Bildverarbeitung

Gar nicht oberflächlich

Präzise Messung strukturierter Funktionsoberflächen mit Weißlicht-Interferometern

14.09.2009 -

Die Präzision, mit der heute Werkstücke hergestellt werden können, hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Gleichzeitig sind aber auch die Anforderungen an Funktionsoberflächen stark gestiegen: Wenn man z. B. Automobilmotoren mit geringem Verbrauch, weniger Abgasen, längerer Lebensdauer und hoher Leistung herstellen möchte, müssen enge Toleranzen eingehalten werden. Dies bedeutet für die Messtechnik, dass große Flächen eines Werkstückes sehr genau vermessen werden müssen. Da die Präzision der Messmittel mindestens eine Größenordnung besser sein muss, bedeutet dies konkret, dass für eine geforderte Toleranz von 1 µm Genauigkeiten im nm-Bereich reproduzierbar erreicht werden müssen.

Gleichzeitig werden mittlerweile in vielen Fällen 100 % Kontrollen gefordert. Bei den kurzen Taktzeiten bedeutet dies nicht nur kurze Messzeiten, sondern auch die Überprüfung direkt in der Linie, d. h. in einer für Prä­zisionsmessungen ungünstigen Umgebung. Mit Hilfe der Weißlicht-Inter­ferometrie (WLI) ist es jedoch möglich, alle diese Anforderungen zu erfüllen.

Funktionsprinzip: Interferenzmessung ­optischer Weglängen
In einem WLI wird Licht einer breitbandigen „weißen" Strahlungsquelle in zwei Teile, den Messstrahl und den Referenzstrahl zerlegt. Wird nun der optische Weg zum Messpunkt in Bezug auf den bekannten Referenzweg durchgefahren, so ergibt sich ein Intereferenzsignal nur dann, wenn die beiden Wege exakt übereinstimmen. Ein Kamerasensor in Verbindung mit einer abbildenden Optik ermöglicht einen Höhenscan für das gesamte Bildfeld. Die Bestimmung des Interferenzmaximums erfolgt mit nm-Genauigkeit oder sogar besser.

Telezentrische Optik für großflächige Messungen
Ein Interferometer nach dem klassischen Michelson-Aufbau (Abb. 1) mit telezentrischer Optik erlaubt die Messung mit parallelem Licht und damit die abschattungsfreie Messung. Ein vertikaler Verfahrweg von bis zu 70 mm ermöglicht auch Messungen in tiefen Bohrungen. Laterale Auflösungen liegen hierbei zwischen 10 µm und 50 µm und Messfeldgrößen im cm-Bereich.
Damit erschließen sich anspruchsvolle Aufgaben z. B. Abstände zweier Flächen, Parallelitäten, Ebenheiten sowie allg. Oberflächenpara­meter. Dabei können ebenso zeitkritische Messungen mit größeren Gesichtsfeldern bis zu 30 x 40 mm² durchgeführt werden. Die Überprüfung solcher Parameter ist z. B. für die Qualitätskontrolle von Werkstücken in der Automobilindustrie wichtig.

Mikroskopische Optik für lateral hoch auflösende Messungen
Für hohe laterale Auflösung von wenigen µm und besser bieten sich Mikroskopsysteme an, bei denen das Interferometer in das Objektiv integriert ist. Auch derartige ­Systeme ermöglichen eine schnelle Erfassung der Topographie von Mikrostrukturen und bieten leistungsfähige Auswertungsmöglichkeiten, beispielsweise bei Messungen an Mikro-Sensoren, -Aktoren und anderen MEMS-Bauteilen. Auch die Untersuchung von strukturierten Blechen oder von Laufflächen in Kurbelgehäusen sind Beispiele, bei denen eine hohe laterale Auflösung benötigt wird.

Standardisierung von Oberflächenmesstechniken
Normen und Richtlinien für die Oberflächenmesstechnik beruhen auf der etablierten taktilen Messtechnik nach dem Tastschnittverfahren. Es ist aber sehr zeitaufwendig, größere Flächen taktil zu vermessen. Daher besteht der dringende Wunsch nach einer schnellen Messmethode. Hier bieten sich allgemein optische Verfahren an. Beim klassischen Tastschnittverfahren stellt, neben der langen Messdauer, der mechanische Kontakt von Sensor und Oberfläche oftmals ebenfalls eine Herausforderung dar, da der mechanische Taster z. B. weiche Oberflächen beschädigen kann, oder Flächen teilweise nur schwer zugänglich sind.
Optische Messverfahren können diese Schwierigkeiten überwinden. Neue VDI-Richtlinien oder die aktuelle ISO-Normungstätigkeit im Bereich der geometrischen Produktspezifikationen werden nun auch andere als die Tastschnittverfahren für Oberflächen einbeziehen. Dadurch wird eine Rückführbarkeit gewährleistet und eine Vergleichbarkeit von optischen Messungen hergestellt.

