Omre Europe: Bildverarbeitungsprodukte sichern Qualität

28.11.2012 -

’s-Hertogenbosch liegt im Süden der Niederlande, etwa 80 km südöstlich von Amsterdam und ist die Hauptstadt der Provinz Nordbrabant. Laut Wikipedia weist die Wirtschaftstruktur der kleinen Stadt viele mittlere und kleine Industrie- und Handelsunternehmen mit einem dominierenden Dienstleistungssektor auf.Was Wikipedia nicht verrät, ist, dass das knapp 140 Tausend Einwohner kleine Städtchen auch die europäische Produktionszentrale des japanischen Elektronik-Konzerns Omron beherbergt.

Wie bitte? Asiaten produzieren im teuren West-Europa? Das ist nicht selbstverständlich und liegt zu einem nicht unbeträchtlichen Teil an der hohen Qualität, die das niederländische Werk produziert. Dabei setzt Omron zur Qualitätssicherung auch eigene Bildverarbeitungsprodukte ein.

Der japanische Elektronik-Riese Omron hat weltweit gut 27.000 Mitarbeiter und liegt im Umsatz deutlich über 6 Mrd. US-$, davon werden etwa 10 % in Europa erzielt. Knapp 50 % des Umsatzes kommen aus dem Bereich Industrie- Automation, zu dem auch Bildverarbeitungssysteme und Visionsensoren gehören.

In Europa unterhält der Konzern für diesen Geschäftsbereich sechs Produktions- und Entwicklungs- Standorte: in den Niederlanden, Deutschland, Ungarn, Italien, Spanien und Großbritannien. In ´s-Hertogenbosch sind insgesamt 163 Mitarbeiter in den Bereichen Marketing, Produkt-Entwicklung, Produktion und Service beschäftigt.

Damit ist das niederländische Werk der größte europäische Standort des Japaners, hier werden etwa 35 % der Produkte gefertigt – und davon etwa 30 % auch entwickelt –, die in Europa verkauft werden. Dabei wäre es im Jahr 2000 fast vorbei gewesen mit der europäischen Produktionsstätte. „In der Zentrale hieß es, die Produktion in Europa sei nicht sehr effektiv, die Produkte nicht von hoher Qualität, Europa sei lediglich teuer.

Lass uns nach China gehen!“, so Hugo Sintnicolaas, European Manufacturing and R&D Manager und Werksleiter in ´s-Hertogenbosch. Heute werden etwa 25 % der Produktion aus ´s-Hertogenbosch nach Japan exportiert, und zusätzlich zur Produktion und Entwicklung ist auch das europäische Marketing am Standort angesiedelt.

Der Schlüssel zum Erfolg, d. h. die Stärkung des europäischen Standortes, lag in zwei Aspekten: der Integration eigener Produktentwicklung – bis dahin hatte man nur in Japan entwickelte Produkte gefertigt – und in der Steigerung der Produktionsqualität bei gleichzeitiger Senkung der Produktionskosten. 

Neues Qualitätsverständnis

Insbesondere die Fokussierung auf die Produktqualität hat die Wende herbeigeführt. Dabei ist zu bemerken, dass die Qualität vorher durchaus den europäischen Vorstellungen entsprochen hat, es gab so gut wie keine Kundenbeschwerden aus Europa. Nicht so in Japan: die aus europäischer Produktion importierten Produkte konnten dort nicht verkauft werden – die Qualität war zu schlecht.

So waren z. B. Typenbezeichnungsschilder nicht akkurat aufgebracht, Etiketten nicht im rechten Winkel aufgeklebt. Nicht wirklich ein gravierender und erst recht kein funktionaler Fehler, sollte man meinen. „Aber“, so Sintnicolaas, „für japanische Kunden ein Zeichen für das Qualitätsverständnis in der Produktion.

Wenn hier unsauber gearbeitet wird, wie sieht es dann im Inneren der Bauteile aus?“ Im Restrukturierungs-Prozess zur Erhöhung der Produktionsqualität konnte eine überraschende Erkenntnis erarbeitet werden: Die Fokussierung auf Qualität bringt gleichzeitig die Kosten runter. „Das ‚Mach es gleich von vornherein richtig‘ erspart den ganzen Umfang der Nacharbeit“, so Sintnicolaas.

Neue Produktionsmethode

In ‘s-Hertogenbosch wurde eine neue Produktionsmethode, die Low Cost Intelligent Automation (LCIA), eingeführt. LCIA umschreibt ein System, mit dem manuelle Tätigkeiten mit einfachen Steuerungssystemen und intelligenten Tools miteinander zu einer flexiblen, produktiven Montagemethode mit qualitativ hochwertigem Output integriert werden.

Der Kerngedanke ist hier, die Flexibilität, d. h. kleine Losgrößen, durch die manuellen Tätigkeiten zu erhalten – also keine 100 % Automatisierung -, damit hohe Produktivität bei geringen Investitionskosten zu erzielen und die Fehler, die mit der manuellen Tätigkeit immer einhergehen durch intelligente Werkzeuge, Teilautomatisierungen und Standardisierung zu verhindern.

Die Standardisierung wird u. a. mit der „5S“- Arbeitsplatzorganisation erreicht, einem in Japan entwickelten Instrument, um Arbeitsplätze und deren Umfeld sicher, sauber und übersichtlich zu gestalten. Durch die direkte Einbeziehung der Mitarbeiter werden Schwachstellen in den Abläufen aufgedeckt, Verbesserungen umgesetzt und durch kontinuierliche Selbstüberprüfung und Kommunikation ein hohes Maß an Nachhaltigkeit erzeugt.

