Bildverarbeitung

Ungetrübter Durchblick

Wiederholpräzise Defekterkennung in transparenten Materialien

19.05.2015 -

Bei der Herstellung transparenter Materialien aus Glas, Polymeren oder Keramik kann es zu fertigungsbedingten Fehlern und Einschlüssen im Material kommen, welche die Klarheit des Werkstoffs erheblich beeinflussen. Mittels kamerabasierter Verfahren können derartige Fehler detektiert und die optische Qualität des Bauteils überwacht werden.

Bei der Automatisierung eines Prüfprozesses durch ein hohes Maß an Produktionsintegration sind zahlreiche Einflussfaktoren zu berücksichtigen, die sich stark auf die erzielbare Wiederholpräzision und Zuverlässigkeit des Prozesses auswirken. Welche Zusammenhänge zu beachten sind und welche Bedeutung sie für die Praxis haben, lässt sich an einem konkreten Beispiel aufzeigen.
Die Transparenz optischer Komponenten ist für zahlreiche technische Anwendungen eine wesentliche Eigenschaft und ihre gezielte Beeinflussung und messtechnische Charakterisierung ist von großer Bedeutung. Neben der Abhängigkeit von der Wellenlänge der verwendeten Strahlung und der Umgebungstemperatur korreliert die Transparenz in erster Linie mit der Homogenität des Materials. Defekte im Material, ob durch Pünktchenbildung an der Oberfläche, Rollenabdrücke, Kratzer etc., oder im Volumen durch Luftbläschen, Lunker und Einschlüsse, können die Lichtdurchlässigkeit enorm reduzieren und die Funktionsfähigkeit der entsprechenden Elemente erheblich einschränken.
Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, derartige Fehler zu detektieren und die Qualität des Werkstoffs bzw. Bauteils anhand der Fehleranzahl, -Größe und -Verteilung zu charakterisieren. Diesen Umstand berücksichtigen auch entsprechende Normen und Richtlinien. Zum Beispiel die DIN ISO 12123 zur Spezifikation optischer Rohgläser, die Grenzwerte für Anzahl, Größe und Verteilung der Defekte für optische Applikationen festlegt [1].
Bei visuellen Anwendungen wie Glasscheiben wird die Transparenz durch das menschliche Auge beurteilt, dessen begrenztes Auflösungsvermögen eine Vernachlässigung extrem kleiner Fehler erlaubt. Legt man ein durchschnittliches Auflösungsvermögen von etwa 1 Bogenminute und einen schärfeoptimierten Betrachtungsabstand von 25 cm zugrunde, kann dieser Grenzwert mit etwa 7 µm angegeben werden [2].
Für derartige Größenordnungen bietet sich zur zuverlässigen Detektion von Volumen- und Oberflächenfehlern der Einsatz bildverarbeitungsbasierter Verfahren an. Die dafür erforderliche Auflösung liefern Zeilen- oder Flächenkameras, wobei Flächenkameras eine sehr schnelle, da zweidimensionale Aufnahme des Prüflings ermöglichen, allerdings in ihrer maximalen Auflösung begrenzt sind. Zeilenkameras können wesentlich höhere Auflösungen erreichen, haben aber wiederum den Nachteil, dass sie zur Aufnahme eines flächigen Bildes verfahren werden müssen.

