Industrie 4.0 verstehen
19.01.2021 - Die Digitalisierung der Produktion ist kein Sprint, sondern ein Marathon – in vielen Fertigungsunternehmen wird es noch Jahre dauern, bis die Möglichkeiten von Industrie 4.0 in ganzer Breite realisiert werden.
Wie das DCC Aachen dazu beitragen kann, diesen Veränderungsprozess anzustoßen, erklärt der folgende Beitrag.
Erinnern Sie sich noch an CIM? In den 1980er Jahren war das Computer Integrated Manufacturing der letzte Schrei unter den Produktionsverantwortlichen. Das Versprechen: Die verschiedenen IT-Systeme der Produktion miteinander zu vernetzen. Der Erfolg: bescheiden. Warum? Die Systeme waren zu komplex und die Datenübertragung und -bearbeitung quälend langsam. Trotz des Hypes in den vergangenen Jahren – mit Industrie 4.0 verhält es sich anders. Durch das Zusammenspiel von digitaler Vernetzung, der Analyse von in der Produktion anfallender großer Datenmengen (Advanced Analytics), dem Aufkommen cyber-physikalischer Systeme und durch künstliche Intelligenz, beginnt Industrie 4.0 sein Wertversprechen einzulösen: günstiger, flexibler, schneller und qualitativ hochwertiger zu fertigen. Damit löst Industrie 4.0 quasi die Ankündigungen von CIM aus den 1980er Jahren ein.
Viele Unternehmen haben sich zumindest auf den Weg gemacht hin zu einer digitalisierten Produktion – 60 Prozent gaben in einer McKinsey-Studie von 2017 an, dass sie zumindest Pilotprojekte angeschoben haben. Rund 10 Prozent Kostenersparnis und um 10 Prozent höhere Umsätze versprechen sich die Unternehmen. Doch nur in wenigen Unternehmen wird die digitale Transformation wirklich vom Topmanagement vorangetrieben. Viel zu selten werden signifikante Ressourcen eingesetzt – Geld, Personal und Aufmerksamkeit der Führungsriege. Vereinzelte Leuchtturmprojekte oder digitale Fabriken werden als Beispiele vorgezeigt und beschreiben einen Idealzustand, was mit Industrie 4.0 möglich ist. Das ist sicher inspirierend zu sehen, hilft aber bei der täglichen Arbeit in und mit einer bestehenden Produktion nur begrenzt weiter.
Wie wird Industrie wirtschaftlich zum Erfolg?
Für den Großteil der Unternehmen geht es darum, in der laufenden Produktion Industrie-4.0-Anwendungen schrittweise einzuführen. Diese Firmen fragen sich: Was ist der nächste Schritt in der Digitalisierung der Produktion? Wie schaffen wir es, einzelne Projekte über das gesamte Unternehmen zu skalieren? Und welches sind die ersten Anwendungsfelder von Industrie 4.0, die mir bares Geld sparen und neue Umsätze möglich machen?
Genau hier setzt das Digital Capability Center in Aachen an. Die Industrie-4.0-Lernfabrik wurde im vergangenen Jahr von McKinsey in Kooperation mit der ITA Academy (Ausgründung aus dem Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen) und führenden Technologieunternehmen wie dem Software-Anbieter PTC eröffnet.
In einer realitätsgetreuen Fabrikumgebung erhalten Fach- und Führungskräfte produzierender Unternehmen sowie angehende Ingenieure das Handwerkszeug, um die digitale Transformation im eigenen Unternehmen voranzutreiben – von der ersten Diagnose des Ist-Zustandes, über die Nutzung von Daten bis hin zu den benötigen Fähigkeiten, um die digitale Transformation umzusetzen. Das Motto: erkunden, ausprobieren, anwenden – von der lean production zur digital production. Produziert wird im DCC ein smartes Armband, das individuell konfiguriert werden kann – Stichwort: Losgröße 1.
Realistisches Szenario statt Hochglanzproduktion
Die Produktionslinie stellt dabei ein typisches Brownfield-Szenario dar – mit einem Mix aus älteren und moderneren Maschinen mit jeweils unterschiedlichen Steuerungen und Schnittstellen. Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Leuchtturm-Fabriken lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse sehr viel besser auf fast alle Praxisfälle in den unterschiedlichen Branchen übertragen. Die neueste im DCC Aaachen eingesetzte Technologie wie Echtzeit-Diagnosewerkzeuge, Big Data Analytics, prädiktive Instandhaltung, digitales Performancemanagement, 3D-Druck oder kollaborative Roboter sind nur ein Aspekt des Angebots. Denn genauso wichtig für eine erfolgreiche Industrie-4.0-Umsetzung ist, das Managementsystem anzupassen und die Mitarbeiter auf die Reise mitzunehmen. Auch hier setzt das DCC Aachen an.
Individuelle Produkte erfordern individuelles Training
Die Workshops bauen auf dem Konzept des experimentellen Lernens auf: Studien zeigen, dass 65 Prozent des über experimental learning Gelernten auch drei Monate nach dem Workshop noch präsent ist – oft mit einem echten Wow-Effekt. Dies ist ein deutlicher Vorteil gegenüber dem reinen Anhören beispielsweise auf Konferenzen oder beim Frontalunterricht, bei dem nur 10 Prozent des Gehörten hängenbleibt. Auch beim reinen Anschauen – Fabrikbesuche, Showrooms oder Messen – bleibt nur ein Drittel des Gesehenen langfristig im Kopf. Alle Workshop-Inhalte – vom eintägigen Topmanagement-Training bis hin zu mehrwöchigen Detailworkshops – werden auf die Situation des jeweiligen Unternehmens maßgeschneidert. Wo steht meine Fabrik aktuell technisch – wo kann ich Maschinen digital ertüchtigen? Was sind die aktuellen Herausforderungen und Ziele? Wie kann ich die Produktion mit anderen Teilen der Wertschöpfungskette verzahnen – beispielsweise der Kundenansprache, dem Auftragseingang oder der Vermarktung? Auf diese Fragen liefert das DCC Aachen Antworten. Und um das Gelernte so praxisnah wie möglich zu vermitteln, verbringen die Teilnehmer 80 Prozent ihrer Zeit direkt an den Maschinen auf dem Shopfloor.
Anspruch ist es auch, dass Workshop-Teilnehmer die weltweit neuesten digitalen Technologien kennen lernen und anwenden können. Technologiepartner präsentieren ihre Produkte in der Innovation Area des DCC Aachen – vom kollaborativen Roboter bis hin zur smarten Warehousing-Lösung. Durch die Einbindung in den weltweiten Forschungsverbund der Digital Capability Center in Singapur, Chicago, Peking und Venedig wird zudem sichergestellt, dass für alle Teilnehmer die global besten Lösungen zur Verfügung stehen.