergiker durchatmen

DC-Kleinstantriebe für den zuverlässigen Probentransport im Bio-Aerosol-Analysator

01.03.2022 - DC-Kleinstantriebe lassen sich präzise ansteuern, sind drehmomentstark und dynamisch. Von diesen Eigenschaften können mittlerweile auch Allergiker profitieren. Denn DC-Kleinstantriebe sorgen in einem vollautomatischen Pollenmonitoringsystem dafür, dass die Pollenzählung zuverlässig funktioniert und die Daten für Vorhersagen zeitnah zur Verfügung stehen.

Bild: Faulhaber
Mit dem klimatisierten und wettergeschützten automatisierten Pollenanalysesystem sind täglich bis zu acht Proben möglich; eine Beprobung dauert rund drei Stunden. (©Bild: Helmut Hund GmbH)

 

Studien gehen davon aus, dass zukünftig jeder zweite Bundesbürger unter Pollen leiden könnte. Mögliche Symptome reichen vom Heuschnupfen und Kopfschmerzen bis hin zu Atemnot oder anaphylaktischen Schocks. Zudem sorgen die globale Erwärmung und der Klimawandel dafür, dass sich Blühperioden und damit die Zeiträume mit hoher Pollenbelastung verändern. „Wir haben in milden Wintern bereits Ende November Haselpollen nachweisen können, normalerweise erwartet man dies erst für den Januar“, weiß Jörg Haus, Produktmanager Instrumente bei dem Unternehmen Helmut Hund. Zudem können auch importierte Pflanzen sich zu einem unerwarteten Problem entwickeln. „Die Olivenbäumchen beispielsweise, die sich viele gerne auf den Balkon oder die Terrasse stellen, sind sehr allergen und stehen in südlichen Ländern ganz oben auf der Liste.“

Die Burkhard-Falle: Auswertung mit Zeitverzug

Daher wird es immer wichtiger zu wissen, wann welche Pollen in welcher Konzentration in der Luft sind. Das Standardinstrument in vielen europäischen Ländern ist dafür die so genannte Burkhard-Falle. Ein definiertes Luftvolumen wird beständig von einem Elektromotor angesaugt – jeweils aus der aktuellen Windrichtung – und an einer sich langsam drehenden Trommel vorbeigeführt. Auf ihr ist ein Klebestreifen angebracht, auf dem die Pollen und andere angesaugte Teilchen haften bleiben. Geschulte Pollenzählerinnen und Pollenzähler sitzen dann am Mikroskop, ein Bestimmungsbuch neben sich. Das Ergebnis steht normalerweise nach zwei oder drei Tagen fest, manchmal aber auch erst Wochen später. Aus diesen Daten werden dann Modelle errechnet für eine Region in einem bestimmten Monat oder einer Jahreszeit. „Die Daten sind systembedingt also mindestens zwei Tage alt, wenn sie vorliegen. Als Allergiker bringt mir das aber wenig, wenn ich heute eine Aktivität im Freien plane und wissen will, ob ich mein Asthmaspray brauche”, so fasst Haus die Problematik des bisher üblichen Verfahrens zusammen. „Daher haben wir uns Gedanken gemacht, wie man die Pollenzählung intelligenter realisieren kann.“