Korrektes Stitching als Basis wiederholpräziser Messungen
Das Verfahren der Zeilenkamera muss auch für die Zuverlässigkeit und Wiederholpräzision der Messungen berücksichtigt werden, da die Zusammensetzung der einzelnen Zeilen zu einem Gesamtbild wesentliche Fehlerpotentiale mit sich bringt. Ursache hierfür kann die Art der Triggerung der Einzelaufnahmen sein. Eine wegbasierte Triggerung benötigt die Positionsinformation aus der Achssteuerung, aber nicht alle Achssystemen und -Controllern unterstützen deren hinreichend genaue Ausgabe. Die Alternative ist eine zeitbasierte Triggerung. Nach einer gewissen Beschleunigungsphase ist das Geschwindigkeitsplateau der Achsbewegung in der Regel sehr stabil, weshalb über eine vorgegebene Zeit auch auf diese Weise eine äquidistante Triggerung erzielt werden kann.
Dieses Vorgehen ist jedoch für die oben genannten minimalen Fehlergrößen nur bedingt tauglich, wie Abbildung 1 illustriert. Auf deren linker Seite ist das Beispielsystem dargestellt, mit welchem alle folgenden Daten erzeugt wurden. Es koppelt über eine Dunkelfeldbeleuchtung Licht in den Prüfling ein, das an Fehlstellen gestreut wird, die so von der verfahrbaren Zeilenkamera als helle Punkte erfasst werden.
Die rechte Seite von Abbildung 1 zeigt eine Nahaufnahme zweier Wiederholmessungen der gleichen Fehlergruppe. Die farbigen Markierungen verdeutlichen, dass Fehler nicht immer mit den gleichen Pixeln erkannt werden. Bei eigentlich exakt gleichem Fehlerbild können also die Informationen zur Fehlergröße und -Anzahl zwischen den Aufnahmen variieren. Dieser Effekt ist mitunter stark und kann die Wiederholpräzision der Messung unzulässig stark beeinflussen. Abbildung 2 illustriert diesen Effekt für die Erfassung der Fehleranzahl, welche im Rahmen der gezeigten Dauermessung mit zeitbasierter Triggerung um ca. 1 - 2% variiert. Schon diese Schwankung der Werte beeinträchtigt die durchschnittlichen Fähigkeitsindizes der Messung deutlich.
Im Gegensatz dazu zeigt die rechte Seite von Abbildung 2 die Ergebnisse einer vergleichbaren Dauermessung mit wegbasierter Triggerung. Der Einfluss auf die gleichskalierten Fähigkeitsindizes des Prüfprozesses ist unmittelbar sichtbar: sowohl die Streuung der Messwerte im Vergleich zur Toleranzbreite cg, als auch die Zentrierung der Messwerte cgk kann deutlich verbessert werden.

Umgebungsbedingungen und systeminterne Einflüsse
Bei der kamerabasierten Detektion sind zusätzlich die Umgebungsbedingungen, vor allem die Lichtverhältnisse bei nicht vollständig abgeschlossenen Proberäumen zu berücksichtigen. Auch wenn sich die Lichtintensitäten der Beleuchtung und der Störeinflüsse um mehrere Größenordnungen unterscheiden, können derartig kleine Schwankungen die Wiederholpräzision der Messung wesentlich beeinträchtigen. Dieser an sich triviale Zusammenhang wird in der Praxis häufig nicht ausreichend beachtet, wenn z.B. nur unzureichend opake Materialien zur Abschirmung eingesetzt werden. Dies betrifft nicht nur kurzfristige Änderungen, zum Beispiel durch das Einschalten zusätzlicher Lichtquellen im Raum oder das Öffnen von Türen, sondern auch langfristige Änderungen der Beleuchtungsverhältnisse im Tagesverlauf. Abbildung 3 links zeigt, welchen Einfluss diese beiden Veränderungen auf die Detektion der Fehleranzahl haben.
Diese Werte sollen die Sensibilität dafür wecken, dass geeigneten Hausungen in der kamerabasierten Detektion wichtig sind, um nicht nur im Rahmen kurzer Stichprobenumfänge von etwa 25 Messungen, sondern über viele Stunden und Tage hinweg Messungen in geeigneter Wiederholpräzision durchführen zu können. Dies trifft umso mehr zu, wenn für die geforderten (langfristigen) Prüfmittelfähigkeitsindizes Mittelwertschwankungen in Betracht gezogen werden müssen und die geforderten Fähigkeiten deutlich oberhalb von 1,33 liegen.
Gerade für solche Messungen sind systeminterne Faktoren zu berücksichtigen, die sich z.B. in Einschwingvorgängen äußern können, wie sie in Abbildung 3 rechts für die detektierte Fehleranzahl zu sehen sind. Die steilen Bereiche bei geringer Zeit zwischen den Messungen zeigen auch hier einen deutlichen Einfluss auf die Fähigkeit des Prüfprozesses. Vor allem für die Wiederholpräzision diskontinuierlicher Prüfungen sind diese systemimmanenten Faktoren eine Herausforderung und müssen bei der Auslegung des Prüfprozesses berücksichtigt werden.
Die gezeigten Beispiele und Einflussfaktoren machen die zahlreichen Aspekten deutlich, die für zuverlässige kamerabasierte Prüfprozesse berücksichtigt werden müssen. Dies betrifft neben den technischen Charakteristika des Prozesses und den Spezifikationen der beteiligten Komponenten auch die Definition realistischer, anwendungsgerechter Parameter. Nur so lassen sich langzeitstabile Messungen gewährleisten, deren Ergebnisse industriellen Anforderungen an Stabilität und Zuverlässigkeit genügen.

 

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