Bildverarbeitung

Motion Capture erleichtert orthopädische Diagnosen

Mit Hilfe von Pike Hochgeschwindigkeitskameras erforschen Ärzte und Wissenschaftler Störungen des Bewegungsapparates

Motion Capture ist in der breiten Öffentlichkeit durch spektakuläre Effekte und 3D-Animationen in Kinofilmen bekannt geworden. Diese Technologie, bei der die Bewegungen eines menschlichen Darstellers an eine computergenerierte Figur übertragen werden, hat aber viele andere Anwendungsgebiete. SIMI Reality Motion Systems GmbH bietet innovative Software- und Systemlösungen für Motion Capture Applikationen und arbeitet nicht nur mit Animationsstudios zusammen, sondern auch mit Leistungssportlern, Forschern und medizinischen Einrichtungen, die präzise Tools zur Auswertung von Bewegungsabläufen brauchen. So entwickelte SIMI mit SIMI Motion ein System, mit dem sich im Rahmen einer orthopädischen oder neurologischen Diagnose bzw. Behandlung die Bewegungsabläufe des Patienten genau auswerten lassen.

Diagnose und Behandlungskontrolle
SIMI Motion ist ein Analysesystem zur dynamischen, nicht-invasiven Diagnose und Kontrolle von Störungen des Bewegungsapparats. Das System analysiert Videodaten von einer oder mehreren Digitalkameras und leitet daraus wichtige Daten wie Gelenkwinkel, Beschleunigungen, Achsensymmetrien, Gelenkmomente oder Gelenkbelastungen ab. Die Daten können mit Standardwerten aus der biomechanischen Literatur verglichen werden, um mögliche Störungen genau zu identifizieren.
Das System ist mit einer (2D-Version) bzw. mehreren (3D-Version) Digitalkameras vom Typ Pike F-032B von Allied Vision Technologies ausgerüstet. Die Kameras sind über eine IEEE 1394b FireWire oder Glasfaser Schnittstelle an einen herkömmlichen Desktop-PC angeschlossen. Die Testperson wird ggf. mit Markierungen an den wichtigen Gelenkstellen versehen und führt eine bestimmte Übung vor der Kamera durch - zum Beispiel einige normalen Schritte. Die SIMI Motion Software analysiert die von der Kamera übertragenen Bilddaten und leitet von dem Verlauf der Markierungen im Bild die Gelenkbewegungen ab.

Grafische Darstellungen und einfach zu bedienende Werkzeuge erleichtern die Diagnose für den Arzt, der dank dem System schnell und präzise die Schwachstellen seines Patienten finden kann. So lassen sich zum Beispiel Gangzyklen und Gelenkbewegungen, Translationen oder Rotationen exakt untersuchen. So wie in Animationsstudios virtuelle 3D-Figuren von einem Schauspieler zum Leben gebracht werden, so können Ärzte anhand der ermittelten Daten ein 3D-Modell des Skeletts des Patienten animieren, um die Gelenkbelastungen besser zu visualisieren.

Besonders wertvoll für Mediziner ist auch die Möglichkeit, das System mit weiteren medizinischen Messgeräten zu synchronisieren - etwa Kraftmessplatten, Fußdruckmessgeräten oder Elektromyographie-Messgeräten (EMG). Die erfassten Daten ergänzen sich so gegenseitig für eine noch höhere Präzision.

Über die Diagnose hinaus bieten die Archivierung und der Vergleich der Daten eine wertvolle Hilfe in den Behandlungen. So können etwa Vergleiche vor und nach einer Operation an einem Patienten gezogen werden, um den Erfolg des Eingriffs zu kontrollieren. Oder die Ärzte können durch Messungen in regelmäßigen Abständen die Fortschritte einer Rehabilitation prüfen und dokumentieren.

Wissenschaftler erforschen Behandlungen der Zukunft
Auch für die Grundsatzforschung wird das SIMI Motion System mit AVT Pike eingesetzt. PD Dr. med. Andrey Irintchev, Leiter des neurowissenschaftlichen Forschungslabors der HNO-Klinik im Universitätsklinikum Jena, hat eine Methode entwickelt, um motorische Störungen und vor allem deren Heilungsprozess an Labormäusen wissenschaftlich zu messen, zu vergleichen und zu dokumentieren. Erforscht werden Störungen als Folge von Nerven- oder Rückenmarkverletzungen und mögliche Behandlungstherapien.

Mit seiner Methode hat der Wissenschaftler neue neurologische Behandlungsmethoden erforscht - etwa den Einfluss elektrischer Stimulation auf die Regeneration von Nerven. Momentan befasst sich Dr. Irintchev mit der Genetik des motorischen Heilungsprozesses: „Wir vergleichen normale Mäuse mit solchen, die ein mutiertes Gen tragen, um festzustellen, ob bestimmte Proteine den Heilungsprozess beschleunigen oder bremsen können".

Die Methode von Andrey Irintchev besteht darin, den Gang von Mäusen auf einem Balken mit einer Kamera zu erfassen und zu analysieren. Auf einem hängenden, schmalen Balken kann das Tier nur in eine bestimmte Richtung laufen. So kann derselbe Bewegungsablauf immer wieder vergleichbar wiederholt werden. Dank der SIMI Motion Auswertesoftware können die Bewegungsabläufe sehr genau analysiert werden, und zwar ohne dass die Gelenke der Tiere markiert werden müssen. „Was mit Menschen möglich ist, ist nicht unbedingt mit Mäusen machbar: Deren Beine sind zu kurz, die Gelenke zu undeutlich zu erkennen und die Haare würden die Markierung noch erschweren", erklärt der Forscher. „Deswegen ist es für unsere Arbeit sehr wertvoll, dass wir auch ohne Markierungen zuverlässige Ergebnisse erzielen können". Ein weiterer Vorteil der Bildverarbeitung ist außerdem, dass es eine nicht-invasive Methode ist: Die Tiere können sich frei und natürlich bewegen, so Dr. Irintchev.

AVT Pike liefert 200 Bilder pro Sekunde
Als der Forscher und sein Team vor Jahren mit der Entwicklung einer videobasierten Auswertungsmethode begannen, nutzten sie eine analoge Videokamera und einen Videorekorder aus der Unterhaltungselektronik. Die Bildqualität, die Bildrate und die Weiterverarbeitungsmöglichkeiten waren zu eingeschränkt für Andrey Irintchevs anspruchsvolles Projekt. So griffen Sie auf eine professionelle Digitalkamera zurück. Doch mit 100 Bildern pro Sekunde kam auch sie schnell an ihre Grenzen. „Für die Präzision, die wir brauchen, sind die Bildrate und die Bildqualität entscheidend. Deswegen haben wir uns schließlich für die Pike Digitalkamera von Allied Vision Technologies entschieden, mit der wir mit 200 fps und ihrer hohen Bildqualität die Bewegungsabläufe der Mäuse ganz genau analysieren können".

Die SIMI Motion Software analysiert die Bilder und erfasst Eckdaten wie bestimmte Gelenkwinkel oder Beschleunigungen, die anschließend statistisch ausgewertet werden. „Dank unserer Methode mit der SIMI-Software und der AVT-Kamera sind wir in der Lage, sehr geringe Abweichungen zu messen und die bisher eher empirische Beobachtung in Daten und Zahlen statistisch zu belegen", freut sich Andrey Irintchev. „Diese statistische Auswertung von nachweislich erfassten Ergebnissen ist in jeder Disziplin der wissenschaftlichen Forschung entscheidend. Denn nur so können Ergebnisse validiert und letztendlich bewiesen werden".

 

 

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