Industrie 4.0 beginnt mit Sensorik 4.0

Dr. Gunther Kegel, Pepperl + Fuchs, zum Start des zweiten Competence Book "Industrie 4.0"

30.07.2015 -

Auch wenn der Acatech-Abschlussbericht zu Industrie 4.0 das Thema weitläufig bekannt und mit einigen Beispielen allgemein verständlich gemacht hat, sind die Vorstellungen und Visionen, was uns nach dieser vierten industriellen Revolution erwartet, noch immer nebulös und unvollständig. So ist es nur konsequent, in einem weiteren Competence Book "Industrie 4.0" (Mensch, Maschinen, Modelle) weitere Klarheit in der Tiefe zu diesem Thema zu schaffen, vor allem, was die technologischen Innovationen angeht.

Die Produktion maßgeschneiderter Produkte zu Preisen und Verfügbarkeiten von Massenartikeln ist zwar zurzeit das kommunikative Paradepferd der Industrie 4.0-Gemeinde, aber Industrie 4.0 auf die wirtschaftliche Fertigung kundenindividueller Produkte zu reduzieren, wird der überragenden Bedeutung des Themas nicht gerecht. Industrie 4.0 ist vielmehr Teil einer unaufhaltsamen Digitalisierung und Vernetzung aller Lebensbereiche, die die gesellschaftlichen Formen des Zusammenlebens der nächsten Dekaden massiv und mit bisher nicht da gewesener Dynamik verändern wird. Aus Fabriken und Prozessanlagen werden vollständig vernetzte Smart Factories und Smart Plants, deren einzelne Maschinen, Systeme und Komponenten in flachen IP-Netzen verknüpft sind und die ihre Daten als Service allen Anwendungen in den Netzen des Internets der Dinge zur Verfügung stellen. Auch echtzeitfähige Regelungs- oder Sicherheitsfunktionsdaten werden in Zukunft in Form von Diensten bereitgestellt.

Erstmalig können somit alle in komplexen Sensoren oder Maschinen entstehenden Daten jederzeit und an jedem Ort als Dienst zur Verfügung gestellt werden. Gerade die Daten moderner multidimensionaler Sensoren können so - weit über die Verwendung in üblichen Regel- und Sicherheitskreisen hinaus - genutzt werden. Und es sind genau diese Daten, die den "big data"-Konzepten von morgen die Volumen und Qualitäten für ganz neue Geschäftsmodelle bereitstellen. Das Internet der Dinge wird nicht nur die Daten der nächsten Generation von Sensorik in die Automatisierungsanwendung einspeisen, es wird vielmehr zur "enabling technology" ganz neuer Konzepte von Sensoren und Sensordatenintegration. Sensorik 4.0 wird Sensoren und Integrationskonzepte hervorbringen, die die Bandbreite und Durchgängigkeit der I4.0-Netze brauchen und nutzen. Zumindest für eine Übergangszeit sind dazu auch Migrationstechnologien wie SmartBridge oder WirelessHART notwendig. Gleichzeitig werden aber auch ganz neue physikalische Medien gebraucht, die die Internetprotokolle bis in den letzten Winkel der Fabriken und Anlagen bringen. Die neuen Integrationskonzepte wie FDI, FDT oder i-DTM entfalten ihre volle Wirkung erst, wenn auch die Prozess-Sensorik von morgen über einen für die Prozessindustrien optimierten "physical layer" ihre Internet-Protokolle über das industrielle Internet der Dinge austauschen können.

Industrie 4.0 braucht Sensorik 4.0 und Sensorik 4.0 braucht eigene physikalische Medien im Internet der Dinge, um den Nutzen der neuen Softwaretechnologien vollständig zu entfalten. Getrieben durch das Internet wachsen reale und virtuelle Welt immer mehr zusammen - die Wirtschaft steht an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution. Die Verbindung von Sensoren mit netzfähiger Kommunikation ist die Grundlage für Sensorik 4.0. Diese wiederum ist die technische Voraussetzung für die zunehmende Autonomie und Automatisierung von Anlagen und Fabriken: Industrie 4.0 und Internet der Dinge.

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