Optische Prüfung mit synthetischen Messdaten schneller und zuverlässiger
Digitale Modelle ermöglichen flexibles Messen und Prüfen - sogar bei hoher Variantenvielfalt
Fertigungsunternehmen streben eine Null-Fehler-Produktion an. Vermeiden von Qualitätsmängeln und Ressourcen einsparen, stärkt ihre Wettbewerbsfähigkeit. Vor dem Hintergrund, dass bei Produkten die Variantenvielfalt steigt, ist das eine enorme Herausforderung. Optische Prüfsysteme können Bauteilabweichungen schnell und zuverlässig erkennen. Sie arbeiten berührungslos und sind unbestechlich. Digitale Modellinformationen, sowohl über das Produkt als auch über die optische Prüfanordnung, bilden eine wichtige Grundlage für das flexible Betreiben optischer Prüfsysteme.
Der wirtschaftliche Betrieb von Prüfsystemen wird entscheidend durch den Aufwand zur Erstellung eines Prüfprogrammes und der Bereitstellung von Informationen über den Sollzustand des Produktes bestimmt. Das fällt umso mehr ins Gewicht, wenn eine hohe Bauteilvielfalt wechselnde Prüfanforderungen notwendig macht. Ein wachsender Bedarf nach individuellen Produkten ist ein allgemeiner gesellschaftlicher Trend, dem sich die Industrie stellen muss. Er geht mit stetig sinkenden Losgrößen, einer hohen Variantenvielfalt in der Produktherstellung und kurzen Produktlebenszyklen einher.
Einen großen Schritt bei der Bewältigung der damit verbundenen Anforderungen verspricht eine Prüftechnologie, die Forscher des Fraunhofer Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) in Magdeburg entwickelt haben. Sie nutzt digitale Modellinformationen von Produkt und Prüfsystem und ist dadurch besonders flexibel. Auf den Messen Control 2014 in Stuttgart und Automatica 2014 in München wird die Prüftechnologie präsentiert werden.
Modelldaten und Simulation als zentraler Schlüssel
Jedes industriell herzustellende Produkt wird heute unter Zuhilfenahme von CAD-Werkzeugen entwickelt. Dabei nimmt die Verbreitung von Tools zu, welche die Erstellung eines 3D-CAD-Modells ermöglichen. Die gleichen Werkzeuge können für das Entwickeln optischer Prüfanordnungen benutzt werden. Das resultierende 3D-CAD-Modell der Prüfanordnung beschreibt dann exakt die geometrische Anordnung aller für die optische Prüffunktionalität erforderlichen Komponenten, wie z. B. die Lage einer Lichtquelle und die Lage eines Kamerasystems. Die eigentliche Prüffunktionalität kann durch physikalisch-mathematische Modelle beschrieben werden und ermöglicht somit die Berechnung synthetischer Messdaten.
Modellgestützte Prüfplanung
Die Benutzung dieser digitalen Modellinformationen bildet eine wichtige Grundlage für das flexible Betreiben optischer Prüfsysteme. Mittels Prüfsimulationen kann die optimale Position eines prüfenden Sensors relativ zum Prüfmerkmal am Bauteil automatisiert ermittelt werden. Dazu wird das digitale Sensormodell an vielen verschiedenen Positionen entsprechend dem digitalen Modell des Produkts virtuell positioniert und es werden jeweils synthetische Messdaten berechnet. Eine Analyse dieser Daten ermöglicht die Bestimmung der Messposition, mit der das Prüfmerkmal optimal erfasst werden kann.
Falls das Prüfsystem über eine Kinematik verfügt, die den prüfenden Sensor zu aufeinanderfolgenden Prüfpositionen bewegen kann, dienen die zuvor ermittelten Prüfpositionen sowie die Modellinformationen von Bauteil und Prüfsystem als Eingangsinformation für eine kollisionsfreie Bahnplanung des kinematischen Systems.
Die von den IFF-Forschern entwickelte Technologie ermöglicht eine automatisierte Prüfplanung. Das hat den Vorteil, dass Änderungen am Produkt keine zusätzlichen Aufwendungen in der Arbeitsvorbereitung nach sich ziehen und der Produktionsprozess nicht für ein erneutes Einrichten des Prüfsystems unterbrochen werden muss. Die Simulation der Prüfung erspart dem Betreiber das bisher notwendige Einlernen neuer Prüfpositionen.
