Lidar und autonome Autos: Keine 08/15-Lösung
Lidar-Technologien im Vergleich
Ob in der Fabrikhalle oder im Auto: Smarte, autonome Systeme sind überall auf dem Vormarsch. Eine wichtige Voraussetzung für sichere und funktionstüchtige Systeme sind hochentwickelte Sensoren und Bildgebungsverfahren, die ein realitätsgetreues Abbild ihrer Umgebung generieren. Bereits aktuelle Advanced Driver Assistance Systeme (Adas) verwenden rund hundert solcher Sensoren für Spurhalteassistenten, automatische Abstandskontrollen und weitere Systeme für Komfort und Sicherheit. Absolute Genauigkeit und schnelle Reaktionszeiten sind dabei unabdingbar – auch bei hohen Geschwindigkeiten und unvorhergesehenen Situationen.
Eine der vielversprechendsten Entwicklungen der letzten Jahre ist dabei der Einsatz von Lidar (Light Detection and Ranging) Systemen, einem optischen Verfahren zum Messen von Abständen und Geschwindigkeiten. Anders als beim verwandten Radar-System erfassen Lidar-Sensoren ihre Umwelt allein mithilfe von Licht, das durch einen Photosensor erfasst wird. Doch Lidar ist nicht gleich Lidar, und Photosensor ist nicht gleich Photosensor. Welche Technologie die richtige ist, ist für den Hersteller nicht immer klar ersichtlich und hängt vom jeweiligen Anwendungsfall ab.
Bei der Auswahl und Zusammenstellung der richtigen Komponenten hilft Hamamatsu Photonics, ein Hersteller von optischen Produkten und Halbleiterkomponenten. Mit seinen Produkten deckt das Unternehmen die ganze Bandbreite der Lidar-Technologien ab.
Laufzeitmessung oder kontinuierliche Frequenzmodulation?
Aktuell gibt es zwei grundsätzliche technologische Herangehensweisen an das Lidar-Verfahren: Time of Flight, auch TOF oder Laufzeitmessung genannt, oder Frequency-Modulated Continuous Wave (FMCW), welche über Frequenzmodulation funktioniert. Während TOF-Lidars noch immer die Regel sind, erfreuen sich FMCW-Systeme zunehmender Popularität und versprechen, einige der Probleme des Time-of-Flight-Ansatzes zu lösen.
Time of Flight: Rundreise für das Licht
Das Konzept eines TOF-Lidars ist einfach: Eine Lichtquelle sendet einen konzentrierten Lichtstrahl aus, der von einem Hindernis – beispielsweise einem Fußgänger oder einem vorausfahrenden Auto – reflektiert und an einen Photosensor zurückgeworfen wird. Der Sensor berechnet die Entfernung des Objektes anhand der Zeit, bis das reflektierte Licht auf den Sensor trifft.
Als Strahlungsquelle werden häufig gepulste Laser eingesetzt, wobei zwei grundsätzliche Ansätze unterschieden werden. Beim „Scanning Lidar“ werden mehrere einzelne Lichtimpulse ausgesandt, die zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden. Um ein 360°-Bild der Umgebung zu erhalten, werden dazu häufig rotierende Plattformen mit mehreren Laserdioden eingesetzt. Ganz ohne mechanische Teile geht es beim Flash-Lidar: Hier wird die gesamte Umgebung mit einem Lichtimpuls geflutet, wobei der Beleuchtungsbereich dem Sichtfeld des Detektors entspricht. Als solcher dient ein Array von APDs, die unabhängig voneinander die ToF auf das Zielmerkmal messen.
Wellenlänge und Polarisationszustand des Impulses können variiert werden. Üblich sind Wellenlängen zwischen 850 und 1.550 Nanometern, besonders häufig werden 905 nm eingesetzt. Niedrigere Wellenlängen ermöglichen den Einsatz von Silikondetektoren und zeigen eine günstigere Wasserabsorption. Zugleich müssen sie aber Laserstrahlen mit niedrigerer Energie einsetzen und eignen sich daher nicht für alle Anwendungen. Lichtwellen mit 1.550 nm setzen auf InGaAs-Detektoren und liefern auch über 200 m Entfernung bei einer Reflexion von 10 Prozent zuverlässige Ergebnisse. Dadurch eignen sie sich am besten für Anwendungen, die hohe Entfernungen erreichen müssen.
