Die Flexibilität der Qualitätssicherung erhöhen
Unterschiedliche Sensoren auf einem Koordinatenmessgerät
Im Geschäft mit den Endkunden gehören Sonderwünsche bereits seit Jahren zum Standard. Eine Entwicklung, die zunehmend auch den Alltag fertigender Unternehmen bestimmt. Die Zeit der Losgrößen jenseits der 1.000 Werkstücke dürfte für die meisten Firmen deshalb definitiv vorbei sein. Sie stehen vor der Herausforderung, eine höhere Variantenvielfalt zu stemmen, die zunächst den Umsatz nur geringfügig steigert, dafür aber die Komplexität und die Kosten deutlich in die Höhe treibt. Jedoch haben die Unternehmen nur so die Chance, sich dauerhaft am Markt zu behaupten. Und noch ein Punkt bestimmt die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend: Trotz der zunehmenden Produktindividualisierung und der höheren Produktkomplexität müssen die bereits hohen und weiter wachsenden Qualitätsansprüche erfüllt werden.
Flexibler ist wettbewerbsfähiger
Die wirtschaftlich effiziente Fertigung von kleinen oder kleinsten Losgrößen, die Umsetzung von Sonderwünschen sowie die Herstellung komplexer Bauteile erfordert deshalb einen hohen Flexibilisierungsgrad der Produktion und Logistik. Das heißt unter anderem, Geräte und Anlagen müssen sich schnell auf die wechselnden Anforderungen der Kunden anpassen lassen. Eine Aufgabe, die auch die Qualitätssicherung betrifft. Denn sie stellt nicht nur sicher, dass die Qualitätsvorgaben erfüllt werden. Sie ist auch unverzichtbar für einen einwandfrei ablaufenden Fertigungsprozess. Um beispielsweise zu garantieren, dass ausschließlich Gutteile an die nachfolgende Fertigungsstufe übergeben werden, werden die einzelnen Fertigungsschritte engmaschig überwacht. Bei wechselnden Kundenwünschen und den damit verbundenen neuen Anforderungen gelingt das jedoch nur, wenn die Qualitätssicherung so aufgestellt ist, dass sie problemlos und schnell Werkstücke mit unterschiedlichen Größen, Materialien sowie Form- und Lagetoleranzen entsprechend der Vorgaben messen und prüfen kann.
Vielseitigkeit in der Qualitätssicherung
Mit der Mass-Technologie erhöht Zeiss die Vielseitigkeit der Qualitätssicherung. Denn durch die Schaffung verschiedener Schnittstellen können Anwender auf ein und demselben Koordinatenmessgerät viele Sensoren betreiben und schnell austauschen. Konkret können Sensoren mit Drehschwenkgelenk oder starrem Tastersystem, optische oder taktile Sensoren sowie passiv und aktiv scannende Sensoren verwendet werden.
Zum Einsatz kommt die Technologie auf den Koordinatenmessgeräten Zeiss Contura, Accura und Prismo. Mit der Mass-Technologie können Anwender also ganz unterschiedliche Messanforderungen mit einem Gerät erfüllen. Anstatt also in verschiedene Geräte investieren und diese vorhalten zu müssen, brauchen Anwender damit nur noch jene Sensoren dazuzukaufen, die sie gerade benötigten. Diese Erweiterbarkeit schätzen viele Zeiss-Kunden aus sämtlichen Branchen – wie beispielsweise Klenk & Stiefele CNC Technik mit Sitz in Leutenbach. Die Firma hatte sich aufgrund unterschiedlicher Messanforderungen ihres wachsenden Teilespektrums im Juli 2019 dafür entschieden, in ein Gerät mit der Mass-Technologie zu investieren.
Präzise und flexibel
Da Koordinatenmessgeräte die Basis sind und bleiben, um eine höchstmögliche Präzision zu sichern, bedeutet diese Technologie deshalb „einen enormen Flexibiltätsgewinn“, betont Torsten Olbrich, Koordinatenmesstechniker bei Klenk & Stiefele. Insbesondere der Einsatz optischer Sensoren ermöglicht Firmen auch hochkomplexe oder berührungsempfindliche Teile sowie Freiformflächen problemlos zu prüfen und damit effizienter zu fertigen. Denn durch das schnelle Erfassen der Ist-Daten lassen sich diese auch schnell mit den Soll-Werten der CAD-Datei abgleichen. So lässt sich der Fertigungsprozess engmaschig und optimal überwachen. Um unterschiedliche Messaufgaben zu übernehmen, ermöglicht es die Mass-Technologie drei optische Sensoren auf den genannten Koordinatenmessgeräten einzusetzen.
Für jede Aufgabe der passende optische Sensor
Zeiss Dotscan ist ein chromatisch-konfokaler Weißlichtsensor. Er wird in der Regel für das Messen von Werkstücken mit empfindlicher, weicher, spiegelnder oder kontrastarmer Oberfläche verwendet. Der Sensor erkennt auch transparente Lackoberflächen über darunterliegenden Metallic-Schichten.
Für das schnelle Erfassen von Freiformflächen gebogener Bleche, Kunststoffabdeckungen oder Gussteilen eignen sich insbesondere Liniensensoren. Sie arbeiten nach der dem Prinzip der Lasertriangulation. Zeiss Linescan erfasst in wenigen Minuten die Oberflächen auch von größeren Bauteilen.
