Bildverarbeitung

Schichtdicken auf 1 µm genau messen

01.03.2023 - Hochauflösende Optische Kohärenztomographie (OCT) zur Schichtdickenmessung

Lack- oder Farbschichtdicken mit einer Auflösung von 1 µm messen, das schafft ein optisches Kohärenztomographie-System, das ein Aachner ­Forscherteam entwickelt hat. Neben Anwendungen in der Druckindustrie eignet es sich etwa für die Qualitätskontrolle von medizinischen Tablettenbeschichtungen oder mehrlagigen Foliensystemen.

Die Messung von Schichtdicken ist in vielen Anwendungsbereichen ein zentraler Bestandteil der Qualitätskontrolle eines Werkstücks oder eines Materials. Damit spezielle Funktionsschichten ihre Zieleigenschaften haben und beispielsweise ihre Schutz- oder Barrierefunktion erfüllen oder auch optische Effekte haben, bedarf es einer hochauflösenden zerstörungsfreien Messmethode, um die Schichtdicken direkt innerhalb der Produktion zu messen. Ein geeignetes Verfahren hierfür ist die Optische Kohärenztomographie (OCT).

Diese misst basierend auf kurzkohärenter Interferometrie die Reflexion an Grenzschichten einer semi-transparenten Probe. Die durch laterales Scannen des Messflecks über die Probenoberfläche generierten Querschnittbilder ermöglichen eine direkte quantitative Messung von Schichtdicken beziehungsweise Mehrschichtsystemen mit einer Auflösung von ca. 3 bis 10 µm. Um noch dünnere Schichten unterhalb dieser Auflösungsgrenze zu messen, wurde am Fraunhofer IPT innerhalb des Forschungsprojekts „Entwicklung eines Verfahrens zur interferometrischen Schichtdickenmessung“ (Ifsidla), gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Förderkennzeichen 20894N) ein sogenanntes Ultrahigh-resolution OCT (UHR-OCT) entwickelt, das Schichtdicken ab ca. 1 µm auflöst.

Aufbau des Ultrahigh-Resolution-OCT-Systems

Das entwickelte UHR-OCT-System basiert auf einem Spectral Domain OCT (SD-OCT). Um besonders dünne Schichten differenzieren zu können, kommt eine sehr breitbandige Lichtquelle zum Einsatz: ein Superkontinuum-Laser, dessen spektrale Bandbreite auf 300 nm begrenzt wurde.

Aufgrund des breiten Spektrums ist die Auswahl an faserbasierten optischen Komponenten begrenzt. Daher wurde ein Freistrahl-Interferometer-Aufbau realisiert. Das schnelle und genaue Scannen der Proben ermöglicht ein zweiachsiges Galvanometersystem und ein breitbandiges telezentrisches Scanobjektiv mit großem Sichtfeld. Um das Interferenzmuster der reflektierten Strahlen aufzuzeichnen, koppeln eine Singlemode-Faser und ein spiegelbasierter Kollimator das Licht in das für den gewünschten Spek­tralbereich optimierte Spektrometer ein. Das System erreicht eine Abbildungstiefe von circa 1 mm.

Aller Komponenten des UHR-Systems werden mit einer modularen Software synchronisiert und gesteuert. Bei Bedarf lässt sich die Software mit zusätzlichen Modulen erweitern. Neben den standardmäßigen Signalerfassungs- und Verarbeitungsschrittsequenzen für SD-OCT ist ein numerischer Dispersionskompensations-Algorithmus enthalten, der die durch die optischen Komponenten verursachte Dispersionseffekte verringert und dadurch zur erreichbaren hohen Auflösung beiträgt.

Für eine präzise und wiederholgenaue Messung der Schichtdicke hat das Fraunhofer IPT zudem einen für die Auflösung angepassten Algorithmus entwickelt, der innerhalb eines Querschnittbildes die vorhandenen Kanten der verwendeten Materialien erkennt und diese mit Subpixel-Genauigkeit lokalisiert.

Speckle, das mit kohärenten Bildgebungsmodalitäten einhergeht, kann zusammen mit zusätzlichen Rauschquellen die Bildqualität verschlechtern und zu Unsicherheiten bei der Beschichtungserkennung führen. Deshalb ist ein genauer und robuster Bildverarbeitungsalgorithmus für die automatische Kantenerkennung notwendig. Viele herkömmliche Kantenerkennungsalgorithmen beinhalten die Anwendung von Filtern und Schwellenwerten, was zu einem Verlust relevanter Informationen führt. Daher wurde ein Algorithmus entwickelt, der die Speckle-Informationen berücksichtigt und vorhandene Kanten subpixelgenau auflösen kann.