Eine Herausforderung der TOF-Technologie ist der Streuverlust des Lichtes: Nur ein kleiner Teil der emittierten Photonen findet jemals den Weg zurück zur aktiven Fläche des Photosensors. Umwelteinflüsse wie Regen oder Staubpartikel in der Luft sowie weitere reflektierende Oberflächen absorbieren einen Teil des Lichtes und reduzieren dabei die Menge der Photonen. Zugleich treffen andere Photonen als Hintergrundrauschen auf die Detektoren und können die Messgenauigkeit negativ beeinflussen. Ein optischer Filter, der um die Wellenlänge des Lasers zentriert ist, kann helfen. Vollständig verhindern lässt sich dieses Hintergrundrauschen jedoch nicht. Deshalb sinkt die Genauigkeit des Lidars mit zunehmender Entfernung.
Frequency-Modulated Continuous Wave: Messen durch Modulieren
Eine Möglichkeit, dieses Problem der Störfrequenzen zu reduzieren, ist der Einsatz einen FMCW-Lidars. Statt Lichtimpulsen wird hier ein kontinuierlicher, „gechirpter“ Laserstrahl ausgesendet. Das heißt, die Frequenz des Signals wird immer wieder geändert. Auch hier wird der Lichtstrahl von einem Objekt reflektiert und an den Photodetektor zurückgesandt. Entscheidend ist hier jedoch nicht die Zeit an sich, sondern der Unterschied in der Frequenz des eingehenden im Vergleich zum im selben Augenblick ausgehenden Signals. Anhand dieses Unterschiedes kann der Lidar den Abstand und die Geschwindigkeit des sich bewegenden Objekts bestimmen.
Der Frequenzabgleich nimmt etwas mehr Rechenleistung in Anspruch als eine simple Zeiterfassung. Im Vergleich zu einem ToF-Lidar benötigt das FMCW-Verfahren etwas mehr Zeit, um ein akkurates 3D-Umgebungsmodell zu erstellen. Die Technologie ist zudem relativ neu und daher oft noch sperrig und kostspielig. Auf der anderen Seite sind FMCW-Lidars weniger anfällig für Störrauschen und können eine höhere Laserleistung nutzen, ohne für die Augen gefährlich zu werden. Bei der Frage nach der besten Lidar-Technologie kommt es also sehr auf die intendierten Einsatzszenarien und Rahmenbedingungen an. Ebenso wichtig wie die Wahl des Verfahrens ist jedoch ein weiterer Aspekt: Der Einsatz des richtigen Photosensors.
Photosensoren: Genauigkeit vs. Reichweite?
Lidar-Anwendungen verlangen Photodetektoren einiges ab. Im Idealfall sollten diese messempfindlich sein, um eine groß Menge an Photonen aufzunehmen, ohne dabei zu viel Nebenrauschen zu detektieren. Gerade in automobilen Anwendungen ist es außerdem unerlässlich, dass die Sensoren schnell und zuverlässig reagieren. Zudem sollten sie auch in großen Mengen produziert werden können, einer ganzen Reihe unterschiedlicher Umweltbedingungen – von Temperaturschwankungen bis zu wechselnden Lichtverhältnissen – trotzen können, und nicht zu letzt kosteneffizeint sein. Hier gibt es große Unterschiede zwischen den Systemen: Silikon- und InGaAs-Varantien beispielsweise unterscheiden sich im Preis um etwa den Faktor zehn.
Für alle Phototodetekoten gilt: Mit größerem Abstand zum Objekt sinkt die Messgenauigkeit. Doch nicht für alle Arten von Detektoren ist diese Entwicklung gleich. Je nach Anwendungsfall sollten Hersteller deshalb zu einer von drei grundlegenen Arten von Photosensoren greifen.
PIN Photodiode: einfach und günstig
Eine PIN Photodiode ist die einfachste und zugleich kostengünstigste Art von Photosensor. Auch der Energieverbrauch ist mit einer Betriebsspannung von bis zu zehn Volt gering. Auf kurzen Distanzen ist das Signal stärker, bei zugleich geringem Verlust.
Temperaturschwankungen beeinträchtigen die Leistung kaum. Der Auslesebereich ist realtiv groß, und auch bei starkem Umgebungslicht funktioniert eine PIN-Photodiode normalerweise problemlos. Als Ausleseschaltung kommt Überlicherweise ein Transimpedanz-Verstärker zum Einsatz. Die Verstärkung für die PD ist allerdings ebenfalls gering und liegt bei 1.
Für Anwendungen, in denen das Licht keine weiten Strecken zurücklegen muss, ist der Einsatz eines PIN-Photodiode-Arrays ausreichend und bietet Herstellern das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Die S15158, ein Si-PIN-Photodioden-Array von Hamamatsu Photonics, eignet sich durch die schnelle Ansprechzeit beispielweise für Entfernungsmessungen im Spektralbereich zwischen 380 und 1.100 Nanometern. Bei 960 nm erreicht sie eine Sensitivität von 0.63 A/W und eine Bandbreite von etwa 25 MHz. Auch Anwendungen mit viel Umgebungslicht oder starken Temperaturveränderungen profitieren vom Einsatz einer PIN-Photodiode – die S15158 etwa verträgt Betriebstemperaturen zwischen -40 und +100°C.