Für sehr kleine oder zweidimensionale Bauteile wie Leiterplatten, flache Blech- oder Kunststoffteile, die sich taktil aufgrund der leichten Verformung der Oberfläche nicht taktil messen lassen, eignet sich der schwenkbare 2D-Kamera-Sensor Zeiss Viscan.
Taktile Sensoren
Taktile Sensoren werden, wie eingangs betont, dann eingesetzt, wenn sehr hohe Genauigkeiten gefordert sind. Diese Sensoren tasten die Oberfläche des Bauteils Punkt für Punkt ab – als Einzelpunktmessung oder scannend. Die Einzelpunktmessung kommt infrage, wenn die absolute oder relative Position qualitätsrelevanter Punkte auf einem Bauteil, wie Bohrungen oder Passstifte, bestimmt werden muss.
Wenn keine Oberflächenformen, sondern einzelne Punkte hochpräzise erfasst werden sollen, ist Zeiss XDT die richtige Wahl. Der Sensor passt an das Rastende Dreh-Schwenk-Gelenk Zeiss RDS und lässt sich damit in Richtung des Messobjektes drehen. Er arbeitet mit der gleitenden Mittelwertbildung, jeder Messpunkt setzt sich dabei aus etwa hundert einzelnen Messwerten zusammen und sichert damit eine hohe Genauigkeit.
Aktiv und passiv scannend
Zeiss Vast XXT ist ein passiv scannender Sensor, der mit hoher Genauigkeit am Dreh-Schwenk-Gelenk Zeiss RDS scannt. Er nimmt die Kontur von Oberflächen ohne Absetzen auf und kann so die Form eines Bauteils auch an schwierigen Stellen, etwa im Inneren schräger Öffnungen, in kurzer Messzeit aufnehmen.
Die ebenfalls zur Verfügung stehenden Zeiss Vast Gold oder auch der Vast XT Gold besitzen dagegen Messkraftspulen. Als aktiv scannende Sensoren fahren sie schnell auch kompliziert geformte Oberflächen beispielsweise von Motorblöcken nach, ohne dabei den Kontakt zur Oberfläche zu verlieren. Sie kommen bevorzugt bei Form- und Lagemessung, Kurven- und Freiformmessung sowie beim Reverse Engineering zum Einsatz.
Eine weitere Variante dieses aktiv scannenden Sensors ist der Vast XTR Gold mit einer integrierten Rotationsachse. Er spielt seine Stärke besonders bei Bauteilen mit vielen Merkmalen und Winkeleinstellungen aus, wie sie bei Getriebegehäusen für Helikopter oder Lokomotiven üblich sind. Denn mit der Rotationsachse erreicht der Messkopf auch innen liegende Verzahnungen, die sich sonst nur mit komplexen Mehrfachtastersystemen messen lassen.
Sensoren für die Rauheit
Mit der Mass-Technologie lässt sich zudem die Oberflächenrauheit eines Bauteils normgerecht auf einem Koordinatenmessgerät bestimmen. Der Rauheitssensor Rotos ermöglicht Anwendern damit einen neuen, einfacheren Arbeitsablauf in der Qualitätssicherung. Denn so können sie Maße, Position, Form und Rauheit am selben Werkstück auf einem Koordinatenmessgerät und damit in einem Arbeitsgang prüfen. Anwender gewinnen damit eine höhere Messsicherheit und sparen sich zudem noch viel Zeit, da umständliche Umspannvorgänge des Werkstücks für die Rauhigkeitsmessung wegfallen. Dies und das schnelle Umrüsten des Messgerätes sowie die schnelle Programm-Anpassung durch die Mess-Software Calypso betrachtet auch Olbrich „als einen großen Vorteil der Mass-Technologie“.
Zusammenfassung
Die Mass-Technologie bietet damit für viele Aufgaben der Qualitätssicherung Vorteile. Die wesentlichen Vorteile sind:
- Eine höhere Messsicherheit, da das Werkstück in einer Aufspannung und damit im gleichen Bezugskoordinatensystem mit verschiedenen Sensoren gemessen wird.
- Eine höhere Flexibilität: Anwender können damit sehr schnell auf sich wechselnde Messaufgaben reagieren.
- Eine hohe Investitionssicherheit: Im Bedarfsfall können die Koordinatenmessgeräte durch zusätzliche Sensoren schnell und kostengünstig nachgerüstet werden. Damit lohnt sich die Investition in Koordinatenmessgeräte mit Mass-Technologie auch für jene Firmen, die momentan noch keinen Bedarf für den Einsatz von optischen Sensoren haben.
- Effizientere Fertigungsprozesse: Da Anwender problemlos und schnell optisch messen können, erkennen sie eventuelle Fertigungsprobleme schneller beziehungsweise können diese vermeiden. Das heißt, sie erkennen, beseitigen und vermeiden so bisher nicht entdeckte Fehler im Fertigungsprozess.
- Geringere Kosten: Denn anstatt in mehrere Geräte und größere Stellflächen investieren zu müssen, benötigen Anwender nur die entsprechenden Sensoren, um sämtliche Messaufgaben zu bewältigen.
Autor
Bernd Müller, freier Autor für Technologie- und Wissenschaftsthemen