Großflächige Messung mit hoher Genauigkeits­anforderung
Die vertikale Auflösung ist bei der Weißlicht-Interferometrie unabhängig vom horizontalen Gesichtsfeld und damit von der horizontalen Auflösung. Das Beispiel in Abbildung 3 mit seiner glatten Oberfläche gibt einen guten Eindruck davon, welche Höhenauf­lösungen unter „normalen" Laborbedingungen erreichbar sind. Unter optimalen ­Bedingungen sind sogar Genauigkeiten im Subnanometerbereich erreichbar. Großflächige Messungen sind schnell und es müssen keine sequentiell gemessenen und aneinander gefügten klei­ne­ren Bildfelder ausgewertet werden.
Untersuchungen von Verschleiß und Abnutzung sind ebenfalls klassische Aufgaben für topographische Messun­gen, beispielsweise zur Analyse von Fehlerursachen bei der Abnutzung von Bremsscheiben (Abb. 4).

Einrichtung von Maschinen
Die Überprüfung der Einrichtung von Bearbeitungs­maschinen ist eine häufig ­vorkommende Anwendung. Hierbei werden die relevanten Parameter überprüft, bevor die Fertigungsserie beginnt, und die Einstellungen der Bearbeitungsmaschinen werden optimiert. Abbildung 5 zeigt ein bearbeitetes Teil mit zwei untereinander liegenden Flächen. Die untere Fläche in einer Tiefe von ca. 3,4 mm wird hinsichtlich ihrer Parallelität zur oberen Fläche (Mitte) und ihrer Ebenheit (rechts) gemessen.

Qualitätssicherung - Messungen in der Linie
In der Fertigungskontrolle beträgt die Taktzeit meist nur wenige Sekunden und in dieser Zeit muss die Gut/Schlecht-Analyse abgeschlossen sein. Wegen der anspruchsvollen Umgebungsbedingungen benötigt man vollautomatisch arbeitende, wartungsarme Sensoren. Für Toleranzen von ca. 1 µm müssen Genauigkeiten von mindestens 100 nm oder besser erreicht werden. Ein typischer automatisierter Messablauf bestimmt bei­spielsweise an dem in Ab­bildung 6 gezeigten Stoßdämpferteil den mittleren Höhenabstand (links) und das eingezeichnete Kreislinienprofil (rechts).
Der ganze Vorgang ist nach wenigen, in diesem Fall 4-
10 Sekunden abgeschlossen. Die­se Zeit beinhaltet auch das vor der Messung abzuwartende Intervall zum Abklingen von Beladungsschwingungen. Die für den industriellen Einsatz unabdingbare Messmittelfähigkeit wird durch die Wiederholpräzision und Vergleichspräzision (R&R) eines Weißlicht-Interferometers nachgewiesen.

Zusammenfassung
Die Weißlicht-Interferometrie ist zu einem wichtigen Werkzeug für die zerstörungsfreie Qualitätsprüfung geworden. Es können Oberflächenparameter bestimmt, Strukturen analysiert oder Fehler detektiert werden. Auch Ampli­tudensprünge im Profil und Riefen mit großem Aspektverhältnis sind mit Hilfe der Weißlicht-Interferometrie messbar. Die vertikale Auflösung kann im Sub-nm-Bereich liegen und ist in der Praxis nur durch die Umgebungsbedingen begrenzt, nicht durch das Messprinzip. Die Anforderungen an die zu vermessenden Oberflächen sind vergleichsweise gering: Es können glatte und raue, stufige und geneigte, dunkle und helle Oberflächen vermessen werden. Da optische Grenzflächen erfasst werden, stört im Gegensatz beispielsweise zu Streiflichtverfahren eine gewisse Transparenz des Werkstückes nicht. Alles dies macht die Weißlicht-Interferometrie zu einem universellen Werkzeug für die Bestimmung der Oberflächentopographie.

Kontakt

Polytec GmbH

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