Das UHR-OCT bei der Messung von Lackschichtdicken 

Getestet und validiert wurde das OCT-System anhand verschiedener Lackproben aus der Druckindustrie. Neben Verpackungen und anderen gewöhnlichen lackierten Proben wurden hierbei eigene Referenzproben entwickelt, die mittels alternativer (zerstörender) Messmethoden – wie Mikroskopie, Bildern von Querschliffen oder dem Rasterelek­tronenmikroskop – untersucht und mit den OCT-Messungen verglichen wurden.

Trotz der herausfordernden rauen Oberfläche von manchen Papier- und Foliensub­straten konnte gezeigt werden, dass die OCT in der Lage ist, zerstörungsfrei und hochauflösend Lackschichten ab einer Dicke von ca. 1 µm auf komplexen Oberflächen zu messen. Einen weiteren Einfluss auf die Schichtdickenmessung von Lackschichten hat insbesondere die Lackfarbe beziehungsweise die Transparenz des Lackes. Neben den für das menschliche Auge transparenten Lacken zeigen sich beispielweise auch farbige oder matte Lacke als für die in der OCT verwendeten Wellenlängen transparent.

An ihre Grenzen kommt die optische Mess-technik nur bei schwarzer Lackfarbe. Diese absorbiert das verwendete Licht in der oberen Schicht, sodass aus der unteren Papierschicht zu wenig Licht zurück zum Sensor gelangt.
Der direkte Zugang zu inneren Strukturen durch die OCT ermöglicht neben der quantitativen Messung von Schichtdicken auch das Erkennen von Fehlstellen, wie Lufteinschlüssen oder unlackierte Stellen auf einer Probe, und gewinnt für industrielle Anwendungen immer stärkere Aufmerksamkeit. Insbesondere für sicherheitsrelevante Druckvorgänge wie den Druck von Ausweisdokumenten, Geldscheinen oder sonstigen Druckerzeugnissen mit integrierten Sicherheitsfeatures kann die OCT und im Speziellen die hochauflösende OCT eine einzigartige, produktionsnahe oder sogar in die Produktion integrierte Qualitätssicherungsmethode darstellen.

Weitere mögliche Anwendungen in der Qualitätskontrolle

Die Verwendung der UHR-OCT ist nicht auf die Druckindustrie beschränkt, sondern eignet sich für zahlreiche Anwendungen, beispielsweise in der Qualitätskontrolle von medizinischen Tablettenbeschichtungen, in der Qualitätskontrolle von mehrlagigen Foliensystemen oder in jeder weiteren Anwendung, bei der die Dicke einer (semi-)transparenten Beschichtung innerhalb der Systemspezifikationen mit einem hohen Maß an Genauigkeit und Wiederholbarkeit gemessen werden muss. Dies gilt nicht nur für Beispiele aus der Schichtdickenmessung, sondern auch für die hochauflösende Charakterisierung von lichtundurchlässigen Bauteilen.

Bei der topographischen Analyse von mikrostrukturierten Metallbauteilen bietet die UHR-OCT neben der hohen räumlichen Auflösung und der schnellen Messfrequenz zudem den Vorteil, dass im Gegensatz zu alternativen Messverfahren, die Charakterisierung nahezu unabhängig vom Bauteilmaterial stattfinden kann und auch hohe Aspektverhältnisse das Messergebnis nicht beeinflussen.

Hohe Auflösung bei gleichzeitig hohem Tiefenmessbereich

Insgesamt bietet die OCT den Vorteil der hohen Auflösung und eines hohen Tiefenmessbereichs. Die Messtechnik schließt hierbei die Lücke zwischen der Mikroskopie, die zwar eine hohe Auflösung besitzt, innere Strukturen aber nicht sichtbar machen kann, und der Ultraschallbildgebung, die bei einer hohen Messtiefe mit einer schlechten räumlichen Auflösung einhergeht. Aufgrund der einfachen Bauweise und der hohen Messfrequenz lässt sich die OCT zusätzlich in Produktionsabläufe integrieren. Damit kann das System Teil einer automatisierten Qualitätskontrolle innerhalb der Fertigung sein.

Autoren
Charlotte Stehmar, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Produktionsmesstechnik des Fraunhofer IPT
Enno Hachgenei, Gruppenleiter Optische Messtechnik und Bildgebende Verfahren in der Abteilung Produktionsmesstechnik des Fraunhofer IPT

Kontakt

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT

Steinbachstraße 17
52074 Aachen
Nordrhein-Westfalen, Deutschland

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