Schwierigkeiten der Kommunikation
06.05.2012 -
Schwierigkeiten der Kommunikation: "Es gibt keine größere Illusion als die Meinung, Sprache sei ein Mittel der Kommunikation zwischen Menschen.“ Dieses Zitat von Elias Canetti (Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger 1981) mag pessimistisch klingen, doch fragen Sie sich einmal selbst: Hat er damit nicht Recht? Wie steht es denn um Ihre Sprachgewohnheiten, haben Sie darüber schon einmal nachgedacht?
Nehmen Sie nur die folgende Situation: In Ihrem Tagesgeschäft in einer chemischen Anlage laufen verschiedene Prozesse ab – chemische, physikalische, technische. Verschiedene Chemikalien reagieren miteinander, physikalische Zustände müssen überwacht werden, verschiedene Messgrößen werden gemessen oder beeinflusst. Haben Sie aber einem anderen Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt genommen, einen Unfall verursacht und danach noch die herbeieilenden Beamten beleidigt, finden Sie sich in einem Prozess ganz anderer Art wieder – und zwar auf der Anklagebank. Und wenn Sie sich mit einem Soziologen unterhalten, mag es vorkommen, dass dieser den Begriff „sozialer Prozess“ gebraucht und damit die Veränderung von sozialen Beziehungen oder Interaktionen zwischen Menschen meint.
Wir haben das Phänomen eines ganz normalen deutschen Wortes, das aber in verschiedenen Bereichen (Technik, Juristik, Soziologie) völlig unterschiedliche Bedeutungen hat. Dabei sind Fachsprachen nur ein Beispiel für subsprachliche Systeme – denken Sie nur an Dialekte oder Geheimsprachen! Um aber bei den Fachsprachen (ganz gleich ob in verschiedenen Wissenschaften, Technik im Allgemeinen und so weiter) zu bleiben: Stehen die Gesprächsteilnehmer hierbei nicht auf der gleichen Wissensebene, kann es zu Problemen kommen.
Dasselbe gilt für die tägliche Business-Kommunikation. Um es mit Wittgenstein zu sagen: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“ Oder: Während Ihnen ein Techniker auf dem Messestand der Firma X die Vorteile und Features des neuen Produktes erläutert (fachsprachlich, versteht sich), verstehen Sie nach einer halben Stunde permanenter Begriffsbombardierung‚ nur noch Bahnhof’, ohne dabei die Absicht zu haben, den nächsten Sonderzug nach Pankow zu nehmen.
Fragen Sie sich daher nun auch – zurecht! – warum man nicht einfach Deutsch miteinander spricht? Das wäre wohl manchmal in der Tat die einfachste Lösung – doch der Fachsprachenfetischist wird hier, ebenfalls zurecht, einwenden, dass es fachsprachliche Begriffe gibt, die eben im „normalen“ Deutsch keine Entsprechung haben beziehungsweise den komplexen Gehalt des Begriffs nur unzulänglich wiedergeben. Das ist sicherlich richtig – doch das Problem bleibt dasselbe: Ist Sprache wirklich das einzige und probate Mittel für die zwischenmenschliche Kommunikation?
Wie gut, dass sich manche Situationen auch nonverbal regeln lassen. Mein Tipp für Sie daher, gerade wenn Ihnen nach einem anstrengenden Messetag die Stimme versagt: Lächeln Sie Ihr Gegenüber freundlich an, bestellen Sie einen angemessenen Drink und genießen Sie die Gewissheit, auf jeden Fall richtig verstanden worden zu sein. Und für den nächsten Tag: Seien Sie höflich, aber direkt. Das reduziert die Anzahl der Deutungsmöglichkeiten für Ihren Gesprächspartner und führt Ihr Problem klar vor Augen – und Sie vielleicht näher an dessen Lösung heran. Viel Erfolg für Ihre Gespräche im Messeherbst wünscht
Kontakt:
Angela Seibert-Weck
Verantwortliche Redakteurin Messtechnik & Sensorik
MESSTEC & Automation