„Die Mitarbeiter mussten sich am Anfang erst daran gewöhnen und machen sich aber heute einen Wettbewerb daraus, welche Abteilung bei 5S am besten abschneidet“, so Bram Kale, European Engineering Manager bei Omron. Die selbst entwickelten Standards und deren klare einfache Visualisierung an den Arbeitsplätzen ermöglichen ein schnelles Verständnis für die vorgegebene Best Practice Arbeitsweise und stellen sicher, dass der erreichte Zustand beibehalten wird.

Der Begriff 5S steht dabei (in einer Übertragung vom japanischen Original ins Deutsche) für 1. die Spreu vom Weizen trennen. 2. Sichtbar Ordnung schaffen. 3. Saubermachen. 4. Standardisierung des erreichten Zustandes. 5. Selbstdisziplin.

Neue Tools

Die Arbeit der Mitarbeiter wird dabei, ebenfalls ganz nach japanischem Vorbild, unterstützt durch eine Reihe von Poka Yokes. Poka Yoke bedeutet übersetzt die Verminderung (Poka) von unbeabsichtigten Fehlern (Yoke), d. h., die Fertigungsabläufe werden so umgestaltet, dass nur fehlerfreie Teile hergestellt werden können. Bei Omron wird dazu auch die Bildverarbeitung eingesetzt.

Sehen wir uns dazu zum Beispiel die Herstellung einer SPS an: Zunächst einmal werden für die manuelle Montage alle Komponenten nach dem Kanban-System (Hol-Prinzip) zur Verfügung gestellt und für den Arbeiter in ergonomischer Weise und in der richtigen Montagereihenfolge an seinem Arbeitsplatz positioniert; dadurch kann er sich vollständig auf seine Montagetätigkeit konzentrieren.

Die Baugruppe wird in eine Montagehalterung eingelegt, die mechanisch nur eine Position – die richtige Position – zum Einlegen ermöglicht. Durch Lichtschranken wird überwacht, dass die einzelnen Bauteile aus den Behältern entnommen und jeweils an der richtigen Stelle in der Baugruppe montiert werden.

Sollten nicht alle Lichtschranken ansprechen, kann die Baugruppe nicht in die nächste Montageposition gebracht werden. So wird jeder Arbeitsschritt unmittelbar überwacht und der Mitarbeiter sofort auf Fehler hingewiesen, die ebenfalls sofort korrigiert werden können. Die Bildverarbeitung wird dabei auch als Poka Yoke eingesetzt, um die Funktion, Farbe und korrekte Helligkeit von LEDs zu prüfen, eine Tätigkeit die auch durch den Werker erfolgen könnte, aber dann naturgemäß fehleranfällig wäre. 

Eine weitere Überprüfung durch Bildverarbeitung erfährt das Typenschild. Dieses wird gelesen, das Ergebnis mit einer Datenbank verglichen zur Überprüfung der Verbauung korrekter Unterbaugruppen, und es wird dabei gleich hinsichtlich der Druckqualität geprüft.

Durchgängig(e) Vision 

Im Werk ´s-Hertogenbosch sind insgesamt 17 Visionsysteme im Einsatz: Acht sog. AOI-Systeme werden eingesetzt für die automatische Qualitätskontrolle der Leiterplatten hinsichtlich Lötpastenauftrag, korrekter Bauteilbestückung und Lötstellenqualität. Ein ZFX Farbsystem führt die Bestückungskontrollle (Polarität) von Kondensatoren durch, fünf Systeme erledigen in Poka Yokes die LED-Inspektion und die Prüfung der Beschriftung auf der Frontseite der Geräte.

Drei weitere Systeme werden eingesetzt zum Lesen von Data Matrix-Code, diese Systeme prüfen den laserbeschrifteten 2D Code und vergleichen diesen mit der Bestückung der Geräte. Alle Systeme kommen aus dem eigenen Haus: Bei den AOISystemen handelt es sich um das VT-RNS mit der innovativen Methode, aus 2D-Bildern 3D-Daten zu gewinnen, die einfacheren Systemen basieren auf den bei Omron so genannten Vision Sensoren der Generationen F160 und ZFX.

Laut Bram Kale könnten auch Fremdsysteme eingesetzt werden, aber dazu habe sich bislang weder die Notwendigkeit noch der Wunsch ergeben. Auch das neue System von Omron, PCbasiert und mit 3D-Funtionaliät, wird in Kürze seine Feuertaufe im niederländischen Werk erfahren.

Was für den Besucher des niederländischen Omron Werkes besonders beeindruckend ist, ist nicht allein das durchgängig umgesetzte Produktionskonzept japanischer Prägung, nicht mal dass man vom Fußboden der Montagehalle essen könnte, so sauber glänzend ist dieser, sondern die Begeisterung der Mitarbeiter für die Effizienz und Qualität, die sie mit ihren Methoden erzielen. Man spürt den Stolz, der beim Rundgang mit dem Besucher und bei der Erklärung der einzelnen Schritte mitschwingt.

„Es ist kein rein japanisches Prinzip, was wir umsetzen“, so Bram Kale, „das würde mit unseren niederländischen Mitarbeitern auch nicht funktionieren. Unsere Mitarbeiter haben nach anfänglicher Umstellungsphase das Prinzip verstanden, aufgegriffen und mit ihren eigenen Erfahrungen angereichert und verfeinert. Sie haben den Prozess zu ihrem eigenen Prozess gemacht.“

Und genau das kann man sehen. Nicht zuletzt in der Pfiffigkeit der Poka Yokes. Tools, mit denen es direkt Freude macht zu arbeiten.

 

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