Pollenmonitoring für Vorhersagen innerhalb weniger Stunden

In Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg und dem dortigen Fraunhofer-Institut entstand zunächst ein Prototyp für eine automatisierte Pollenanalyse. „Da das Design des Prototypen nicht optimal und dazu nicht für die Serienfertigung geeignet war, haben wir als Unternehmen Helmut Hund beschlossen, die Umsetzung in ein Produkt eigenständig und mit neuen Partnern durchzuführen.“ Mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT in Sankt Augustin fand die Firma aus Wetzlar dann den passenden Partner für die Entwicklung des heutigen Pollenmonitor BAA500. „BAA steht für Bio-Aerosol-Analysator“, erklärt Haus. Mit dem klimatisierten und wettergeschützten Gerät sind täglich bis zu acht Proben möglich; eine Beprobung dauert etwa drei Stunden. „Dadurch lassen sich nahezu in Echtzeit Voraussagen treffen, welche Pollen in welcher Konzentration in der Luft sind.“
Für eine Analyse saugt das Gerät ca. 60 m³ Luft in der Stunde an und extrahiert die Pollen auf Probenträger. Da sich Pollen durch Witterungseinflüsse verändern oder trocknen können, sorgt eine beheizbare Gelschicht auf den Trägern dafür, dass sie wieder ihre ursprüngliche Form annehmen. Sogenannte Pusher schieben die Proben dann unter ein Mikroskop. Ihre treibende Kraft sind DC-Kleinstmotoren der Serie 1727…C von Faulhaber. Bei nur 17 mm Durchmesser und 27 mm Länge liefern die Motoren Drehmomente von circa 5 mNm und sind durch die Grafitkommutierung für den schnellen Start-Stopp-Betrieb gut geeignet.
Unter dem Mikroskop wird jede Probe in drei Achsen abgescannt. „Da Pollen mit 20 µm sehr klein sind, etwa ein Viertel eines menschlichen Haars, sieht das Lichtmikroskop pro Foto nur einen Bereich von weniger als 0,5 auf 0,5 mm. Die Schärfentiefe ist dabei nicht so hoch, da wir eine hohe Auflösung benötigen“, erklärt der Produktmanager. Mit Hilfe einer Stacking-Software wird deshalb aus mehreren Bildern des Bildstapels ein Gesamtbild mit erweiterter Schärfentiefe berechnet. Danach werden die einzelnen Pollen von der Software über einen merkmalbasierten Algorithmus erkannt. Aktuell kann das System 38 Pollenarten und weitere Allergene wie etwa Pilzsporen vollautomatisch erkennen.
Die Bilderkennung wird am Anfang angelernt in Abhängigkeit von lokalen Unterschieden und Witterungsverhältnissen. Dazu sind einige zigtausend Bilder in einer Datenbank hinterlegt. Nach der Analyse der Probe wird diese zur Archivierung in ein Magazin transportiert. Hier ist ebenfalls ein Kleinstmotor der gleichen Serie im Einsatz. Die Archivierung ermöglicht eine nachträgliche Auswertung und Validierung der Ergebnisse. „Ambrosia“, berichtet Haus, „sieht ein bisschen aus wie ein stacheliger Ball, Kiefer sieht aus wie Mickey Mouse, da ist die Unterscheidung schon nicht einfach. Richtig schwierig wird es aber, wenn man benachbarte Frühblüher trennscharf unterscheiden will.“ Eine Herausforderung sind auch so genannte Varia, das heißt Pollen, die noch nicht erkannt werden. Diese werden mit der Datenbank abgeglichen, vorläufig zugeordnet und von einem Mitarbeiter überprüft. „Auf diese Weise können wir neue Arten aufnehmen, aber auch Korrekturen vornehmen, wenn eine Pollenart anders aussieht, weil beispielsweise das Frühjahr ungewöhnlich kalt war.“ Das zeitnahe Monitoring sorgt zudem für neue Erkenntnisse. „Bisher nahmen Aerobiologen beispielsweise an, dass bei kalter Witterung keine Pollen in der Luft sind. Wir konnten aber durch Messungen im kalten Januar Pollen nachweisen.“

Ein Netzwerk für Polleninformationen

Der Freistaat Bayern war von dem System so überzeugt, dass er bereits 2019 mit dem Aufbau eines elektronischen Polleninformationsnetzwerks (ePIN) begonnen hat. Die Auswahl der Standorte basierte auf einer Studie des Zentrums für Allergie und Umwelt (ZAUM) der TU München und des Helmholtz Zentrums München. Dabei wurden verschiedene Klimaparameter und die Bevölkerungsdichte berücksichtigt, um eine möglichst optimale Verteilung der acht Messstationen zu erreichen. Neben München stehen nun Geräte der Firma Hund in Garmisch-Partenkirchen, Feucht, Viechtach, Marktheidenfeld, Altötting, Mindelheim und Hof. „So ein Gerät ist erst im Netzwerk richtig mächtig“, stellt Haus fest. „Es lassen sich dann sehr präzise Vorhersagen machen, wenn man die Daten der verschiedenen Pollenanalysestationen und die Wetterdaten in Beziehung bringt.“ Insgesamt 20 Geräte stehen neben den bayerischen ePIN-Standorten, zum Beispiel in Berlin, Wetzlar, Leipzig oder auch Wiesbaden. Die Wahl des richtigen Standorts ist wichtig, da beispielsweise Dieselruß oder Reifenabrieb die Ergebnisse verändern können. „Mitten in einem Rapsfeld wäre kontraproduktiv, da gibt es dann nur Rapspollen. Daher stehen unsere Messstationen in etwa 12 Meter Höhe auf Dächern von Kliniken oder Instituten.“
Der Abruf der Daten ist rund um die Uhr online oder per App in Echtzeit möglich. Auch Arztpraxen oder Allergologen nutzen den Service, um ihre Patienten optimal zu behandeln. „Das Gerät in Wetzlar ist so etwas wie unser Testgerät, das steht dann auch mal still, wenn wir eine neue Funktion ausprobieren. Während eines solchen Tests hatten wir dann plötzlich eine Menge Anrufer, die nach den Daten fragten. Das zeigt, dass für viele Menschen unsere Auswertungen sehr wichtig sind. Auch deshalb setzen wir auf Faulhaber-Antriebe, weil sie nicht nur genau, sondern auch zuverlässig und langlebig sind.“ Auf der Webseite der Helmut Hund GmbH werden die mit dem BAA500 gemessenen Pollenfluginformation für die Standorte Berlin, Freiburg, Leipzig, Wiesbaden, Wetzlar und München angezeigt. Die Daten sind unter dem Kurzlink https://t1p.de/PIN abrufbar.

Autoren
Volker Beck, Redakteur Print und Online, Faulhaber
Ellen-Christine Reiff, Redaktionsbüro Stutensee

Bilder ©  Helmut Hund GmbH

Kontakt

Dr. Fritz Faulhaber GmbH & Co. KG

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