APD: für große Reichweiten
Wie der Name bereits verrät, bedienen sich Lawinen-Photodioden (avalanche photo diodes, kurz APD) des Avalanche-Effektes, um eine interne Verstärkung zu erzeugen. Dadurch werden Verstärkungen von bis zu 100 erzielt, was den Sensoren eine größere Reichweite verleiht als PIN-Photodioden. Um Messungenauigkeiten durch Hintergrundrauschen zu verhindern, müssen Hersteller jedoch meist zu einem Bandpassfilter greifen. APDs sind außerdem sehr temperaturempfindlich und weisen eine Betriebsspannung von 100 bis 200 V auf. Neben Si-APDs gibt es auch spezielle InGaAs-APDs, die speziell für den Frequenzbereich von 1.550 nm entworfen wurden (G14858-Serie in der Produktpalette von Hamamatsu).
Lange galten diese beiden Varianten als Standard für ihre jeweiligen Anwendungsfelder: Zwar sind APDs aufwändiger und teurer als PIN-Dioden, für Anwendungen mit größerer Reichweite jedoch nahezu unverzichtbar. Seit einiger Zeit gitb es bei Hamamatsu aber einen Dritten Kandidaten im Rennen: sogenannte Multi-Pixel Photon Counters, kurz MPPC.
MPPCs: verlässliche Ergebnisse bei kurzer Reaktionszeit
MPPC, auch bekannt als Silizium-Photomultiplier (SiPM) bestehen aus einer Reihe von APDs (hier als Channel bezeichnet), die im Geiger-Modus betrieben werden. Dadurch gewinnt ein MPPC-Sensor deutlich an Leistung – bis zu einem Faktor 106 sind hier problemlos möglich. Der Einsatz mehrerer parallel geschalteter APDs verhindert zugleich, dass Informationen über die Anzahl der einfallenden Photonen verloren gehen. MPPCs eigene sich dadurch auch für das Erfassen einzelner Photonen und kommen so auch mit suboptimalen Bedingungen zurecht, beispielsweise bei sehr schwachem Lichteinfall. Sie liefern auch auf große Entfernungen verlässliche Ergebnisse – bei zugleich geringer Reaktionszeit. Bei der Temperaturempfindlichkeit ordnen sich MPPCs zwischen APDs und PIN-Photodioden ein. Und während MPPCs ebenso wie PIN-Photodioden oder APDs über einen Transimpedanz-Verstärker geschaltet werden können, sind auch weniger komplexe Ausleseschaltungen möglich, etwa ein Hochfrequenz-Verstärker.
Für die neue Generation von MPPC-Detektoren hat Hamamatsu die Photonen-Detektions-Effizienz (PDE) bei 905 nm deutlich verbessert. Diese Kombination aus Merkmalen macht MPPC-Photosensoren zu einer attraktiven Alternative für viele automobile Anwendungen, die bisher nur über APD-Sensoren abgedeckt werden konnten.
2D-SPPC: hohe Reichweite und niedrige Kosten
Zusätzlich will das Unternehmen in naher Zukunft 2D-SPPC-Arrays (SPCC ist die Hersteller-spezifische Bezeichnung für SPAD) auf den Markt bringen. Ebenso wie MPPC-Detektoren können auch diese „Single Pixel Photon Counter“ weite Entfernungen abdecken und zeigen ähnliche Charakteristika im Bereich Reaktionszeit und Temperaturbeständigkeit. Die Systemkosten liegen jedoch deutlich unter denen für eine MPPC-Lösung. Bisher hauptsächlich in der Quantenkommunikation eingesetzt, haben SPPC-Lösungen so das Potenzial, die Kosten für Hochleistungs-Lidar-Anwendungen im Automobilbereich deutlich zu senken.
Ein wichtiger Schritt: Der Weg zu vollständig autonomen Industrie- und Automobil-Anwendungen ist steinig und weit verzweigt. Um dieser Komplexität gerecht zu werden, bedarf es individuell angepasster Lösungen. Customization statt Standard-Lösungen – diese Devise gilt auch für Lidar-Systeme. Als One-Stop-Shop bietet Hamamatsu deshalb unabhängige Beratung und liefert alle Komponenten aus einer Hand, vom Photodetektor bis zur Laserdiode. Hier umfasst das Angebot sowohl gepulste als auch Dauerstrick-Laserdioden mit einem sehr genauen NFP (Near Field Pattern).
Autor
Florian Friedl, Group Leader Automotive & Optoelectronic Components
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