Synthetisch erzeugte Sollzustände
Ein weiterer Aspekt ist die Bereitstellung der korrekten Sollinformationen, die einen fehlerfreien Zustand des Produkts beschreiben. Für alle optischen Prüfungen, die geometrisch beschreibbare Prüfmerkmale nutzen, bietet sich ebenfalls die Nutzung des 3D-CAD-Modells des Produkts an. Die zuvor ermittelte Prüfposition des Sensors in Relation zum Produkt ermöglicht die Berechnung synthetischer Messdaten. Beispielsweise lässt sich ein synthetisches Kamerabild erzeugen, indem die Sichtperspektive der virtuellen Kamera auf das CAD-Modell des Prüflings entsprechend der realen Prüfsituation exakt ausgerichtet und anschließend seine Messsimulation durchgeführt wird.
Bisher ist es üblich, unter relativ hohem Aufwand mit der realen Messanordnung Vergleichsdaten in Form sogenannter ‚Golden Samples' zu erzeugen. Dies entfällt nun dank der Mess-Simulation, die hochflexibel und automatisch die für den Vergleich notwendigen Solldaten erzeugen kann.
Anwendung in der Montageprüfung
Die Inspektion der Anwesenheit und Vollständigkeit von Montagebaugruppen ist eine weit verbreitete Prüfaufgabe in der Industrie. Ein automatisches Prüfsystem spürt die Fehler im Montageprozess zuverlässig auf.
Die entwickelte Simulationstechnologie wurde in ersten Pilotsystemen in der Praxis getestet. Im Flugzeugbau kommt ein roboterbasiertes Prüfsystem zum Einsatz, das alle montierten Anbauteile und Fügeverbindungen an Flugzeugrumpfschalen automatisch prüft. Entwickelt wurde dieses Prüfsystem im Auftrag der Premium Aerotec GmbH. Die Informationen entnimmt das System den vorliegenden 3D-CAD-Daten für die Rumpfschale. In ihnen ist genau verzeichnet, wo sich welches Bauteil befinden muss. Aus diesen vorhandenen Daten erstellt das System virtuelle Messdaten in Form von synthetischen Bildern und 3D-Punktwolken von den Prüfmerkmalen - zwischen 1000 und 5000 Stück, so dass jede Nietstelle und jedes einzelne Anbauteil exakt repräsentiert ist. Ein eigens entwickelter Sensorkopf, der mit Bildsensoren und 3D-messenden Sensoren ausgestattet ist, sorgt für die entsprechenden realen Messdaten. Auf einem Roboter montiert, fährt dieser Sensorkopf jede einzelne der 1000 bis 5000 Positionen ab und erzeugt Messdaten über den Montagezustand der realen Anbauteile.
Auswertung der kombinierten Messdaten
Diese realen Messdaten vergleicht das System mit den virtuellen. Passen die beiden Messdaten zueinander - sind die darauf abgebildeten Bauteile also richtig montiert und das System markiert die Bauteile in Grün als fehlerfrei. Findet es Unstimmigkeiten, werden sie entsprechend als fehlerhaft rot markiert, bei Unklarheiten gelb. In einem Prüfprotokoll, das sich ähnlich interaktiv bedienen lässt wie eine App, kann der Werker sich verschiedene Auswertungen anzeigen lassen. Beispielsweise alle relevanten Bohrungen oder aber alle Teile, die gelb und rot markiert wurden. Das System liefert den Bedienern dabei nicht nur die Fotos der Bauteile, sondern auch die Koordinaten, so dass sie das zu überprüfende Bauteil schnell wiederfinden. Das ist auch dringend erforderlich, denn eine Flugzeugrumpfschale kann bis zu 11 Meter lang sein.
Schneller und zuverlässiger als die manuelle Kontrolle
Das digitale Prüfsystem arbeitet nicht nur zuverlässiger als eine manuelle Kontrolle, sondern auch deutlich schneller: Statt acht bis zwölf Stunden benötigt es nur etwa drei Stunden, um den richtigen Sitz jedes Teils zu überprüfen. Dabei spürt es die Fehler nicht nur auf, sondern hilft auch dabei, sie langfristig zu vermeiden. Denn es hat sich gezeigt, dass Fehler an einigen Stellen gehäuft auftreten. Doch wo und warum? Um dies herauszufinden, werden die entdeckten Fehler in eine Datenbank eingespeist. Hier wird analysiert, ob sie lediglich einmalig aufgetreten sind oder ob sie sich wiederholen. An besonders kritischen Stellen könnte man den Werkern bei der Montage dann entsprechende Hinweise geben, worauf hier zu achten ist. Das ist jedoch nicht das einzige, was das Prüfsystem zu einer Besonderheit macht. Auch die Größe der Bauteile, die es kontrollieren kann, hat es in sich. Das System analysiert mühelos Volumen bis zu 11 m x 7 m x 3 m und arbeitet dabei dennoch sehr genau und hochauflösend.